Bundesministerium
für Ernährung und Landwirtschaft
Richtlinie
zur Förderung von Liquiditätshilfen für Fischereiunternehmen
im Rahmen der Umsetzung der Brexit-Anpassungsreserve
1 Leistungszweck, Rechtsgrundlage
Das Europäische Parlament und der Rat werden in der zweiten Jahreshälfte 2021 eine Verordnung zur Einrichtung der Brexit-Anpassungsreserve (BAR) verabschieden, um die wirtschaftlichen Auswirkungen des Austritts des Vereinigten Königreichs (VK) aus der Europäischen Union (EU) abzufedern. Gemäß Artikel 5 Absatz 1 des Verordnungsvorschlags zur Einrichtung der BAR sind Maßnahmen zur Unterstützung von Unternehmen und örtlichen Gemeinschaften, die von der Fischereitätigkeit in den Gewässern des VK abhängig sind, zulässig.
Hierdurch soll es vom Brexit besonders betroffenen Wirtschaftszweigen ermöglicht werden, sich an die Folgen des Handels- und Kooperationsabkommens zwischen der EU und der Europäischen Atomgemeinschaft einerseits und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland andererseits (HKA) anzupassen und somit den Erhalt dieser Wirtschaftszweige sicherzustellen. Seine Folgen treffen besonders die Fischerei hart. Bis zum Abschluss der Verhandlungen am 24. Dezember 2020 vertrat die EU mit der Unterstützung Deutschlands die Position, dass sich an den Fangmöglichkeiten in britischen und anliegenden Gewässern nichts ändern solle. Dementsprechend sahen sich die Unternehmen der deutschen Fischerei auch nicht veranlasst, sich konkret auf bestimmte Einbußen als Folge des HKA einzustellen. Sie befinden sich in einer wirtschaftlich angespannten Lage, sofern sie eine Fischerei ausüben, die vom HKA besonders betroffen ist. Sie benötigen daher kurzfristige Liquiditätshilfen, um sich angesichts der durch das HKA geschaffenen Lage wirtschaftlich neu auszurichten.
Zur raschen Unterstützung der Unternehmen der Fischerei, die von den Auswirkungen des HKA und den damit in Zusammenhang stehenden Unsicherheiten betroffen sind, gewährt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Rahmen der dafür besonders zur Verfügung gestellten Ausgabemittel auf Antrag kurzfristige Überbrückungshilfen (Liquiditätshilfen) nach Maßgabe dieser Richtlinie. Diese Maßnahme soll den Begünstigten die finanziellen Mittel gewähren, um die ersten und unmittelbaren Auswirkungen der ersten drei Monate nach dem Inkrafttreten des HKA zu überwinden und sie so in die Lage versetzen, sich neu zu organisieren und an die neue Situation anzupassen.
2 Leistungsanspruch
Ein Rechtsanspruch auf Gewährung der Billigkeitsleistungen besteht nicht. Die jeweilige Bewilligungsstelle entscheidet nach Antragstellung aufgrund pflichtgemäßen Ermessens und nach Maßgabe dieser Richtlinie. Die Gewährung der Billigkeitsleistungen steht unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit entsprechender Haushaltsmittel.
3 Gegenstand der Förderung und Förderausschluss
3.1 Es werden Billigkeitsleistungen zum (Teil-)Ausgleich von Einkommensverlusten des Fischereisektors gewährt, die unmittelbar durch den Austritt des VK aus der EU im Bereich der deutschen Fischerei im Zeitraum 1. Januar 2021 bis 31. März 2021 entstanden sind.
3.2 Förderfähig sind Unternehmen, die als Folge der sich angesichts des HKA hinziehenden Verhandlungen zwischen der EU und dem VK bzw. zwischen der EU und Norwegen
- a)
-
keinen Zugang zu norwegischen Gewässern hatten,
- b)
-
keine Fangquotentausche mit VK vornehmen konnten,
- c)
-
oder deren Fangmöglichkeiten durch das HKA reduziert wurden
und durch mindestens einen dieser Umstände einen Einkommensverlust von mindestens 30 % im Vergleich zu dem durchschnittlichen Einkommen im gleichen Zeitraum in den Jahren 2018 bis 2020 hatten.
