Der GKV-Spitzenverband teilte am 1.10.2013 mit, er habe sich mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) geeinigt, dass die seit 1995 von den Krankenkassen ausgegebenen Krankenversichertenkarten (KVK) zum Jahresende ihre Gültigkeit verlieren werden – unabhängig von ihrem ursprünglich vorgesehenen Ablaufdatum. Ab 1. Januar 2014 seien damit „nur noch die neuen elektronischen Gesundheitskarten (eGK) gültige Nachweise, die zur Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen berechtigen“.
Doch stimmt diese Aussage? Die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg (KVHH) versichert, dass „im Rahmen einer unbefristeten Übergangsregelung“ auch die alten Krankenversichertenkarten (KVK) weiterhin benutzt werden können.
Nur wer keine gültige KVK mehr hat, könnte also Probleme bekommen. Doch auch da gibt es Hoffnung: „Selbstverständlich wird aber kein Versicherter, der ohne die neue Karte zum Arzt geht, wieder nach Hause geschickt„, schreibt der GKV-Spitzenverband. Ein Ersatzverfahren gibt es schon jetzt, etwa wenn jemand seine KVK oder eGK verloren hat.
Warum wird so gedrängelt?
Auf so einen Paukenschlag zur endgültigen Einführung des digitalen Zeitalters im Gesundheitswesen durften wir lange warten – schon 2006 sollte die elektronische Gesundheitskarte flächendeckend eingeführt werden. Doch technische Probleme – und sicher nicht zuletzt auch der Widerstand breiter Kreise, sowohl unter den Ärzten als auch in der Bevölkerung – sorgten dafür, dass es so lange dauerte. Und dass die Probleme noch längst nicht überwunden sind. Aber jetzt soll trotz aller noch vorhandenen Bedenken und Schwierigkeiten der Countdown eingeläutet werden. Hat die Industrie schon so viel investiert, dass eine Umkehr nicht mehr möglich ist?
Unsere Skepsis zum eGK-Projekt haben wir mehrfach geäußert:
- Die elektronische Gesundheitskarte gefährdet Ihre Gesundheit!
- Muss ich meiner Krankenkasse ein Foto schicken?
- Arztbuch statt Gesundheitskarte
Wir wissen allerdings, dass es auch ganz andere Meinungen gibt. Man kann die eGK auch als sicherste Möglichkeit, Krankheitsdaten zu speichern, begrüßen – etwa wenn man als Maßstab für die Bewertung andere Systeme heranzieht, die noch unsicherer sind. Die eGK wird aber nicht sicherer dadurch, dass andere Systeme noch unsicherer sind.
Nun geht es aber um die Frage:
Muss ich die eGK nehmen (sofern ich sie noch nicht habe)?
Die neue elektronische Gesundheitskarte ist zunächst nicht schlechter oder unsicherer als die alte Krankenversichertenkarte (KVK). Sie kann nicht mehr und enthält nicht mehr als die alte – nur das Foto ist neu. Es soll sicherstellen, dass die Karte auch zu dem gehört, der sie vorzeigt. Das allerdings leistet sie nur begrenzt, denn die Identität von Foto und eGK-Besitzer wird von den Krankenkassen nicht geprüft.
Wer die eGK annimmt oder schon angenommen hat, geht zunächst kein größeres Risiko ein als vorher mit der KVK. Unsere Bedenken beziehen sich eher auf später – wenn einmal alle möglichen Anwendungen der eGK eingeführt sein werden. Vor allem die elektronische Patientenakte bereitet uns Sorgen. Da sollen alle medizinischen Daten über jeden Patienten auf zentralen Servern gespeichert werden können und die Karte soll als Schlüssel dazu dienen.
Erstens glauben wir nicht, dass das alles so sicher möglich ist, wie es sein müsste. In dieser Ansicht unterstützt uns die Gesellschaft für Informatik (GI), in der alle namhaften Computerwissenschaftler zusammengeschlossen sind.
Und zweitens glauben wir nicht, dass die Speicherung sensibler Krankheitsdaten auf zentralen Servern auf Dauer freiwillig bleiben wird. Denn die Industrie will eines Tages die Milliarden, die sie bereits investiert hat, sowie ein Vielfaches als Gewinn wieder herausbekommen. Und das geht angesichts der breiten Skepsis in der Bevölkerung vermutlich nur mit Zwang. Möglicherweise erst in zehn oder 20 oder noch mehr Jahren, dann trifft er vielleicht nur noch unsere Kinder oder Kindeskinder.
Jeder und Jede muss das also selbst entscheiden. Jetzt ist die eGK noch nicht gefährlich. Aber möglicherweise irgendwann einmal, wenn die Möglichkeiten, die sie theoretisch bietet, auch praktisch eingeführt werden und sich amortisieren müssen.
Entscheiden Sie selbst, ob Sie jetzt ein Foto einsenden. Vor allem aber: Denken Sie immer wieder daran, wie sicher oder unsicher elektronisch gespeicherte Daten sind. Wir kennen ja mittlerweile ein paar Skandale bei Datensystemen, die wir immer für sehr sicher gehalten haben – schnüffelnde Geheimdienste, Datenpannen bei Facebook & Co…
Werde ich auch ohne eGK behandelt?
Der GKV-Spitzenverband schreibt in seiner Pressemitteilung vom 1.10.2013:
„Grundsätzlich wird ab Beginn nächsten Jahres nur noch die eGK genutzt werden können. Selbstverständlich wird aber kein Versicherter, der ohne die neue Karte zum Arzt geht, wieder nach Hause geschickt. In diesem Fall gilt das gleiche Ersatzverfahren, das bereits heute zum Beispiel bei verloren gegangener Versichertenkarte zum Einsatz kommt. Danach kann der Versicherte innerhalb von zehn Tagen nach der Behandlung einen gültigen Versicherungsnachweis nachreichen. Ansonsten ist der Arzt berechtigt, dem Versicherten die Kosten der Behandlung privat in Rechnung zu stellen. Erstattet werden die Kosten einer bereits bezahlten Privatrechnung allerdings nur dann, wenn spätestens bis zum Ende des Quartals ein entsprechender Versicherungsnachweis vorliegt.“
Wir gehen folglich davon aus, dass die alte KVK bis zum aufgedruckten Gültigkeitsdatum als Versicherungsnachweis ausreicht.
Es könnte aber auch sein, dass die Krankenkassen den Foto-Verweigerern einfach eine eGK ohne Foto ausstellen. Denn das ermöglicht das Gesetz ausdrücklich (§ 291 Abs. 2 SGB V):
„Versicherte bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres sowie Versicherte, deren Mitwirkung bei der Erstellung des Lichtbildes nicht möglich ist, erhalten eine Krankenversichertenkarte ohne Lichtbild.“
Damit hätten Sie zwar eine eGK, zugleich wäre aber Ihr Widerstand gegen das technologische (in unseren Augen nicht ungefährliche) Mammutprojekt dokumentiert. Die für später geplanten Segnungen der eGK und des Telematiksystems könnten Sie dann zu gegebener Zeit mit den dann sinnvollen Mitteln beantworten.
Stand vom Mittwoch, 2. Oktober 2013
Quelle:VBZ Hamburg
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