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DEGAG: Interview mit Rechtsanwalt Jens Reime, Bautzen Fachanwalt für Versicherungsrecht sowie Bank- und Kapitalmarktrecht

Mohamed_hassan (CC0), Pixabay
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Frage 1: Herr Reime, können Sie erklären, was Bestandspflegeprovisionen sind und ob diese bei DEGAG-Genussrechten eine Rolle spielen könnten?

Reime:
Bestandspflegeprovisionen sind Entgelte, die Vermittler regelmäßig erhalten, um Verträge über deren gesamte Laufzeit zu betreuen. Bei typischen Versicherungen oder Fondsinvestments mag das sinnvoll sein, weil der Kunde laufend betreut wird. Bei Genussrechten wie denen der DEGAG, die in der Regel feste Laufzeiten und definierte Bedingungen haben, erscheint das jedoch fragwürdig. Diese Investments erfordern keine laufende Betreuung, da sie nicht flexibel angepasst werden können. Eine Bestandspflegeprovision könnte hier höchstens als „Belohnung“ für den Vertrieb wirken, was aus meiner Sicht problematisch wäre.

Frage 2: Ist es rechtlich zulässig, Bestandspflegeprovisionen bei solchen Anlagen zu zahlen?

Reime:
Die rechtliche Zulässigkeit hängt davon ab, ob die Provisionen mit einer konkreten Gegenleistung des Vermittlers verbunden sind. In Fällen wie DEGAG-Genussrechten ist das schwierig zu rechtfertigen. Ohne eine tatsächliche Beratungs- oder Betreuungsleistung könnte die Zahlung solcher Provisionen als unangemessen oder sogar als Verschleierung von Kosten angesehen werden. Das würde nicht nur den Vertrieb in ein schlechtes Licht rücken, sondern auch Haftungsfragen aufwerfen.

Frage 3: Könnte eine Sammelklage gegen den Vertrieb, der solche Provisionen erhalten hat, sinnvoll sein?

Reime:
Ja, das könnte durchaus Sinn machen. Wenn Bestandspflegeprovisionen gezahlt wurden, ohne dass dafür eine rechtlich zulässige Gegenleistung erbracht wurde, könnten Kunden Ansprüche geltend machen. Die Grundlage wäre, dass diese Zahlungen die Rendite der Anlage geschmälert oder gegen das Gebot der Anlegertransparenz verstoßen haben. Voraussetzung wäre natürlich, dass die Betroffenen nachweisen können, dass ihnen durch diese Praxis ein Schaden entstanden ist.

Frage 4: Was müsste ein Anleger tun, der sich einer solchen Klage anschließen möchte?

Reime:
Zunächst sollten Anleger ihre Unterlagen prüfen oder prüfen lassen, insbesondere die Vermittlungsprotokolle, Produktinformationsblätter und Vertriebsvereinbarungen. Wichtig ist, ob die Bestandspflegeprovision transparent gemacht wurde und ob der Vermittler seiner Aufklärungspflicht nachgekommen ist. Falls sich Anhaltspunkte für unzulässige Zahlungen ergeben, wäre der nächste Schritt, sich mit anderen Betroffenen zusammenzutun, um die Chancen einer Sammelklage zu erhöhen.

Frage 5: Was sind die Erfolgsaussichten einer solchen Klage?

Reime:
Das hängt von den konkreten Umständen ab. Erfolgsaussichten bestehen dann, wenn sich nachweisen lässt, dass die Bestandspflegeprovisionen in unzulässiger Weise gezahlt wurden oder die Kunden über deren Zweck und Auswirkungen nicht ausreichend aufgeklärt wurden. Gerichte bewerten solche Fälle meist nach den Maßstäben der Transparenz und Anlegergerechtigkeit. Ein zentraler Punkt wird sein, ob der Vertrieb gegen seine Pflichten verstoßen hat.

Frage 6: Gibt es aus Ihrer Sicht bereits Fälle, die ein Präzedenzurteil schaffen könnten?

Reime:
Es gibt bereits Urteile, die sich mit intransparenten Provisionsmodellen befassen. Diese könnten als Orientierung dienen. Konkrete Präzedenzfälle speziell zu Bestandspflegeprovisionen bei Genussrechten wie denen der DEGAG sind mir allerdings aktuell nicht bekannt. Es wäre daher spannend, ob eine solche Klage letztlich ein richtungsweisendes Urteil herbeiführen könnte.

Frage 7: Was raten Sie betroffenen Anlegern aktuell?

Reime:
Anleger sollten zunächst Ruhe bewahren und ihre Unterlagen sorgfältig prüfen lassen. Sie sollten sich außerdem mit anderen Betroffenen austauschen und rechtliche Beratung in Anspruch nehmen. Es könnte auch sinnvoll sein, sich an Anlegergemeinschaften zu wenden, um mögliche Sammelklagen vorzubereiten. Wichtig ist, dass Betroffene keine vorschnellen Entscheidungen treffen und zunächst ihre Rechte klären lassen.

Vielen Dank, Herr Reime, für Ihre Einschätzungen zu diesem Thema!

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