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Das AfD Dilemma

moinzon (CC0), Pixabay
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In aktuellen Umfragen erreicht die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) einen Zustimmungswert von rund 20 Prozent und befindet sich damit in direkter Konkurrenz zur SPD unter Kanzler Olaf Scholz. Besonders stark ist die rechtsextreme Partei in den ostdeutschen Bundesländern, wo sie jüngst einen Bürgermeisterposten gewinnen konnte. Die Gründe für den Aufstieg der AfD sind vielfältig, und die anderen Parteien befinden sich in einem Dilemma. Obwohl nach außen hin auf Ausgrenzung der Rechtsaußenpartei gesetzt wird, schreitet ihre Normalisierung voran.

In Sachsen, Thüringen und Brandenburg stehen im kommenden Jahr Landtagswahlen an. Aktuelle Umfragen sehen die AfD in allen drei ostdeutschen Bundesländern auf dem ersten Platz. Auf nationaler Ebene erreichte die AfD im Juli einen neuen Höchstwert und liegt im ARD-Deutschlandtrend mit 20 Prozent auf dem zweiten Platz, knapp vor der Kanzlerpartei SPD (18 Prozent). Spitzenreiter ist die Union mit 28 Prozent.

Obwohl die nächste reguläre Bundestagswahl erst 2025 stattfindet, sorgen die Ergebnisse in der deutschen Politik für Besorgnis. Deutschlands Präsident Frank-Walter Steinmeier mahnte: „Wir dürfen das Geschäft der Angstmacher in dieser Gesellschaft nicht noch weiter fördern. Was wir brauchen, ist nicht eine Konjunktur der Angstmacher, sondern eine Konjunktur der Problemlöser.“ In der derzeitigen deutschen „Ampelkoalition“ aus SPD, Grünen und FDP haben die „Problemlöser“ derzeit keinen leichten Stand. Das „Heizungsgesetz“, ein Prestigeprojekt der Grünen, liegt auf Eis. Es zeigen sich auch tiefe Risse in der Klimapolitik zwischen den Grünen und den Liberalen. Die CDU warf der Regierung vor, ein „Konjunkturprogramm für die politischen Ränder“ zu betreiben. Die SPD räumte ein, dass der Koalitionsstreit für den Aufstieg der AfD in den Umfragen mitverantwortlich ist.

Die AfD wurde 2013 im westdeutschen Bundesland Hessen als rechtsliberale, EU- und Euro-skeptische Partei gegründet. In den folgenden Jahren rückte sie zunehmend nach rechts. 2017 zog sie in den Bundestag ein. Vertreter der Partei fallen regelmäßig durch offen rassistische, frauenfeindliche und homophobe Äußerungen auf.

Erst kürzlich stufte der Verfassungsschutz in Brandenburg die AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative (JA) als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ ein. Im März urteilte ein Gericht, dass der deutsche Verfassungsschutz die gesamte AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstufen darf. Kurz vor dem Gedenken an die Befreiung Deutschlands vom Nazi-Regime am 8. Mai äußerte der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla gegenüber einem rechten Blog, dass „Deutschlands Niederlagen“ beim Gedenken immer mitschwängen und es grundsätzlich problematisch sei, das „Gedenken immer mit der Schuldfrage zu verknüpfen“.

Es wird intensiv darüber debattiert, warum die AfD trotz der genannten Umstände beim Wahlvolk erfolgreich ist. Fachleute sehen in der aktuellen Schwäche der „Ampel“ als Regierungskoalition durchaus einen Grund für die hohen Zustimmungswerte der AfD, aber dies ist bei weitem nicht der einzige Grund. „Wenn es einen wirtschaftlichen Abschwung gibt und Wähler das Gefühl haben, dass die Regierung nicht effektiv dagegen ankämpft, wählen sie andere Parteien“, sagte der Politologe Markus Wagner vom Institut für Staatswissenschaft an der Universität Wien. Dafür gibt es wissenschaftliche Evidenz.

Den Begriff „Protestwähler“ würde Wagner jedoch nicht im Zusammenhang mit der AfD verwenden, da er suggeriert, dass die Wähler aus Unwissenheit ihre Stimmen abgeben. Tatsächlich stimmen sie der Partei bis zu einem gewissen Grad – wenn auch nicht uneingeschränkt – zu und befürworten den Kurs, den die AfD einschlägt, so der Wissenschaftler. Wagner zufolge hat der Aufstieg der AfD mit einer Mischung aus der aktuellen Themenlage und größeren gesellschaftlichen Veränderungen der letzten 20 bis 30 Jahre zu tun. In den vergangenen Jahrzehnten hat die Bindung der Wähler an ihre Stamm- oder traditionellen Parteien deutlich abgenommen. Ein weiteres „Hintergrundmerkmal“ ist die wirtschaftliche Lage, die sich für viele Menschen in den Jahren der Pandemie und der Inflation verschlechtert hat. Hinzu kommen „Abstiegsängste in der Gruppe, der es nicht schlecht geht, die aber einen Trend nach unten für sich selbst und ihre Umgebung“ sieht.

