Chinas Präsident Xi Jinping ist am Montag zu einem zweitägigen Staatsbesuch in Vietnam eingetroffen. Die Reise markiert den Auftakt einer diplomatischen Tour durch Südostasien, bei der Xi auch Malaysia und Kambodscha besuchen wird. Ziel der Reise ist es, Chinas Position als verlässlichen Wirtschaftspartner zu festigen – vor allem im Kontrast zur konfrontativen Handelspolitik der Vereinigten Staaten unter Präsident Donald Trump.
Xi appellierte an die vietnamesische Führung, gemeinsam mit China das multilaterale Handelssystem zu verteidigen und die Stabilität globaler Industrie- und Lieferketten zu sichern. In einem Gastbeitrag für das vietnamesische Staatsmedium Nhan Dan warnte Xi vor den Folgen von Protektionismus und betonte, dass in einem Handelskrieg niemand gewinnen könne.
Die Reise erfolgt nur wenige Tage, nachdem US-Präsident Trump eine 90-tägige Aussetzung der sogenannten „reziproken“ Zölle für die meisten Länder verkündete – eine Maßnahme, die den Fokus seines Handelskriegs nun klar auf China richtet. Während Washington und Peking sich mit gegenseitigen Strafzöllen überziehen, fürchten die exportabhängigen Staaten Südostasiens, zwischen die Fronten der beiden Wirtschaftsmächte zu geraten.
Xi versucht, diese Unsicherheit auszunutzen und China als verlässliche Alternative darzustellen. Sowohl Vietnam als auch Kambodscha waren besonders stark von Trumps Strafzöllen betroffen, mit Zollsätzen von bis zu 49 Prozent vor dem vorübergehenden Stopp.
Gleichzeitig sehen sich die südostasiatischen Staaten jedoch gezwungen, diplomatisch vorsichtig zu agieren. Zu offen demonstrierte Nähe zu China könnte sich negativ auf die eigenen Verhandlungen mit Washington auswirken.
Ein weiterer Streitpunkt: Die Angst vor einer Flut billiger chinesischer Produkte, die infolge der US-Zölle neue Absatzmärkte suchen. Bereits jetzt verzeichnet China einen Handelsüberschuss mit Vietnam – der Wert chinesischer Exporte übersteigt den der vietnamesischen Importe um das 1,6-Fache.
Laut Daten der chinesischen Zollbehörde ist der Staatenbund ASEAN seit 2023 Chinas größter Exportmarkt – noch vor der EU und den USA. Auch vor diesem Hintergrund betont Xi in seinem Artikel die Notwendigkeit zur regionalen Zusammenarbeit.
Vietnam, das sich zunehmend als Produktionsstandort etabliert, profitiert stark von chinesischen Investitionen. Zwischen 2017 und 2024 hat sich der bilaterale Handel fast verdoppelt. Nun stehen laut Vizepremier Bui Thanh Son rund 40 neue Kooperationsabkommen in Bereichen wie Schienenverkehr, Agrarhandel, Digitalisierung und grüner Wirtschaft zur Unterzeichnung an.
Ein Großprojekt ist der Bau einer 8,3 Milliarden Dollar teuren Bahnstrecke vom Hafen Haiphong nach China, die teilweise von chinesischen Krediten finanziert werden soll. Vietnam plant zudem, Passagierflugzeuge des chinesischen Herstellers COMAC zu erwerben.
Laut dem Politikexperten Wen-ti Sung (Atlantic Council) verfolgt Xi mit der Reise eine doppelte Strategie: wirtschaftlich geht es um die Diversifizierung von Chinas globaler Präsenz, außenpolitisch um das Anknüpfen engerer Beziehungen in einer Zeit geopolitischer Unsicherheiten. „Statt mit Druck und Drohungen, will Xi mit Charme und ‚Souvenirs‘ – also lukrativen Abkommen – punkten“, so Sung.
Doch trotz aller Diplomatie bleiben die Beziehungen zwischen China und seinen Nachbarn angespannt – insbesondere wegen territorialer Streitigkeiten im Südchinesischen Meer. Erst im Februar hatte China Militärübungen nahe der vietnamesischen Küste abgehalten, nachdem Hanoi eine neue Karte mit umstrittenen Gebietsansprüchen veröffentlicht hatte.
Xi rief in seinem Artikel zu einem konstruktiven Umgang mit Differenzen auf. Die erfolgreiche Grenzfestlegung am Land und im Golf von Tonkin zeige, dass Streitfragen auf dem Verhandlungsweg lösbar seien.
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