Die CDU/CSU hat mit ihrem neuen Wahlprogramm unter dem Titel „Politikwechsel für Deutschland“ einen Entwurf vorgelegt, der gleichzeitig als Bewerbung für den Politik-Oscar in der Kategorie „Nostalgie pur“ dienen könnte. Es liest sich wie ein Versuch, das Rad der Zeit zurückzudrehen – idealerweise in eine Ära, in der Deutschland vor Herausforderungen wie Digitalisierung, Klimakrise und sozialer Gerechtigkeit einfach die Augen verschlossen hat.
Kernkraft als Retter der Nation
Mit strahlendem Optimismus schlägt die Union die Rückkehr zur Kernenergie vor. Small Modular Reactors und Fusionskraftwerke werden gepriesen, als ob sie morgen in Serie produziert würden. Ignoriert wird dabei, dass Fusionsreaktoren wohl erst im Jahr 2050 einsatzbereit sein könnten – wenn überhaupt. Aber wozu realistisch bleiben, wenn man „Innovationen“ versprechen kann? Schließlich klingt „Kernkraft“ viel besser als „Erneuerbare Energien“, insbesondere für ein Publikum, das Windräder immer noch für die Zerstörung der Landschaft verantwortlich macht.
Arbeitszeit: Willkommen im Hamsterrad
Die CDU/CSU möchte das Arbeitsrecht „flexibilisieren“ und schlägt vor, die wöchentliche Höchstarbeitszeit statt der täglichen zu begrenzen. Das bedeutet im Klartext: Ein 12-Stunden-Arbeitstag ist völlig okay, solange der Chef freundlich nickt. Für alle, die den Tag nicht schon mit Arbeit verbringen, gibt es auch den Vorschlag, den Sonntagsarbeitsverboten mehr „Spielräume“ zu geben. Ruhezeiten? Ach, das ist doch was für die „Generation Z“, die sowieso immer müde ist.
Digitalisierung mit Faxgerät und Stempel
Das Herzstück der digitalen Revolution der Union ist ein Bundesdigitalministerium. Was genau dieses Ministerium machen soll, bleibt nebulös, aber man darf vermuten, dass es zumindest die Digitalisierung der Faxgeräte im Bundestag beaufsichtigen wird. Konkrete Maßnahmen? Fehlanzeige. Aber immerhin gibt es Versprechungen, die nach „modern“ klingen – ein Begriff, den die Union erst kürzlich im Duden nachgeschlagen hat.
Wirtschaftsförderung: Verantwortung? Nein danke!
Das Lieferkettengesetz, das Unternehmen verpflichtet, Menschenrechte in globalen Lieferketten zu achten, soll weg. Denn wozu Menschenrechte garantieren, wenn man auch ohne Gewissensbisse Geschäfte machen kann? Der Markt regelt schließlich alles – so lange keine Subventionen für grüne Technologien dabei sind, denn die gelten als Teufelszeug.
Klimaziele: Ja, aber…
Natürlich bekennt sich die Union zu den Pariser Klimazielen. Aber anstatt auf ernsthafte Maßnahmen zu setzen, wird marktwirtschaftlicher Klimaschutz propagiert – also Maßnahmen, die funktionieren, solange sie niemandem wehtun. Klimaschutz mit Komfort nennt man das wohl. „Grünes Wachstum“ ist das Mantra – Hauptsache, der Diesel bleibt günstig und der CO₂-Ausstoß in der Industrie verschwindet durch magische Technologien.
Soziale Gerechtigkeit? Ein Randthema
Arbeitnehmerrechte, Rentenreformen oder Sozialpolitik kommen vor, aber eher als Randnotiz. „Leistung muss sich lohnen“ lautet das Credo. Für diejenigen, die nicht leisten können oder wollen? Tja, Pech gehabt. Das Programm liest sich wie eine Absage an alle, die in irgendeiner Weise auf Unterstützung angewiesen sind. Wer Fleiß nicht beweisen kann, ist scheinbar nicht Teil der Agenda.
Wer wird angesprochen?
Das Wahlprogramm richtet sich an all jene, die sich an eine Zeit erinnern, in der alles einfacher schien – also an konservative Stammwähler. Junge Wähler? Digitalisierungspioniere? Umweltbewusste Bürger? Fehlanzeige. Die CDU/CSU zielt darauf ab, die „gute alte Zeit“ wieder auferstehen zu lassen. Das Programm verspricht Veränderung, scheint aber vor allem auf Stillstand mit Retro-Charme zu setzen.
Fazit: Zukunft mit Blick in den Rückspiegel
„Politikwechsel für Deutschland“ klingt verheißungsvoll, wirkt aber wie ein Sammelsurium alter Ideen mit neuem Anstrich. Es mag Wähler geben, die sich von Kernkraft und Arbeitszeitflexibilität beeindrucken lassen, doch es fehlt an konkreten Visionen für die drängenden Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Kurz gesagt: Die CDU/CSU lädt zum Politikwechsel ein – zurück in die Vergangenheit.
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