Die Migration spielt ebenfalls eine polarisierende Rolle und ist ein wichtiger Faktor für den Aufstieg der AfD. Seit der großen Flüchtlingsbewegung 2015 steht das Thema Migration ganz oben auf der politischen Agenda. Es polarisiert, auch wenn es, wie Wagner sagt, in der Bevölkerung keine eindeutige Bewegung nach rechts in Migrationsfragen gibt.

Bei Menschen, die bereits zuvor skeptisch gegenüber Migration waren, hat sich ihre negative Haltung möglicherweise verfestigt. Wagner spricht in diesem Zusammenhang von der „Kristallisierung“ der Meinungen. Während die Parteien in der Mitte noch keine überzeugenden Antworten gefunden haben, „spiegeln radikale Parteien am rechten Rand diese Meinungen besser wider“. Die Ablehnung der Migrations- und Flüchtlingspolitik durch die AfD wird von ihren Wählern deutlich stärker geteilt als bei den Wählern anderer Parteien. Wie die gestiegene Wahlbeteiligung seit 2016 bei vielen Wahlen zeigt, konnte die AfD auch viele frühere Nichtwähler mobilisieren, berichtet die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb).

Die Stärke der AfD in den ostdeutschen Bundesländern lässt sich laut Wagner gut durch die genannten Faktoren erklären. Die Sozialstruktur unterscheidet sich von der im Westen, und die wirtschaftliche Entwicklung ist nach wie vor schwächer. Die Mittelschicht ist aufgrund starker Abwanderungstendenzen von hochqualifizierten Personen kleiner geworden.

Bis 1990 herrschte in den neuen Bundesländern ein kommunistisches Regime, in dem „autoritäre Einstellungen besser entwickeln konnten“, sagt Wagner. Zudem ist die Verankerung der traditionellen Parteienlandschaft weniger tief. In einer jungen Demokratie ist es einfacher, sich als neue Partei zu etablieren, erklärt der Politologe.

Ein zentraler Faktor für die Anziehungskraft der AfD ist auch ihr Fokus auf „Identitätspolitik“, wie der deutsche Rechtsextremismusforscher Wilhelm Heitmeyer gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ erklärte. „Mit der aggressiven Behauptung einer Gruppenidentität werden Gruppengrenzen verhärtet. Das macht die AfD attraktiv für autoritär geprägte Personen, die in ihrer Biografie harte Brüche und Anerkennungsverluste erfahren haben“, so Heitmeyer.

Die anderen Parteien stehen vor einem Dilemma. Bisher setzte man auf Ausgrenzung und errichtete eine politische „Brandmauer“ um die Rechtsaußenpartei. Doch zuletzt zeigten sich Risse in dieser Mauer. In Thüringen erlangte ein AfD-Politiker die Position eines Landrats, und in Sachsen-Anhalt wurde erstmals in Deutschland ein Vertreter der AfD zum Bürgermeister gewählt.

Insbesondere auf lokaler Ebene ist eine deutliche Normalisierungstendenz der AfD zu erkennen, insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern. Allein in Sachsen arbeitete die örtliche CDU zwischen 2019 und Ende 2022 in 21 Fällen mit der AfD zusammen, wie der deutsche Politologe Steven Hummel dokumentierte. Gelegentlich arbeiteten auch FDP, Grüne und Die Linke punktuell mit der AfD zusammen.

Die Frage, wie lange die „Brandmauer“ auf Landesebene halten wird, bleibt ebenfalls fraglich. Die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) konstatierte mit Blick auf die Landtagswahlen 2024 in Brandenburg, Sachsen und insbesondere Thüringen: „Es wird wahrscheinlich sehr bunte Koalitionen brauchen, um die AfD von der Macht fernzuhalten.“

Besonders die Union ringt um eine klare Positionierung. Obwohl sie in den Umfragen vorne liegt, sind die derzeitigen 28 Prozent unzufriedenstellend. Die Meinungen darüber, in welche Richtung der Kurs gehen sollte, gehen auseinander. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz ernannte diese Woche Carsten Linnemann, der dem konservativen Flügel der Partei angehört, zum Generalsekretär.

Merz erklärte kürzlich, die Grünen seien die „Hauptgegner“ in dieser Regierung und dafür verantwortlich, dass es zu einer derartigen Polarisierung in der Energie- und Umweltpolitik gekommen sei. Kritik kam nicht nur von den Grünen, sondern auch parteiintern sind Merz‘ Aussagen umstritten. Derzeit regieren Union und Grüne in sechs Bundesländern gemeinsam.

Die Unionsparteien bemühten sich daraufhin um eine Klarstellung und erklärten, dass die AfD „nicht nur ein Wettbewerber, ein Gegner, sondern ein Feind der Demokratie“ sei. Merz betonte jedoch, dass sich die Union inhaltlich weiterhin am stärksten mit den Grünen auseinandersetzen müsse. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) unterstützte Merz und schloss im Freistaat nicht nur eine Regierung mit der AfD aus, sondern auch eine mit den Grünen.

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