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Bundeskriminalamt

Bekanntmachung
eines Feststellungsbescheids
nach § 2 Absatz 5 in Verbindung mit § 48 Absatz 3 des Waffengesetzes
zur waffenrechtlichen Beurteilung des Gegenstands
„BÖKER PLUS SIGURD 42“

Vom 26. August 2024

Auf Grund des § 2 Absatz 5 des Waffengesetzes (WaffG) vom 11. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3970, 4592; 2003 I S. 1957), das zuletzt durch Artikel 228 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist, erging am 11. Juli 2024 der folgende

Feststellungsbescheid

Gegenstand dieser Entscheidung nach § 2 Absatz 5 WaffG ist der vorgelegte Gegenstand „BÖKER PLUS SIGURD 42“ der Firma Heinrich Böker Baumwerk GmbH Solingen.

Beschreibung:

Das BÖKER PLUS SIGURD 42 ist vollständig aus einem Stück Stahl gefertigt. Diese „Ganzstahlkonstruktion“ verfügt über eine Droppoint-Klinge, ein klassischer Messergriff ist nicht vorhanden. Der 5,5 cm langen Schneide der Klinge folgt der Griff, der durch zwei u-förmige Einkerbungen von der Klinge abgegrenzt wird. Der Griff ist schmal und in annähernd der gleichen Breite und Höhe wie die Klinge gehalten und auf der Ober- und Unterseite mit einer fühlbaren Riffelung (sogenannte Chimpings) ausgestaltet. Den Abschluss des Griffes bildet ein Fingerring, welcher auf der Seite der Schneide am Griffende angebracht ist.

Zum Lieferumfang gehört eine Kydexscheide, welche dem Antrag nach um den Hals beziehungsweise an der Hose oder an anderen Gegenständen wie Taschen oder Rucksäcken befestigt werden kann.

Abbildung 1: „BÖKER PLUS SIGURD 42“ in der Gesamtschau mit Kydexscheide

Abbildung 1: „BÖKER PLUS SIGURD 42“ in der Gesamtschau mit Kydexscheide

Das Messer weist folgende Maße auf:

Gesamtlänge: 16,1 cm
Klingenlänge: 5,5 cm
Gewicht: 34 g
Klingenstärke: 3,7 mm
Klingenmaterial: D2
Griffmaterial: D2

Die Zweckbestimmung des antraggegenständlichen Messers ist den Angaben der Antragstellerin nach die eines Gebrauchsmessers. Es soll sowohl für Outdoor-Aktivitäten genutzt werden können (zum Beispiel Schnitzen, Zubereitung von Lebensmitteln, Angeln, Feuermachen) als auch für den Einsatz im urbanen Umfeld. Zudem kann es im Büro als Brieföffner, zum Öffnen von Kartons oder zur Brotzeit verwendet werden.

Hinsichtlich des Fingerringes ist dem Antrag zu entnehmen, dass dieser dazu dient, das Messer sicher greifen zu können. „In Ermangelung eines breiten Griffes, einer Parierstange und eines Griffknaufs bedarf es des Fingerrings, um das Messer sicher und zuverlässig aus der Scheide ziehen zu können. Auch in der Handhabung und bei der Be­nutzung ist der Fingerring notwendig, da er dem Nutzer und dessen Hand den notwendigen Halt zum Benutzen des Messers gibt und ein Abrutschen der Hand vom schmalen Griff verhindert. Durch die Daumenauflage am Fingerring kann auch der Daumen dort sicher aufgelegt werden und es ergibt so nochmals mehr Sicherheit und Kontrollierbarkeit des Messers.“

Die waffenrechtlichen Zweifel an der Einstufung des Messers ergeben sich vorliegend aus der Möglichkeit, dass das Messer trotz der gewählten Klingenform, der Herstellerzweckbestimmung und der Griffanordnung eventuell als verbotenes Schlagringmesser (vergleiche Abbildung 2) oder verbotenes Faustmesser (vergleiche Abbildung 3) verwendet werden könnte.

