Frage: Herr Reime, die Idee eines Anlegerbeirats in Sachen Genussrechte wird zunehmend diskutiert. Wie stehen Sie zu einer solchen Einrichtung?
Jens Reime: Ich sehe die Einrichtung eines Anlegerbeirats sehr positiv. Ein solcher Beirat könnte eine Brücke zwischen den Gesellschaften und den Anlegern schlagen, um für mehr Transparenz, Vertrauen und konstruktive Lösungen zu sorgen. Gerade bei Genussrechten, die oft komplexe und mitunter riskante Finanzprodukte sind, benötigen Anleger eine starke Stimme, die ihre Interessen bündelt und mit der Gesellschaft in einen Dialog tritt.
Frage: Wie bewerten Sie die aktuelle Situation im Umgang mit Genussrechten?
Jens Reime: Die IST-Situation ist oft schwierig. Anleger haben häufig wenig bis gar keine Einsicht in die finanzielle Lage der Gesellschaft. Viele Entscheidungen erfolgen intransparent, was zu Misstrauen führt. Zudem gibt es oft keinen strukturierten Ansatz, um in Krisenzeiten gemeinsam mit den Anlegern Lösungen zu erarbeiten. In vielen Fällen führt dies dazu, dass die Gesellschaft in finanzielle Schieflagen gerät, ohne dass die Anleger rechtzeitig eingebunden werden. Das birgt das Risiko von Insolvenzen, die vielleicht vermeidbar gewesen wären.
Frage: Welche Aufgaben sollte ein Anlegerbeirat Ihrer Meinung nach übernehmen?
Jens Reime: Der Anlegerbeirat sollte mehrere zentrale Aufgaben haben:
- Transparenz fördern: Der Beirat sollte regelmäßig Berichte zur finanziellen Lage der Gesellschaft erhalten und diese in verständlicher Weise den Anlegern zugänglich machen.
- Analyse der IST-Situation: Gemeinsam mit der Geschäftsführung und externen Experten sollte der Beirat eine objektive Analyse der aktuellen wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft vornehmen.
- Konzeptentwicklung: Der Beirat könnte Konzepte entwickeln oder begutachten, wie eine Restrukturierung erfolgen könnte – natürlich immer unter der Voraussetzung, dass die Gesellschaft nicht akut insolvenzgefährdet ist.
- Kommunikation: Der Beirat sollte eine zentrale Anlaufstelle für Anlegerfragen sein und als Vermittler zwischen den Anlegern und der Gesellschaft agieren.
- Mitwirkung bei Entscheidungen: Bei grundlegenden Entscheidungen, etwa Kapitalmaßnahmen oder Restrukturierungen, sollte der Beirat eine beratende oder sogar zustimmende Rolle haben.
Frage: Was wäre das Ziel eines solchen Beirats in einer Restrukturierung?
Jens Reime: Ziel ist es, gemeinsam Lösungen zu finden, die eine Restrukturierung ermöglichen und die Interessen der Anleger wahren. Ein Anlegerbeirat kann helfen, realistische Perspektiven zu entwickeln und Vertrauen aufzubauen. Wichtig ist, dass die Gesellschaft durch die Mitwirkung des Beirats glaubwürdig darlegt, wie eine wirtschaftliche Erholung möglich ist. Dies kann dazu beitragen, dass Anleger Geduld aufbringen und die Gesellschaft Zeit gewinnt, ihre wirtschaftliche Situation zu stabilisieren.
Frage: Glauben Sie, dass ein Anlegerbeirat auch präventiv wirken kann?
Jens Reime: Absolut. Ein Anlegerbeirat kann bereits in wirtschaftlich stabilen Phasen helfen, die Weichen für eine transparente und nachhaltige Geschäftsführung zu stellen. Er dient als Frühwarnsystem, das mögliche finanzielle Schwierigkeiten rechtzeitig erkennt und Gegenmaßnahmen entwickeln kann, bevor es zu spät ist. So ließe sich vermeiden, dass eine Krise überhaupt erst eskaliert.
Frage: Was müsste geschehen, um einen Anlegerbeirat in der Praxis umzusetzen?
Jens Reime: Zunächst braucht es den Willen der Gesellschaft, sich auf einen offenen Dialog mit den Anlegern einzulassen. Auch die Anleger selbst müssten bereit sein, Verantwortung zu übernehmen. Die Einrichtung eines Beirats erfordert klare rechtliche Rahmenbedingungen, die in der Satzung oder den Genussrechtsbedingungen festgelegt werden sollten. Schließlich braucht es einen transparenten Auswahlprozess, um qualifizierte und engagierte Mitglieder für den Beirat zu finden.
Frage: Zusammenfassend: Welche Chancen sehen Sie durch die Einrichtung eines Anlegerbeirats?
Jens Reime: Ein Anlegerbeirat bietet eine enorme Chance, sowohl für die Gesellschaft als auch für die Anleger. Er stärkt das Vertrauen, fördert Transparenz und ermöglicht eine partnerschaftliche Zusammenarbeit. Gerade in schwierigen Zeiten kann ein gut funktionierender Beirat helfen, Insolvenzen zu vermeiden und die Interessen aller Beteiligten zu wahren. Ich halte das für einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung.
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