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Bundesgerichtshof bestätigt Urteile im Weidener „Flutkanal-Prozess“

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Urteil vom 21. September 2022 – 6 StR 47/22

Das Landgericht Weiden i.d. Opf. hat den Angeklagten G und die Angeklagte jeweils wegen Aussetzung mit Todesfolge zu Freiheitsstrafen von fünf Jahren und sechs Monaten bzw. vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten Go hat es wegen unterlassener Hilfeleistung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts fuhren der 22-jährige Geschädigte und die etwa gleichaltrigen Angeklagten in eine Shisha-Bar nach Weiden i.d. OPf. Mit Ausnahme des als Fahrer fungierenden Angeklagten Go konsumierten alle erhebliche Mengen an Alkohol. Beim Verlassen der Bar mussten sein bester Freund, der Angeklagte G, und die Angeklagte dem zudem mit einem synthetischen Cannabinoid intoxikierten Geschädigten beim Anziehen der Jacke und beim Laufen helfen. Der Angeklagte Go blieb insoweit untätig. Er wurde durch den Geschädigten auf dem Weg zum Parkhaus kurzzeitig verbal und körperlich angegriffen, woraufhin er Distanz zu diesem wahrte. Am Parkhaus angekommen verließ der Geschädigte unbemerkt die Gruppe und stürzte eine Böschung am nahegelegenen Flutkanal hinab. Dort fanden ihn die Angeklagten wenig später bäuchlings am Ufer liegend, schluchzend und um Hilfe bittend. Während der Angeklagte Go oberhalb der Böschung blieb, stiegen die anderen beiden zum Ufer hinab. Obwohl allen Angeklagten bewusst war, dass sich ihr Freund und Bekannter in diesem Zustand nicht mehr selbständig würde helfen können, leisteten sie ihm keinen Beistand und riefen keine Hilfe; stattdessen filmte die Angeklagte einige Szenen mit dem Mobiltelefon. Daraufhin versuchte der Geschädigte über mehrere Sekunden hinweg, sich selbst aufzurichten, wobei er schließlich begleitet von dem Lachen der Angeklagten in den Flutkanal fiel. Mit unkoordinierten Bewegungen entfernte er sich aus deren Sichtfeld und ertrank innerhalb der nächsten Minuten. Nach einigem Suchen traten die Angeklagten den Heimweg an. Sie schrieben noch in der Nacht und am Morgen des Folgetages Nachrichten an den Geschädigten und erkundigten sich nach dessen Verbleib und Wohlergehen.

 

Das Verhalten des Angeklagten G und der Angeklagten hat das Landgericht als Aussetzung mit Todesfolge (§ 221 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 StGB) gewertet. Es vermochte sich nicht davon zu überzeugen, dass sie auch mit dem Eintritt des Todes rechneten und sich damit abfanden (§ 212 Abs. 1, § 13 Abs. 1 StGB). Bezüglich des Angeklagten Go hat es nur eine unterlassene Hilfeleistung (§ 323c Abs. 1 StGB) als erfüllt angesehen, weil diesen keine spezifischen Obhuts- und Beistandspflichten trafen.

Die auf die Revisionen des Angeklagten G und der Angeklagten sowie der Nebenkläger erfolgte rechtliche Überprüfung durch den 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Vor- oder Nachteil der Angeklagten ergeben. Das Urteil ist damit rechtskräftig.

Vorinstanz:

LG Weiden i.d. Opf. – Urteil vom 20. August 2021 – 1 Ks 21 Js 8059/20

Die maßgeblichen Vorschriften des StGB lauten:

  • 13 Begehen durch Unterlassen

(1) Wer es unterlässt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.

 

[…]

 

  • 212 Totschlag

 

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

 

[…]

 

  • 221 Aussetzung

 

(1) Wer einen Menschen

 

  1. in eine hilflose Lage versetzt oder

 

  1. in einer hilflosen Lage im Stich lässt, obwohl er ihn in seiner Obhut hat oder ihm sonst

 

beizustehen verpflichtet ist,

 

und ihn dadurch der Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

 

[…]

 

(3) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

 

[…]

 

  • 323c Unterlassene Hilfeleistung; Behinderung von hilfeleistenden Personen

 

(1) Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

 

[…]

 

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