3.3 Nicht gefördert werden
- a)
-
Unternehmen, die bereits aus anderen Fördermitteln eine Unterstützung für die vorübergehende Einstellung der Fischereitätigkeit im Zeitraum 1. Januar 2021 bis 31. März 2021 beantragt oder erhalten haben,
- b)
-
Unternehmen, bei denen die Kapitalbeteiligung der öffentlichen Hand mehr als 25 % des Eigenkapitals des Unternehmens beträgt,
- c)
-
Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne der Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten, es sei denn, die Schwierigkeiten sind auf das HKA und die daraus resultierenden Folgen zurückzuführen,
- d)
-
Antragsteller, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren beantragt oder eröffnet worden ist sowie Antragsteller, die zur Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802c der Zivilprozessordnung oder § 284 der Abgabenordnung verpflichtet sind oder bei denen diese abgenommen wurde. Ist der Antragsteller eine durch einen gesetzlichen Vertreter vertretene juristische Person, gilt dies, sofern den gesetzlichen Vertreter aufgrund seiner Verpflichtung als gesetzlicher Vertreter der juristischen Person die entsprechenden Verpflichtungen aus § 802c der Zivilprozessordnung oder § 284 der Abgabenordnung treffen,
- e)
-
Unternehmen, die einer Rückforderungsanordnung aufgrund einer früheren Kommissionentscheidung zur Feststellung der Unzulässigkeit einer Beihilfe und ihrer Unvereinbarkeit mit dem Binnenmarkt nicht Folge geleistet haben.
Der Antragsteller hat zu erklären, dass keiner dieser Fälle vorliegt.
4 Art und Höhe der Billigkeitsleistungen
4.1 Die Ausgleichszahlung wird als nicht rückzahlbarer Zuschuss in Höhe eines Pauschalbetrags nach Fahrzeuggröße (in BRZ) pro Tag unter Abzug anderweitig erhaltener Ausgleichsleistungen gewährt.
4.2 Es werden Billigkeitsleistungen pro Stillliegetag im Zeitraum 1. Januar 2021 bis 31. März 2021 gewährt (maximal 90 Tage). Als Stillliegetag gelten Tage, an denen die Fahrzeuge als Folge des HKA im Hafen liegen bleiben mussten oder nicht in der Lage waren, in die geplanten Fanggebiete einzufahren und zu fischen.
Folgende Pauschalsätze pro Stillliegetag werden gewährt:
BRZ | Euro |
---|---|
50 – 99 | 600 |
100 – 249 | 1 000 |
250 – 499 | 2 000 |
500 – 999 | 3 000 |
1 000 – 4 000 | 9 000 |
> 4 000 | 15 000 |
4.3 Die gemäß Nummer 4.2 errechneten Summen sind um folgende Beträge zu verringern:
- a)
-
etwaige Versicherungszahlungen,
- b)
-
Hilfen Dritter (z. B. in Form von Spenden),
- c)
-
aufgrund des HKA und seiner Folgen nicht entstandene Kosten.
5 Leistungsempfänger
5.1 Leistungsempfänger sind Fischereiunternehmen, unbeschadet der gewählten Rechtsform und Größe, deren Geschäftstätigkeit den Fischereisektor erfasst.
5.2 Billigkeitsleistungen werden nur solchen Fischereiunternehmen gewährt,
- a)
-
deren Fischereifahrzeuge die deutsche Flagge führen,
- b)
-
bei welchen festgestellt wurde, durch die zuständige Behörde gemäß Artikel 10 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 508/2014, dass deren Inhaber oder deren mit der Geschäftsführung betrauten Person(en) nicht einen oder mehrere der in Artikel 10 Absatz 1 der Verordnung genannten Verstöße oder Vergehen oder einen Betrug gemäß Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung in den letzten drei Jahren vor Antragsstellung begangen hat,
- c)
-
welche eine Niederlassung in Deutschland besitzen.
5.3 Die kurzfristigen Liquiditätshilfen dienen der Anpassung an die durch das HKA geschaffenen Lage. Der Leistungsempfänger hat dementsprechend Geschäftspläne vorzulegen, durch welche konkrete Maßnahmen er sein Unternehmen an diese neue Lage anpassen will oder wie bewerkstelligt werden kann, dass sein Unternehmen auch zukünftig die Fischerei fortsetzen kann.
