In einem autoritär geführten System, in dem symbolische Auftritte und Inszenierung politische Macht demonstrieren, fällt jede Abwesenheit auf – besonders, wenn sie die zweithöchste Figur der Volksbefreiungsarmee betrifft.
General He Weidong, Vizevorsitzender der Zentralen Militärkommission (CMC) Chinas und einer der engsten Vertrauten von Präsident Xi Jinping, fehlte bei einer seit 43 Jahren jährlich stattfindenden Baumpflanzzeremonie nahe Peking. Dieser traditionsreiche Frühlingsanlass gilt als Symbol für Einheit und Loyalität der Armeeführung gegenüber der Parteispitze – ein Auftritt, den sich hochrangige Offiziere nicht freiwillig entgehen lassen.
Die auffällige Abwesenheit Generals He, der seit über drei Wochen nicht öffentlich gesehen wurde, entfacht nun Spekulationen: Ist er das neueste – und ranghöchste – Opfer von Xis anhaltenden Säuberungen im Militär?
Ein Mann mit Verbindung zu Xi
He und Xi blicken auf eine gemeinsame Vergangenheit in der Provinz Fujian zurück. Viele Militärkarrieren nahmen dort unter Xis Einfluss ihren Aufschwung – so auch die von General He, der unter Xi rasch aufstieg. Seit 2022 ist He Vizevorsitzender der CMC – ein Zeichen höchster politischer Loyalität.
Doch selbst diese Nähe scheint kein Schutzschild mehr zu sein.
Ein Zeichen in einer Zeit der Ungewissheit
In autoritär geführten Systemen wie China ist das Fehlen bei öffentlichen Inszenierungen mehr als eine Randnotiz – es ist ein Signal. Beobachter wie James Char, Militärexperte in Singapur, sprechen von einem möglichen Wendepunkt:
„Es ist nicht bewiesen, dass He gestürzt wurde, aber sein Fehlen bei einer so symbolträchtigen Veranstaltung ist äußerst auffällig.“
Im Unterschied zu anderen hochrangigen Offizieren, die offiziell wegen Korruption untersucht werden, gibt es zu He bislang keine Bestätigung einer Untersuchung – nur Schweigen seitens des Verteidigungsministeriums.
Teil einer größeren Säuberung
Seit Sommer 2023 wurden mehr als ein Dutzend hochrangige Militärs entfernt oder untersucht, darunter zwei von Xi persönlich beförderte Verteidigungsminister. Offiziell geht es meist um „Verstöße gegen Parteidisziplin“ – ein oft genutzter Code für Korruption oder Illoyalität.
Mit General He würde zum ersten Mal ein amtierender Vizevorsitzender der CMC von Xi selbst gestürzt – ein Schritt von historischer Tragweite. Der letzte vergleichbare Fall liegt über 30 Jahre zurück, im Zusammenhang mit den Protesten am Tiananmen-Platz 1989.
Abwarten oder Abschied?
Natürlich gibt es auch andere Erklärungen: He könnte etwa mit der kürzlich gestarteten Militärübung um Taiwan beschäftigt gewesen sein – immerhin war er einst Kommandeur des östlichen Theaterkommandos. Doch die Symbolik seines Fehlens bleibt bestehen.
In der chinesischen Politik nennt man die Kunst, solche Zeichen zu deuten, „Teeblätterlesen“ – ein Begriff, der aktueller denn je erscheint, da Xi die Entscheidungsprozesse zunehmend abschottet und Kontrolle durch Loyalität ersetzt.
Ein System im Wandel
Xi Jinping reformierte das Militär grundlegend, besetzte Schlüsselpositionen mit treuen Gefolgsleuten, doch die ständigen Säuberungen zeigen: Selbst die Loyalen sind nicht sicher.
„In Xis System ist niemand unersetzlich“, sagt Analyst Char.
„Ein starker Mann regiert, indem er seine eigenen Leute immer wieder aufschreckt. Es ist eine Strategie der Angst – und der totalen Kontrolle.“
Fazit:
He Weidongs öffentliches Verschwinden wirft ein Licht auf die fragilen Machtverhältnisse in Chinas Militärführung. Ob es sich um eine kurzfristige Abwesenheit oder den Beginn eines tiefgreifenden Sturzes handelt, ist offen – doch eines ist klar: Xi Jinpings Kampf gegen Korruption ist längst zu einem Kampf um absolute Loyalität geworden.
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