Eigentlich schien alles klar: Ein 47-jähriger Betreiber von Corona-Testzentren wurde zu acht Jahren und neun Monaten Haft verurteilt, nachdem er auf spektakuläre Weise mit nicht-existierenden Tests rund 9,7 Millionen Euro ergaunert haben soll. Doch jetzt macht der Bundesgerichtshof (BGH) das, was deutsche Gerichte am liebsten machen: Alles noch mal von vorne. Wegen „Rechtsfehlern“ muss das Verfahren teilweise neu aufgerollt werden.
67-mal Betrug und eine Schwester mit „Teamgeist“
Der Mann, der seine Spätis und Gaststätten kurzerhand zu „Corona-Testzentren“ umdekoriert hatte, muss sich erneut vor Gericht erklären. Dass in den angeblichen Teststationen weder Corona-Tests noch tatsächliches Personal zu finden waren, hielt ihn offenbar nicht davon ab, fleißig Rechnungen bei der Kassenärztlichen Vereinigung einzureichen. 67 Fälle von nicht durchgeführten Tests sammelte er dabei.
Seine Schwester unterstützte ihn tatkräftig, indem sie ihre Personalien zur Verfügung stellte. Für sie gab es damals eine Bewährungsstrafe – offenbar eine Art Belohnung für „Geschwisterzusammenhalt“.
Der große Plan: Spätis als Teststationen
Der Angeklagte hatte 18 seiner Spätis und Kneipen als Corona-Testzentren angemeldet, teils mit falschen Namen. Die Idee: Statt Bier und Chips gibt’s angeblich kostenlose Abstriche – wobei der einzige Test, der hier gemacht wurde, offenbar der der Gutgläubigkeit der Kassenärztlichen Vereinigung war. Und die, so viel steht fest, hat ihn mit 9,7 Millionen Euro bestanden.
Doch das Landgericht Berlin erkannte in seiner Rechnung, dass bei Testzentren, die unter dem echten Namen liefen, rund 64.000 Euro für tatsächlich erbrachte Tests abgezogen wurden. Die Staatsanwaltschaft war damit unzufrieden und verlangte eine Neuprüfung. Warum sollte man schließlich jemandem, der 9,7 Millionen „verdient“ hat, ausgerechnet 64.000 Euro als ehrlich durchgehen lassen?
BGH: „Rechtsfehler“ und ein Hauch von Chaos
Der BGH war ebenfalls unzufrieden – allerdings nicht mit der Schadenssumme, sondern mit den „lückenhaften und widersprüchlichen Feststellungen“ des Berliner Landgerichts. Jetzt wird der Fall neu verhandelt, weil das Gericht anscheinend ein paar wichtige Details übersehen hat. Details wie: War das Personal geschult? Gab es überhaupt Personal? Und: Kann man in drei Sekunden einen Test abnehmen?
Es sieht nicht gut aus für den Angeklagten. Der BGH stellte auch fest, dass er Dokumentationspflichten nicht eingehalten und möglicherweise zusätzlich getäuscht habe. Kurz gesagt: Der Angeklagte könnte sich selbst mit noch mehr Unsinn belastet haben, als ohnehin schon auf dem Tisch lag.
Das große Ziel: 9,7 Millionen Euro zurückholen
Die Staatsanwaltschaft möchte nun sicherstellen, dass der Angeklagte nicht nur seine Strafe absitzt, sondern auch die gesamte Summe der erschwindelten 9,7 Millionen Euro wieder zurückzahlen muss. Ob er das Geld bereits ausgegeben hat oder ob es sicher irgendwo liegt – zum Beispiel in einem weiteren Späti –, bleibt abzuwarten.
Für den Angeklagten bedeutet das neue Verfahren aber wohl eines: Noch mehr Zeit vor Gericht und eine weitere Chance, sich in Widersprüche zu verwickeln.
Ein Lehrstück in Bürokratie und Dreistigkeit
Der Fall zeigt wieder einmal: Wo viel Geld fließt, ist die Kreativität mancher Betrüger grenzenlos. Doch auch die Gerichte sind nicht ohne Fehler, was diesen Fall jetzt umso länger in die Länge zieht. Währenddessen können wir uns nur fragen: Gibt es noch mehr Testzentren-Betrüger da draußen, die sich mit Bierkisten und Teststäbchen ein kleines Vermögen aufgebaut haben?
Bis der Fall endgültig abgeschlossen ist, bleibt eines sicher: Dieser Prozess wird mindestens so unterhaltsam wie die Corona-Testzentren selbst – allerdings deutlich teurer.
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