6 Leistungsvoraussetzungen
6.1 Der Einkommensverlust muss mindestens 30 % des durchschnittlichen Einkommens im gleichen Zeitraum der vorangegangenen drei Kalenderjahre betragen (Einstiegsschwelle). Die Unternehmen legen dafür Anlandeerklärungen und Abrechnungen für jeweils die ersten drei Monate der Jahre 2018, 2019 und 2020 vor. Für 2021 werden geeignete Nachweise des Einkommens in 2021, insbesondere Anlandeerklärungen und Abrechnungen mit den Erzeugerorganisationen, als Vergleichsgrundlage zu den Vorjahren eingereicht. Der Verlust muss kausal auf die Folgen des HKA zurückzuführen sein. Der Berechnung der Liquiditätshilfe werden dafür die Anzahl der Fangtage im jeweils relevanten Zeitraum zugrunde gelegt.
6.2 Die von dem betreffenden Unternehmen erlittenen Verluste nach Nummer 6.1 müssen auf mindestens eine der nachfolgenden Ursachen zurückzuführen sein:
- a)
-
fehlender Zugang im Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis 31. März 2021 zu den Gewässern Norwegens aufgrund der durch das HKA verzögerten Fischereivereinbarungen mit Norwegen zur Neugestaltung der Fischereibeziehungen nach Austritt des VK aus der EU,
- b)
-
Verringerung der Fangmöglichkeiten aufgrund des HKA oder
- c)
-
Fehlen von Tauschmöglichkeiten mit dem VK.
6.3 Folgende Unterlagen sind bei der Antragstellung vorzulegen:
- a)
-
Die dem Betrieb erteilten Fangerlaubnisse der Jahre 2018, 2019 und 2020,
- b)
-
Einkommensaufstellung der ersten drei Monate 2018, 2019 und 2020,
- c)
-
Einkommensangabe (z. B. Anlandeerklärungen und Abrechnungen mit Erzeugerorganisationen) für die ersten drei Monate 2021 mit Angabe der Tage, die nicht gefischt werden konnte (Stillliegetage im Hafen oder auf hoher See),
- d)
-
Erlös- und Kostenaufstellung entsprechend der Steuererklärung für die Jahre 2018, 2019 und 2020 (soweit für 2020 vorhanden),
- e)
-
Geschäftspläne über die Anpassung an die neue Lage.
6.4 Von der Förderung sind die Zeiträume ausgeschlossen, in denen das Fischereifahrzeug wegen Reparaturmaßnahmen einschließlich garantiebedingter Werftliegezeiten oder sonstiger Umstände zum Zwecke der Fischerei nicht einsetzbar gewesen ist. Entsprechende Tatbestände sind der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) durch Eigenerklärungen anzuzeigen.
7 Sonstige Leistungsbestimmungen
7.1 Die Beihilfen werden direkt an das betroffene Unternehmen gezahlt.
7.2 Die Billigkeitsleistung muss während des BAR-Referenzzeitraums bis zum 31. Dezember 2021 ausgezahlt werden.
7.3 Eine Kumulierung mit anderen Fördermitteln für dieselben beihilfefähigen Kosten ist unzulässig.
7.4 Es wird darauf hingewiesen, dass Informationen über jede Einzelbeihilfe von über 30 000 Euro auf einer ausführlichen Beihilfe-Website veröffentlicht werden.
7.5 Der Leistungsempfänger muss ab Antragsstellung die Vorschriften der Gemeinsamen Fischerei Politik (GFP) über den Zeitraum von fünf Jahren nach der Abschlusszahlung wahren. Begeht der Leistungsempfänger innerhalb dieses Zeitraums einen oder mehrere der in Artikel 10 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 508/2014 genannten Verstöße oder Vergehen oder einen Betrug gemäß Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung, hat dieser an die BLE die Billigkeitsleistungen in voller Höhe zurückzuzahlen.
