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Bundesinnenministerium durfte Einvernehmen zu Berliner Aufnahmeanordnung für zusätzliche „Moria-Flüchtlinge“ versagen

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Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) hat das nach § 23 Abs. 1 Satz 3 AufenthG zur Wahrung der Bundeseinheitlichkeit erforderliche Einvernehmen zu einer humanitären Anordnung des Landes Berlin vom Juni 2020 über die Aufnahme von 300 besonders schutzbedürftigen Personen aus dem (ehemaligen) Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos rechtmäßig versagt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom heutigen Tage entschieden.

Die Aufnahmeanordnung des Klägers vom Juni 2020 zielte auf eine zusätzliche Linderung der humanitären Notlage für Schutzsuchende in dem überfüllten (später durch einen Brand zerstörten) griechischen Aufnahmelager. Das BMI lehnte die Erteilung des Einvernehmens im Juli 2020 ab, weil schon die Voraussetzungen für eine Landesaufnahmeanordnung nicht erfüllt seien und zudem die Bundeseinheitlichkeit nicht gewahrt werde. § 23 Abs. 1 AufenthG bilde keine Rechtsgrundlage für Kontingentaufnahmen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Diese Regelung setze die Feststellung des humanitären Schutzbedarfs vor der Einreise voraus. Hielten sich Geflüchtete bereits in einem anderen Mitgliedstaat auf, komme dem unionsrechtlichen Aufnahmeinstrument der Dublin III-VO gegenüber nationalen Aufnahmen einzelner deutscher Länder der Vorrang zu. Die beabsichtigte humanitäre Aufnahme durch ein Land sei auch nicht kohärent mit den vom Bund selbst getroffenen Maßnahmen. Dieser habe im Rahmen eines europäisch abgestimmten Vorgehens u.a. für eine bestimmte Anzahl kranker Kinder und ihrer Familien die Zuständigkeit für die Durchführung der Asylverfahren übernommen, ohne diesen sofort eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Im Bereich der Außen- und Europapolitik komme dem Bund, der sich für ein auf europäischer Ebene koordiniertes Vorgehen entschieden habe, die alleinige Zuständigkeit zu.

Das bei verwaltungsrechtlichen Bund-Länder-Streitigkeiten in erster und letzter Instanz zuständige Bundesverwaltungsgericht hat die Klage des Landes Berlin abgewiesen. Die Versagung des Einvernehmens zu der Anordnung war rechtmäßig. Das Aufenthaltsgesetz eröffnet der obersten Landesbehörde mit der Befugnis zur gruppenbezogenen Aufnahme von Ausländern aus humanitären Gründen ein weites politisches Ermessen. Eine Aufnahmeanordnung bedarf nach der mit dem Grundgesetz vereinbaren Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 3 AufenthG indes zu ihrer Wirksamkeit des Einvernehmens des BMI. Die Entscheidung über das Einvernehmen dient der Wahrung der Bundeseinheitlichkeit und ist an diesem Zweck auszurichten.

Bundeseinheitlichkeit bezieht sich auf eine im Grundsatz einheitliche Behandlung der fraglichen Personengruppe im Bundesgebiet und zielt unter anderem auf die Verhinderung negativer Auswirkungen auf die anderen Länder oder den Bund. Dies berechtigt das BMI im Grundsatz auch, ein koordiniertes Vorgehen aller oder mehrerer durch das Gemeinsame Europäische Asylsystem zusammengeschlossenen Mitgliedstaaten durch eine kohärente und einheitliche Vertretung der Bundesrepublik Deutschland zu befördern. Hat der Bund in eigener Zuständigkeit Ausländer aus der fraglichen Gruppe aus denselben humanitären Gründen aufgenommen, darf er einem Landesaufnahmeprogramm zudem bei fehlender Kohärenz mit den eigenen, auf dieselbe Personengruppe bezogenen Maßnahmen das Einvernehmen verweigern. Bei der Bewertung der Erheblichkeit von Uneinheitlichkeiten im Einzelfall hat das BMI einen Beurteilungsspielraum.

Nach diesen Grundsätzen war eine Rechtswidrigkeit der Versagung des Einvernehmens hier nicht festzustellen, selbst wenn die unionsrechtlichen Vorschriften über Asylverfahren einschließlich der Zuständigkeitsregeln für deren Durchführung einer humanitären Landesaufnahme nicht von vornherein entgegenstanden. Das BMI hat rechtsfehlerfrei auch darauf abgestellt, dass die Aufnahmeanordnung Berlins zu einer – grundlegend – unterschiedlichen Rechtsstellung von Personen aus demselben griechischen Flüchtlingslager im Bundesgebiet geführt hätte. Denn die vom Bund aufgenommenen Personen haben lediglich eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung eines ergebnisoffenen Asylverfahrens erhalten. Die vom Kläger beabsichtigte humanitäre Aufnahme hätte hingegen zur sofortigen Erteilung von längerfristigen, zunächst auf drei Jahre befristeten Aufenthaltserlaubnissen geführt, ohne dass der Schutzbedarf auch in Bezug auf das jeweilige Herkunftsland zuvor geprüft worden wäre.

 

BVerwG 1 A 1.21 – Urteil vom 15. März 2022

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