Abbildung 2: „BÖKER PLUS SIGURD 42“, Trageweise als Schlagringmesser

Abbildung 2: „BÖKER PLUS SIGURD 42“, Trageweise als Schlagringmesser

Abbildung 3: „BÖKER PLUS SIGURD 42“, Trageweise als Faustmesser

Abbildung 3: „BÖKER PLUS SIGURD 42“, Trageweise als Faustmesser

Beurteilung:

Es ist zu prüfen und zu beurteilen, ob es sich bei dem vorgelegten Gegenstand um eine Waffe im Sinne der Definitionen des § 1 Absatz 2 Nummer 2 WaffG handelt. Zudem ist zu prüfen, ob der Gegenstand den waffenrechtlichen Verboten der Anlage 2 Abschnitt 1 unterliegt. Abschließend ist zu prüfen, ob es sich um einen Gegenstand im Sinne des § 42a Absatz 1 WaffG handelt.

1.
§ 1 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe a WaffG
Nach § 1 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe a WaffG sind Waffen tragbare Gegenstände, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen, insbesondere Hieb- und Stoßwaffen. Hieb- und Stoßwaffen sind Gegenstände, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, unter unmittelbarer Ausnutzung der Muskelkraft durch Hieb, Stoß, Stich, Schlag oder Wurf Verletzungen beizubringen.
2.
§ 1 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe b WaffG
Nach § 1 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe b WaffG sind Waffen tragbare Gegenstände, die, ohne dazu bestimmt zu sein, insbesondere wegen ihrer Beschaffenheit, Handhabung oder Wirkungsweise geeignet sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen, und die im WaffG genannt sind.
3.
§ 2 Absatz 3 WaffG
Nach § 2 Absatz 3 WaffG ist der Umgang mit Waffen oder Munition, die in der Anlage 2 Abschnitt 1 zu diesem Gesetz genannt sind, verboten.
4.
§ 42a Absatz 1 WaffG
Es ist verboten, Anscheinswaffen, Hieb- und Stoßwaffen nach Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nummer 1.1 oder Messer mit einhändig feststellbarer Klinge (Einhandmesser) oder feststehende Messer mit einer Klingenlänge über 12 cm zu führen.

Ergebnis der waffenrechtlichen Prüfung:

1.
Bei dem vorgelegten und oben beschriebenen „BÖKER PLUS SIGURD 42“ handelt es sich nicht um eine Waffe gemäß § 1 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe a WaffG in Verbindung mit Anlage 1 zu § 1 Absatz 4 WaffG Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nummer 1.
2.
Bei dem vorgelegten und oben beschriebenen „BÖKER PLUS SIGURD 42“ handelt es sich nicht um eine Waffe gemäß § 1 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe b WaffG in Verbindung mit Anlage 1 zu § 1 Absatz 4 WaffG Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nummer 2.
3.
Bei dem vorgelegten und oben beschriebenen „BÖKER PLUS SIGURD 42“ handelt es sich nicht um eine verbotene Waffe gemäß der Anlage 2 zu § 2 Absätze 2 bis 4 WaffG Abschnitt 1 Nummer 1.3 und 1.4.
4.
Bei dem vorgelegten und oben beschriebenen „BÖKER PLUS SIGURD 42“ handelt es sich nicht um einen Gegenstand im Sinne des § 42a Absatz 1 WaffG.

