Es ist ein Bild wie aus einem Hollywood-Streifen: Fünf Männer schreiten im Anzug durch den lichtdurchfluteten Flur des Reichstagsgebäudes, ernst und entschlossen. Und wer läuft natürlich in der Mitte, ein klein bisschen vorneweg, als wäre er der Chef aller Chefs? Richtig, Christian Lindner. Finanzminister, FDP-Vorsitzender und Meister im Kunststück, immer wichtig auszusehen, ohne selbst der Schuldige zu sein.
Man stellt sich Lindner förmlich vor, wie er sich vorher mit seinen Begleitern in einem abgedunkelten „Clubraum“ trifft. Kaffee, Kekse, und das Wichtigste: kein einziger Mitarbeiter, der hinterher petzen könnte. „Alles klar, Jungs,“ sagt Lindner vermutlich, „wir marschieren jetzt da raus, aber so, dass es aussieht, als wäre ich eigentlich gar nicht involviert. Nur falls… naja, ihr wisst schon. Falls hier jemand plötzlich über Koalitionsbruch sprechen will.“
Herbst der Entscheidungen? Oder doch nur Herbst der Andeutungen?
Vor ein paar Wochen hatte Lindner vollmundig einen „Herbst der Entscheidungen“ angekündigt, als würde er uns in eine neue Jahreszeit führen. Doch was er dann liefert, sind keine Entscheidungen, sondern eher vage Spitzen, die die anderen auf die Palme bringen. Da ist der Wirtschaftsminister Robert Habeck, den Lindner kürzlich in einem ZDF-Interview der „konzeptionellen Hilflosigkeit“ bezichtigte, und Kanzler Olaf Scholz, dem er vorwirft, ständig eigene Ideen durchzudrücken. Aber, und das ist wichtig: Lindner sagt all das natürlich so, dass es wie eine kleine, freundliche Kritik klingt – während er den Sprengsatz heimlich unter den Koalitionstisch schiebt.
Der Plan: Rauswurf provozieren, aber nie den ersten Schritt machen
Lindner hat ein Talent dafür, die Koalition wie einen schlecht funktionierenden Staubsauger wirken zu lassen, der jeden Moment auseinanderfällt. Aber wer ist schuld? Natürlich nicht Lindner! Seine Strategie: einfach so viele Nadelstiche setzen, bis Scholz ihn vielleicht eines Tages hinauswirft. Praktisch, denn so kann Lindner später sagen: „Ich wollte doch nur reden! Warum sind denn die anderen so unvernünftig?“ Selbst Parteivize Wolfgang Kubicki, der schon mal prophezeit hat, dass die Ampel Weihnachten nicht überleben wird, darf frei heraus poltern – ganz nach dem Motto: „Ich sag nur, was alle denken!“
Lindner als König der Doppeldeutigkeit
Das Schönste an Lindners Statements ist: Sie bedeuten alles und nichts. Wenn er zum Beispiel sagt, „die Politik kann nicht so bleiben, wie sie ist“, dann klingt das entschlossen, aber eigentlich könnte er auch über das Kantinen-Essen sprechen. Und wenn er beteuert, „keine Ultimaten“ zu setzen, ist das seine Art zu sagen: „Ich drohe euch nicht – aber denkt mal darüber nach, ob ihr ohne mich wirklich klarkommt.“
Während die Grünen und die SPD noch versuchen, irgendeine ernsthafte Zusammenarbeit hinzubekommen, steht Lindner daneben, zuckt mit den Schultern und schaut seufzend in die Ferne. So als wollte er sagen: „Leute, ich hab’s ja versucht, aber was soll ich machen, wenn die anderen nicht mitziehen?“
Die Lindner-Rente und der letzte große Plan
Nebenbei träumt Lindner noch von seinem Vermächtnis – der „Lindner-Rente“. Eine Aktienrente, die seinen Namen trägt, weil „Riester“ ja schon vergeben ist. Man kann sich vorstellen, wie er stolz davon erzählt: „Die Lindner-Rente – ein bisschen Risiko, ein bisschen Rendite, und jede Menge Aktien!“ Solange diese Rente durch den Bundestag muss, hält er sich tapfer in der Koalition. Doch sobald das Ding verabschiedet ist, könnte es passieren, dass er sich elegant aus der Regierungsverantwortung verabschiedet. Dann hat er sein Denkmal, und die Ampel kann sehen, wie sie klarkommt.
Das Spiel mit dem „Besser nicht regieren als schlecht regieren“
Das Publikum erinnert sich: Lindner hat diese Karte schon einmal gespielt. 2017, als er bei den Jamaika-Sondierungen plötzlich die Notbremse zog und verkündete: „Es ist besser, nicht zu regieren, als schlecht zu regieren.“ Damals feierten ihn alle als mutigen Entscheider. Ob er diesen Coup noch einmal durchziehen kann? Man könnte meinen, er wartet nur auf den richtigen Moment, um den gleichen Satz wieder zu bringen – nur diesmal noch ein bisschen pathetischer.
Die Inszenierung als stiller Held
Egal, was passiert, Lindner hat eine klare Vorstellung davon, wie die Geschichte geschrieben werden soll: Er als der prinzipientreue Held, der hart für seine Überzeugungen kämpfte, bis die anderen ihm keine Wahl mehr ließen. In Wahrheit spielt er das Spiel so geschickt, dass er immer im Gespräch bleibt, die Koalition aber so sehr zermürbt, dass irgendwann jemand sagt: „Vielleicht wäre es doch besser, wenn Lindner geht.“ Und in dem Moment schaut er betroffen, schüttelt den Kopf und sagt: „Ach, das wollte ich doch gar nicht.“
Am Ende bleibt also eine Frage offen: Wie lange kann Lindner noch so tun, als wäre er der aufopferungsvolle Staatsmann, bevor jemand in der Koalition wirklich die Geduld verliert? Eines ist sicher: Sollte die Ampel zerbrechen, wird Lindner da stehen, lächelnd und unschuldig, mit den Worten: „Ich habe alles versucht – aber das waren nun mal nicht die richtigen Partner.“
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