8 Verfahren
8.1 Verwaltungsbehörde ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)
Referat 531
Haubachstraße 86
22765 Hamburg
E-Mail: info@ble.de
Internet: www.ble.de
Anträge sind nach dem von der BLE vorgegebenen Muster und unter Beifügung der erforderlichen Unterlagen zu stellen. Der unterzeichnete Antrag ist schriftlich bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (Referat 531, Haubachstraße 86, 22765 Hamburg) oder als elektronisches Dokument gemäß § 2 des E-Government-Gesetzes über info@ble.de einzureichen. Eine Antragsstellung ist bis spätestens 31. August 2021 bei der BLE möglich (Ausschlussfrist). Zur Wahrung der Frist gilt das Datum des Eingangs des vollständigen und bescheidungsreifen Antrags bei der BLE. Nach Vorliegen der technischen und organisatorischen Voraussetzungen gibt die BLE mit einer Vorlaufzeit von mindestens einer Woche auf ihrer Internetseite www.ble.de/brexithilfe das Datum bekannt, ab dem erstmalig Anträge nach dieser Richtlinie gestellt werden können.
8.2 Die Rechtsgrundlagen sowie Merkblätter und etwaige Hinweise können abgerufen werden unter der Internetadresse www.ble.de/brexithilfe. Soweit sich hierzu Änderungen zum Verfahren ergeben, wird dies im Bundesanzeiger oder in anderer geeigneter Weise bekannt gegeben.
8.3 Der Leistungsempfänger hat gegenüber der BLE alle auf Grund der Folgen des HKA erhaltenen oder beantragten Billigkeitsleistungen, Spenden, Zahlungen und sonstigen geldwerten Leistungen Dritter, insbesondere etwaige Versicherungszahlungen, offenzulegen. Das BMEL kann die Förderungen aus unionsrechtlichen, fischereipolitischen oder haushaltsmäßigen Gründen zeitweilig aussetzen oder beschränken. Sollten die verfügbaren finanziellen Mittel nicht zur Befriedigung aller bewilligungsfähigen Anträge ausreichen, so werden die einzelnen Zahlungen so gekürzt, dass jeder Antragsteller einen gleichen prozentualen Anteil seines Antrags erhält.
8.4 Die BLE ist verpflichtet, Unregelmäßigkeiten vorzubeugen und zu verfolgen und die durch Unregelmäßigkeiten oder Nachlässigkeiten zu Unrecht gezahlten Billigkeitsleistungen wieder einzuziehen.
8.5 Für die Bewilligung, Auszahlung und Abrechnung der Billigkeitsleistungen und die gegebenenfalls erforderliche Aufhebung des Leistungsbescheids und die Rückforderung der gewährten Billigkeitsleitungen ist die BLE verantwortlich. Es gelten die Vorschriften des § 53 der Bundeshaushaltsordnung sowie die dazu erlassenen Allgemeinen Verwaltungsvorschriften, soweit nicht in dieser Richtlinie Abweichungen zugelassen worden sind. Die Auszahlung erfolgt nach Bewilligung des Antrags unbar auf das vom Antragsteller benannte Konto. Eine Abtretung ist nicht zulässig.
8.6 Hinsichtlich der Unterlagen, die mit der jeweiligen Fördermaßnahme in Zusammenhang stehen, steht dem BMEL und dem Bundesrechnungshof (BRH), der Europäischen Kommission und dem Europäischen Rechnungshof und deren Beauftragten bei allen Dienst- und sonstigen Stellen, die mit der Bewilligung und Bewirtschaftung der Billigkeitsleistungen zu tun haben, sowie zudem der BLE bei den Leistungsempfängern ein uneingeschränktes Prüfungsrecht zu. Dieses Prüfungsrecht ist, soweit sich dieses aus den Artikeln 285 bis 287 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU für die Prüfungseinrichtungen der EU für den BRH nicht unmittelbar ergibt, gegenüber den Beteiligten festzulegen. Auf die unmittelbaren Prüfungsrechte der Prüfungseinrichtungen der EU und des BRH ist dabei hinzuweisen.
9 Inkrafttreten
9.1 Die Richtlinie tritt am Tag nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft, frühestens jedoch am Tag der Genehmigung durch die Europäische Kommission.
9.2 Die Richtlinie tritt am 31. Dezember 2021 außer Kraft. Ausgenommen ist hiervon die Regelung in Nummer 7.5. Diese gilt über den 31. Dezember 2021 und fünf Jahre über den Zeitpunkt der Abschlusszahlung hinaus.
Bonn, den 29. Juli 2021
Bundesministerium
für Ernährung und Landwirtschaft
Im Auftrag
Dr. Pott
Kommentar hinterlassen