Der Bundestag hat eine Reform der Lebensversicherung beschlossen. Unter anderem sind die Regeln zur Beteiligung der Kunden an den so genannten Bewertungsreserven geändert worden. Allerdings hat der Bundespräsident das ihm vorgelegte Gesetz (Stand 24. Juli 2014) nicht ausgefertigt, sondern stattdessen eine umfangreiche Prüfung von bis zu acht Wochen angekündigt.
Nach bisherigem Recht sind die Kunden bei Ablauf oder Kündigung ihres Lebensversicherungsvertrages zur Hälfte an den so genannten Bewertungsreserven zu beteiligen. Die Beteiligung erfolgt nach einem verursachungsorientierten Verfahren. Laut Finanzministerium werden nach der Neuregelung ausscheidende Kunden im Durchschnitt 440 Euro weniger erhalten. Im Einzelfall kann das viele Versicherungskunden aber teurer zu stehen kommen. Die Neuregelungen betreffen prinzipiell alle Inhaber einer Kapitallebensversicherung oder einer privaten Rentenversicherung.
Was sind Bewertungsreserven?
Bewertungsreserven entstehen, wenn der Marktwert einer Kapitalanlage des Versicherers über dem Anschaffungswert liegt. Seit 2008 sind Lebensversicherer per Gesetz verpflichtet, Kunden mit auslaufenden oder gekündigten Verträgen zur Hälfte an den zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Bewertungsreserven zu beteiligen. Durch die zurzeit niedrigen Zinsen sind die Kurswerte für ältere Staatsanleihen stark gestiegen, da diese höher verzinst sind als jetzt ausgegebene Staatsanleihen. Hier sind hohe Bewertungsreserven entstanden, die die Versicherungsunternehmen an die Kunden, deren Verträge auslaufen oder gekündigt werden, auszahlen müssten. Dagegen wehren sich die Versicherungen mit dem Argument, in der jetzigen Niedrigzinsphase die Garantieleistungen für ältere Lebensversicherungsverträge nicht mehr erfüllen zu können.
Was bedeutet das für bestehende Verträge?
Die Gesetzesänderung kann dazu führen, dass die Auszahlung geringer ausfällt als bislang angenommen. Sie muss es aber nicht. Versicherungsnehmer haben weiterhin Anspruch auf eine Beteiligung an den Bewertungsreserven auf festverzinsliche Wertpapiere wie bislang, sofern der Versicherer diese Reserven nicht benötigt, um seine Garantieverpflichtungen zu erfüllen.
Im Geschäftsbericht für das laufende Geschäftsjahr (in der Regel bis 31.12.2014) deklarieren Versicherer die Beteiligung an den Bewertungsreserven (Sockel-/Mindestbeteiligung). Ob diese deklarierte Beteiligung für den Versicherer auch nach neuem Recht bis zum Ende des Geschäftsjahres verbindlich ist, ist derzeit umstritten. Wenn ja, würden Sie diese Sockel-/ Mindestbeteiligung auch dann erhalten, wenn Sie nach Inkrafttreten des Gesetzes kündigen, sofern die Kündigung vor Ablauf des Geschäftsjahres wirksam wird. Derzeit ist diese Frage aus unserer Sicht seitens des Bundesfinanzministeriums nicht abschließend geklärt.
Gegenwärtig können wir für keinen Versicherer mit Gewissheit voraussagen, ob die Kunden mit einer Kürzung der Bewertungsreserven rechnen müssen. Denkbar ist, dass einzelne Versicherer die Beteiligung an Bewertungsreserven vollständig oder auch nur zum Teil kürzen werden. Die Eigentümer der Versicherer müssen bei einer Kürzung oder bei einem Wegfall allerdings auch in gleichem Maße auf ihre Gewinnausschüttung verzichten. Lebensversicherungen, die sich im Eigentum von Aktionären befinden, müssen demnach zur Not die Dividenden kürzen, um die Garantien zu gewährleisten. Das bedeutet: Wer seine Police bei einem weniger solventen Versicherer abgeschlossen hat, muss um die zusätzliche Ausschüttung fürchten.
Was bedeutet die fehlende Unterschrift des Bundespräsidenten?
Ohne Unterschrift des Bundespräsidenten tritt das Gesetz nicht in Kraft. Das bedeutet im Umkehrschluss: Solange der Bundespräsident das Gesetz prüft, gelten die Neuerungen nicht. Das Bundespräsidialamt hat verlauten lassen, dass der Prüfungsprozess einen Zeitraum von sechs bis acht Wochen umfassen könnte.
Wer im Vorfeld eine Kündigung in Betracht gezogen, aber aufgrund der geplanten kurzfristigen Umsetzung davon Abstand genommen hat, kann jetzt noch einmal neu überlegen. Sollte das Gesetz erst im September oder später unterschrieben werden und in Kraft treten, hätten Inhaber einer Kapitallebensversicherung gegebenenfalls eine zusätzliche Option: Wer ein monatliches Kündigungsrecht hat und zum Beispiel noch im Juli kündigt, dessen Vertrag würde Ende August 2014 enden. Für diese Kündigung würde noch altes Recht gelten.
Quelle:VZ NRW
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