Bild.de propagiert „Deutschlands Top 100“-Produkte: Fragwürdige Kaufempfehlungen
Der Internetableger des Boulevardblatts Bild ist seit April ins Geschäft mit Technik und Life-Style-Produkten eingestiegen. Der Bild-Shop verkauft Fernseher und Fahrräder, Fußmassage- und Faxgeräte. Prominent vermarktet er „Deutschlands Top 100 – Produkte, die man einfach haben muss“. Doch die Verbraucherzentrale NRW entdeckte bei einer Stichprobe viele Merkwürdigkeiten.
Bild.de hat „Deutschlands Top 100“ gekürt: „Produkte, die man einfach haben muss“- mit wenigen Klicks zu bestellen – wie praktisch – im eigenen Onlineshop. Mit dabei sind die ausgezeichnete Spiegelreflexkamera wie der „sehr sparsame Kühlschrank“, die „Power Handkreissäge“ und der „innovative Wecker“. Jeweils eine von insgesamt zehn verschiedenen Begründungen für den zwingenden Kauf führt Bild.de an. Mal gilt ein Produkt als „Preishammer“ oder „Neuheit“, andere hätten als „Testsieger“ überzeugt, wieder andere werden zum „Publikumsliebling“ oder zum „Geheimtipp“ hochgejubelt.
Angebliche „Preishämmer“ erwiesen sich…
Bild-Shop: Unangebrachter Jubel
Ob der verkaufsfördernde Jubel wirklich berechtigt ist, wollte die Verbraucherzentrale NRW wissen. Sie nahm jedes zweite Produkt der „Top 100“ genauer ins Visier – und war enttäuscht: Schon die 16 „Preishämmer“ in der Stichprobe aus dem Bild-Shop erwiesen sich fast durchweg als Schaumschläger. Die Produkte fanden sich – gesucht über kostenlose Preissuchmaschinen – in anderen Onlineshops im Schnitt fast zehn Prozent billiger. Einen Kicker-Tisch beispielsweise gab`s sogar über ein Viertel preiswerter. Nur in einem Fall war der Bild.de-Preis nicht zu knacken: bei einem Speedstick fürs mobile Surfen im Internet von – wen wundert`s – Bild selbst.
…fast durchweg als Schaumschläger
Staunen löste bei den Testern auch die Kategorie „Publikumsliebling“ aus. In diese Rubrik gelangen laut Werbung nur Waren mit „echten Spitzen-Bewertungen von unseren Shop-Besuchern“. Merkwürdig nur: Die fehlten weitgehend. Von den sechs angeblichen „Publikumslieblingen“ in der Stichprobe musste die Hälfte ohne Lob auskommen. Der Rest glänzte mal mit einer, mal mit acht Bewertungen – wobei auf einen Surfstick auch zwei strafende 1-Sterne-Urteile fielen. Zum Vergleich: Bei Konkurrent Amazon finden sich bei Bestsellern oft Hunderte Bewertungen. Ungereimtheiten tauchten auch bei von Bild.de empfohlenen „Testsiegern“ und „Preis-Leistungs-Siegern“ auf. Einige der Erfolge nämlich waren reichlich angestaubt. Sie lagen bis zu fünf Jahre zurück.
Irritationen bei Siegeln
Wer darüber hinaus sich genauer mit den abgebildeten Siegeln beschäftigt, trifft auf weitere Irritationen. So lockte eine „Top-100“-Spiegelreflexkamera von Canon mit: „Testsieger chip-online Jan. 2010“. In der aktuellen Bestenliste von chip-online.de rangiert die Kamera aber nur auf Platz 11. Im Check der PC-Zeitschrift Chip (1/2010) kam die Kamera ebenfalls nicht auf Platz 1, sondern lediglich auf den vierten Platz (75,7 von 100 Punkten). Zudem nahm Chip allein die Kamera unter die Lupe, während sie im Bild-Shop als „Top-100-Produkt“ nur zusammen mit einem ungetesteten Objektiv angeboten wurde. Von der Verbraucherzentrale NRW darauf angesprochen, fand das Bild.de ebenfalls „verwirrend“. Die Konsequenz: Der Bild-Shop will das Produkt nicht mehr als „Testsieger“ deklarieren, sondern als „Qualitätsknaller“ einstufen.
Überalterte Bewertungen
Damit nicht genug. Für einen Computerdrucker wurden zwei Testerfolge (SFT und DruckerChannel) aus 2009 zitiert, sowie ein Check der Stiftung Warentest – „dieser Drucker steht ganz fest auf dem Siegertreppchen“. Warum dort oben neuerdings vier Kandidaten stehen, bleibt wohl das Geheimnis des Shop-Marketings. Im Warentest nämlich belegte der Canon nur den vierten Platz (Urteil: „gut“, 2,3). Noch dreister: Ein Lautsprechersystem lockte mit einem drei Jahre alten Testsieg zum Kauf. Die aktuellere Bewertung aus dem eigenen Haus von Computerbild Spiele (Ausgabe 11/09) verschwieg der Bild-Shop: Note: „befriedigend“; Preis-Leistung: „ungenügend“. Immerhin gab`s das System mittlerweile preiswerter im Sortiment.
Vorsicht geboten ist auch bei den von Bild.de propagierten „Geheimtipps“. Ein „Energiespar-Tischkühlschrank“ etwa kam zu dieser Ehre, weil er „deutlich weniger als herkömmliche Geräte“ verbrauche. In einer Liste energiesparender Tischkühlschränke des Verbraucherzentrale Bundesverbands landet der Geheimtipp aus dem Bild-Shop aber nur auf Rang 42: mit einem Stromverbrauch von 179 Kilowattstunden im Jahr (kWh). Das günstigste Gerät der Liste benötigt gerade mal 126 kWh – und spart somit in 15 Jahren stolze 148 Euro an Stromkosten gegenüber dem „Geheimtipp“. Auch eine Mikrowelle aus dieser Rubrik brillierte nicht gerade als Energiesparer. Die Stiftung Warentest kam auf einen Stromverbauch auf 121 kWh – fast doppelt so viel wie das sparsamste Gerät (72kWh) in ihrer Liste.
Reißerische Werbung
Noch schlimmer sah das Gesamt-Bild aus, als die Tester mehrere Shop-Kategorien auf ein „Deutschland-Top-100“-Produkt anwendeten. Wo schon fast alle 16 „Preishämmer“ in ihrer Spezialdisziplin gepatzt hatten, wurde es beim Rest noch dusterer. Die Internet-Preissucher spuckten in der Stichprobe bei allen vergleichbaren Bild.de-Angeboten andere Händler als günstiger aus: mal um ein paar Cent, mal um 90 Euro. Bei einen Blu-Ray-Player ließen sich 30, bei einer Körperfettanalysewaage sogar knapp 35 Prozent sparen. Den sechs nur wenig geschätzten „Publikumslieblingen“ wiederum standen gleich 82 Produkte von „Deutschlands Top 100“ gegenüber, die nicht mit einer Zeile Lob oder Bewertung aufwarten konnten.
Für die Verbraucherzentrale NRW lehrt das Beispiel des Bild-Shops: Konsumenten sollten sich keinesfalls auf reißerische Werbung verlassen, die einzelne, zudem oft fragwürdige Qualitätskriterien von Produkten herausstellt. Für eine Kaufentscheidung braucht es viel mehr: von der Bedarfsanalyse über unabhängige Produktinformationen, neutrale Warentests bis hin zu einem qualifizierten Preisvergleich.
Quelle: VBZ NRW
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