Zwischen deutlicher Zustimmung und einiger Skepsis haben die Experten-Meinungen zum Umgang mit Daten mittels Blockchain-Technologie in einer Anhörung des Finanzausschusses am Montagnachmittag gereicht. Unterschiedlich wurden auch Notwendigkeit und Umfang gesetzgeberischer Reaktionen in Bezug auf diese neuartige Technologie beurteilt, die unter anderem bei Bitcoin-Transaktionen eingesetzt wird
Grundlage der Anhörung war ein Antrag der FDP-Fraktion (19/4217) mit dem Titel: „Zukunftsfähige Rahmenbedingungen für die Distributed-Ledger-Technologie im Finanzmarkt schaffen“. Wie die FDP erläutert, bezeichne man mit dieser als DLT abgekürzten Technologie dezentral geführte Datenbanken, die Teilnehmern des Netzwerks eine gemeinsame Schreib-, Lese- und Speicherberechtigung erteilen und ohne zentrale Autorität gepflegt werden. Blockchain zähle dazu. Es handle sich um eine chronologische Kette von Datenblöcken, in denen Transaktionen verschlüsselt gespeichert werden. Das Vertrauen in das System werde nicht mehr durch die Autorität eines zentralen Organs hergestellt, sondern durch den Einsatz kryptografischer Verfahren.
Die FDP macht geltend, dass das Potenzial der Blockchain-Technologie nur ausgeschöpft werden könne, wenn Rechtssicherheit für die Anwendung bestehe und ein praktikabler Rechtsrahmen für die Nutzung gegeben sei. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und das Bundesfinanzministerium hätten es bis jetzt verpasst, entsprechende Kompetenzen aufzubauen und die nötigen gesetzlichen Anpassungen vorzunehmen.
Für die BaFin versicherte Oliver Fußwinkel, sie habe sich seit 2011 im Zusammenhang mit der Kryptowährung Bitcoin mit Blockchain auseinandergesetzt. Seitdem habe sie Strukturen entwickelt, um immer am Ball zu bleiben.
Professor Wolfgang Prinz von der Fraunhofer-Gesellschaft stellte fest, dass es bisher keine Blockchain-Professur gebe, obwohl dies dringend nötig wäre, um die Technologie breiter zu lehren und zu erforschen. Über Forschungsförderung im Bereich der Daten-Technologien müsse wegen der rasanten Entwicklung möglichst kurzfristig und über zeitlich eingegrenzte Anwendungsprojekte entschieden werden um Erfahrungen zu sammeln. Zusätzlich bedarf es langfristiger Initiativen um die Grundlagen von DLT und darauf basierender Anwendungen weiter zu entwickeln. Womöglich werde über den Begriff „Blockchain“ schon in drei bis vier Jahren nicht mehr geredet, weil sich Grundlagenkonzepte schnell weiter entwickeln und neue Basistechnologien angewendet werden.
Ralph Bärligea, BearingPoint GmbH, äußerte Zweifel, ob man für Blockchain neue Gesetze brauche. Eine bestimmte Technologie dürfe vom Gesetz her weder behindert, noch bevorzugt werden. Kritik etwa an Massenüberwachung stellte er gegenüber, „dass wir ohne die fortschrittlichsten intellektuellen und technologischen Mittel in Deutschland und Europa nicht über die erforderlichen Werkzeuge verfügen werden, unsere Werte auch durchzusetzen“.
Martin Fries, Privatdozent an der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, machte „erhebliche Spannungen zwischen dem in Europa soeben erst weitgehend harmonisierten Datenschutzrecht und der Blockchain-Technologie“ aus. Im Kern gehe es darum, dass die europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ein Recht auf Vergessenwerden statuiere, während DLT-Technologien im Grundsatz ein lückenloses Gedächtnis hätten. Zwar gelte die DSGVO nur für personenbezogene Daten. Doch sei ein solcher Personenbezug bei Finanztransaktionen regelmäßig herstellbar. Das Dilemma lasse sich nur auflösen, wenn man entweder das geltende Datenschutzrecht lockere oder die Blockchain-Technologie entsprechend anpasse.
Katharina Gehra, Geschäftsführerin von Immutable Insight, verwies darauf, dass die Blockchain-Technologie bisher in der öffentlichen Wahrnehmung etwa mit Geldwäsche in Verbindung gebracht worden sei. Auch das augenscheinliche Maß an Anonymität habe zu einem Image beigetragen, das Misstrauen nähre. Tatsächlich sei aber auf der Basis von Algorithmen eine Methodik entwickelt worden, die dem Gesetzgeber eine Transparenz ermögliche, die weit über das Maß hinausgehe, das in den bestehenden Aktien- oder Anleihemärkten möglich sei. 100 Prozent aller Transaktionen würden bei Blockchaine erfasst. Missbrauchsfälle und Marktanomalien könnten präzise identifiziert und nachgewiesen werden. Geldwäsche, Betrug und Manipulation folgten Schemata, die auf Basis schon einiger weniger Parameter identifiziert werden könnten. Gehra: „Wir suchen nicht die Nadel im Heuhaufen, sondern wir sieben den Heuhaufen kontinuierlich und finden Nadeln, von denen Sie nicht wussten, dass es sie gibt.“
Rechtsanwältin Claudia Otto von COT Legal beschied: „Die ideale Blockchain-Welt gibt es nicht.“ Die Nutzer bestimmten, welches Wissen sie mit anderen teilen möchten. Weil die Abstimmung darüber zum regelmäßigen Aufstauen neuer Einträge führen würde, werde der Abstimmungsprozess durch einen neuen Konsensmechanismus ersetzt. Das bedeute, dass auch keine inhaltliche Prüfung der Einträge stattfinde: „Aus diesem Grund gelangen ungehindert falsche Daten und Behauptungen, strafbare Inhalte und sonstig rechtlich problematische Materialien in die gemeinsame Datensammlung.“ Grundsätzlich könnten bewährte Technologien eine bessere, verlässlichere und sicherere Umsetzung gewährleisten.
Eric Romba, von „lindenpartners“, einer Partnergesellschaft von Rechtsanwälten, meinte, Blockchain und DLT dürften nicht auf den Anwendungsfall von Kryptowährungen reduziert werden. Bitcoin sei im Jahre 2009 ein erster Anwendungsfall gewesen. Die Technologie habe sich jedoch in den vergangenen Jahren massiv weiterentwickelt. Es ergäben sich mannigfaltige Anwendungsfälle. Neben der Finanzwirtschaft spiele das Thema im Bereich Mobilität, Infrastruktur, Energie und Immobilien eine Rolle. Er vertrat die Auffassung, Deutschland brauche weder ein DLT-Sonderrecht, noch ein DLT-Gesetz, aber Rechtssicherheit. Gerade auch in steuerlicher Hinsicht gebe es dafür ein großes Bedürfnis.
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