Begründung:

1.
Aus Sicht des Bundeskriminalamtes ist die Waffeneigenschaft im Sinne des § 1 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe a WaffG in Verbindung mit Anlage 1 zu § 1 Absatz 4 WaffG Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nummer 1.1, insbesondere auf Grund der Herstellerangaben zur Wesensbestimmung und der objektiven Kriterien der Messerkonstruktion, zu verneinen. Abgrenzungsmerkmale, wie beispielsweise der Klingenschliff und die Klingenform, verdeutlichen zweifelsfrei, dass das antragsgegenständliche Messer seinem Wesen nach nicht dazu bestimmt ist, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen. Die Gesamtschau als Gebrauchsmesser erscheint überzeugend und begründet, sie lässt nicht auf eine Verwendung typischerweise als Waffe schließen.
Auch eine Einstufung als Schlagring(-messer) scheidet auf Grund der objektiven Kriterien der Konstruktion des „BÖKER PLUS SIGURD 42“ aus. Zwar ist im Sinne der Verwaltungsvorschrift zu Anlage 2 (zu § 2 Absatz 2 bis 4 WaffG) Abschnitt 1 Nummer 1.3.2 der in der Hand liegende Teil mit einem Durchgriff/​einer Öffnung für einen Finger versehen, an der Schlagseite (über den Fingern liegend) mangelt es jedoch an mehr oder weniger ausgeprägten Spitzen. Zudem stützt sich der Antragsgegenstand nicht ausreichend an der Innenhand ab um die Schlagkraft zu erhöhen.
2.
Waffen im nichttechnischen Sinne zeichnet aus, dass sie nicht dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen, aber insbesondere wegen ihrer Beschaffenheit, Handhabung oder Wirkungsweise hierzu geeignet sind. Um hierbei eine sozial unangemessene Ausweitung des Geltungs­bereichs des Waffengesetzes auf bloße Alltagsgegenstände zu verhindern, sind die Waffen im nichttechnischen Sinne ausdrücklich und abschließend in Anlage 1 zu § 1 Absatz 4 WaffG Unterabschnitt 2 Nummer 2 aufgezählt. Hierzu zählen unter anderem Faustmesser (siehe Nummer 2.1.3).
Faustmesser sind Messer, mit einem quer zur feststehenden oder feststellbaren Klinge verlaufenden Griff, die bestimmungsgemäß in der geschlossenen Faust geführt oder eingesetzt werden. Sofern das Messer „BÖKER PLUS SIGURD 42“ bestimmungsgemäß in der geschlossenen Faust geführt wird, verlaufen Griff und Klinge jedoch nicht quer zueinander, sondern in einer Achse (siehe Abbildung 2). Durch die in Abbildung 3 dargestellte (nicht bestimmungsgemäße) Trageweise wird der „Messerknauf“, den vorliegend der Fingerring bildet, nicht zu einem quer zur feststehenden oder feststellbaren Klinge verlaufenden Griff. Zudem konnte keine Zwecktauglichkeit bei dieser Trageweise festgestellt werden.
3.
Auf Grund der Ergebnisse in Nummer 1 und 2 kann dem vorliegenden Objekt auf Grund der Gesetzessystematik grundsätzlich keine Verbotseigenschaft anhaften.
4.
Unter das sogenannte „Führverbot“ gemäß § 42a WaffG fallen insbesondere Hieb- und Stoßwaffen nach Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nummer 1.1 oder Messer mit einhändig feststellbarer Klinge (Einhandmesser) oder feststehende Messer mit einer Klingenlänge über 12 cm.
Wie in Nummer 1 festgestellt, ist die Hieb- und Stoßwaffeneigenschaft auf Grund der objektiven Kriterien der Messerkonstruktion zu verneinen. Zudem handelt es sich vorliegend nicht um ein feststehendes Messer mit einer Klingenlänge über 12 cm.

Hinweise:

1.
Nach § 2 Absatz 5 Nummer 2 Satz 2 WaffG wurden die zuständigen Bundes- und Landesbehörden zu dem obigen Antrag angehört.
2.
Dieser Feststellungsbescheid bezieht sich auf den oben beschriebenen Gegenstand „BÖKER PLUS SIGURD 42“ und gilt nicht für dessen Modifikationen und Nachahmungen etc.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist beim Bundeskriminalamt, 65173 Wiesbaden, einzulegen.

Wiesbaden, den 26. August 2024

SO 13–5164.01-Z-557

Bundeskriminalamt

Im Auftrag
Komárek

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