Kurzbeschreibung: Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat, wie bereits berichtet (siehe Pressemitteilung vom 25. Januar 2023, dort auch zum Sachverhalt), das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart, mit dem das beklagte Land Baden-Württemberg verpflichtet wurde, die Bürgermeisterwahl Weinsberg vom 2. Februar 2020 für ungültig zu erklären, bestätigt.
Der 1. Senat des VGH führt in den Gründen des nun vorliegenden schriftlichen Urteils aus: Die fehlerhafte Kommunikation hinsichtlich der Anzahl der zulässigen Wahlplakate, die verweigerte Beilage eines Werbeflyers in der Ausgabe des Nachrichtenblattes der Stadt und die Veröffentlichung einer privaten Unterstützungsanzeige im Nachrichtenblatt waren unzulässige Wahlbeeinflussungen, die nach allgemeiner Lebenserfahrung auch Auswirkungen auf das Wahlergebnis haben konnten.
Dadurch, dass der Kläger in einem Zeitraum von etwa 3 Wochen aufgrund einer Auskunft der Gemeindeverwaltung Weinsberg davon ausgegangen sei, nur 30 Plakate aufstellen zu dürfen, wohingegen der kandidierende Amtsinhaber aufgrund einer Genehmigung der Gemeinde 40 Plakate – und somit fast 25 % mehr – aufgestellt habe, sei dieser dem Kläger gegenüber im Vorteil gewesen. Da Wahlplakate auch in der heutigen Zeit noch ein selbstverständliches Wahlkampfmittel von erheblicher Bedeutung darstellten, habe der Kläger durch die geringere Anzahl an Wahlplakaten einen spürbaren Nachteil hinsichtlich Werbemöglichkeiten und der Möglichkeit, seinen Bekanntheitsgrad in der Gemeinde zu steigern, erlitten.
Dieser Wahlfehler habe auch auf die Willensbildung der Wähler durchschlagen können. Der Wahlausgang sei mit einer Überschreitung der Grenze der absoluten Mehrheit um 229 Stimmen so knapp gewesen, dass ein Einfluss auf das Wahlergebnis aufgrund des festgestellten gewichtigen Wahlfehlers nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung liege. Es habe somit die konkrete Möglichkeit bestanden, dass der obsiegende Amtsinhaber bei gleicher Anzahl an Wahlplakaten die absolute Mehrheit der Stimmen nicht erreicht hätte und es zu einem zweiten Wahlgang gekommen wäre.
Einen weiteren Wahlfehler sah der 1. Senat darin, dass aufgrund eines Irrtums einer Verlagsmitarbeiterin dem Kläger die Beilage eines Wahlwerbeflyers in die Ausgabe des Nachrichtenblatts der Stadt Weinsberg vom 10. Januar 2020 verweigert wurde, obwohl dieser nach dem Redaktionsstatut einen Anspruch auf Veröffentlichung gehabt habe. Eine unzulässige Wahlbeeinflussung liege darin, dass dem Kläger eine Chance, sich eines zulässigen Wahlkampfmittels zu bedienen, rechtswidrig verweigert worden sei.
Es stehe grundsätzlich jedem Kandidaten frei, seine Wahlkampagne unter Ausnutzung der gegebenen Möglichkeiten selbständig und nach seinen eigenen Vorstellungen zu gestalten. Zwar habe es sich um eine irrtümliche Auskunft einer Mitarbeiterin des privatrechtlichen Verlags gehandelt. Diese irrtümliche Auskunft sei der Gemeinde Weinsberg aber zuzurechnen, da diese sich zur Herstellung des Nachrichtenblattes der Hilfe des Verlages als sog. Verwaltungshelfer bedient habe.
Eine weitere unrechtmäßige Wahlbeeinflussung habe in der Veröffentlichung einer privaten Unterstützungsanzeige zugunsten des amtierenden Bürgermeisters im Nachrichtenblatt vom 17. Januar 2020 gelegen. Nach dem Redaktionsstatut des Nachrichtenblatts sei es nicht zulässig gewesen, Anzeigen von Privatpersonen im Zusammenhang mit Wahlen zu veröffentlichen. Aufgrund der Vielzahl der zum Teil ortsbekannten Unterstützer sei davon auszugehen, dass die unrechtmäßig veröffentlichte Unterstützungsanzeige Auswirkungen auf das Wahlergebnis haben konnte.
Die Revision wurde nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung der Revision kann binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingelegt werden (Az.: 1 S 359/22).
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