Die Corona-Pandemie erschüttert auch den Finanzsektor. Die deutsche Finanzaufsicht BaFin nimmt die Risikolage sehr ernst – und tauscht sich regelmäßig mit Unternehmen über deren Notfallpläne aus. Was die Behörde angesichts der Pandemie unternimmt.
Felix Hufeld rät zur Wachsamkeit. „Aktuell ist das Corona-Virus eine erhebliche Belastung für die Finanzbranche“
, sagt der BaFin-Präsident. Es stelle aber derzeit kein systemisches Risiko dar. Trotzdem rüstet sich Deutschlands Finanzaufsicht gegen mögliche Folgen der Corona-Pandemie. So hat Hufeld zum Beispiel eine interne Corona-Taskforce berufen. Das Ziel ist, die Ausbreitung des Virus in der Behörde zu verlangsamen. Hufeld weiter: „Wir wollen unsere Beschäftigten schützen und zur Entlastung des Gesundheitssystems beitragen, und wir wollen den Betrieb aufrechterhalten, um weiterhin für stabile Verhältnisse am Finanzmarkt sorgen zu können.“
Das gesamte BaFin-Direktorium nehme „die Risikolage sehr ernst“ und tausche sich mit den Unternehmen über deren Notfallpläne aus, berichtet Hufeld. Zudem berät sich die Finanzaufsicht in der Coronakrise laufend mit dem Bundesfinanzministerium, der Deutschen Bundesbank, der Europäischen Zentralbank und weiteren europäischen und internationalen Partnerbehörden. Gemeinsam haben sie Maßnahmen auf den Weg gebracht, die Finanzunternehmen in der Coronakrise entlasten sollen. So wird der EU-weite Stresstest für Banken auf das Jahr 2021 verschoben, die Empfehlungen zur Eigenkapitalausstattung in der Säule 2 werden gelockert.
BaFin unterstützt SSM-Entlastungen
Der Einheitliche Bankenaufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism – SSM), angesiedelt bei der EZB und unterstützt von der BaFin, hat bereits Ende vergangener Woche wichtige Entscheidungen getroffen (siehe Meldung „Einheitlicher Aufsichtsmechanismus SSM). Diese sollen Finanzinstitute in der Corona-Pandemie operationell entlasten. Auch für sogenannte weniger bedeutende Institute (Less Significant Institutions – LSIs), die allein unter nationaler Aufsicht stehen, wendet die BaFin diese Regeln vorerst an. „Wir können und werden aufsichtlich in hohem Maße flexibel reagieren“
, macht Hufeld deutlich. Aber: Das SSM-Gremium sehe „keine Notwendigkeit für ein Aufweichen regulatorischer Anforderungen“.
Deutschlands Institute können demnach vorübergehend unterhalb der Eigenkapitalausstattung operieren, die in den Kapitalempfehlungen der Säule 2 (Pillar-2-Guidance bzw. Eigenmittelzielkennziffer), dem Kapitalerhaltungspuffer (Capital Conservation Buffer – CCB) und der Liquiditätsdeckungsquote (Liquidity Coverage Ratio – LCR) festgelegt ist. Um die Anforderungen der Säule 2 (Pillar-2-Requirements) zu erfüllen, dürfen nun auch die bedeutenden Institute (Significant Institutions – SIs) wie bisher schon die LSIs teilweise auch Kapitalinstrumente verwenden, die nicht als hartes Kernkapital (Common Equity Tier 1 – CET1) gelten. Dazu zählen Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals (Additional Tier 1) oder Instrumente des Kernkapitals (Tier 2). Die BaFin erwartet, dass Banken die positiven Effekte dieser Maßnahmen nutzen, um die Wirtschaft zu unterstützen, und nicht etwa die Dividenden oder variable Vergütungen des Managements zu erhöhen.
Bankmitarbeiter dürfen in der Coronakrise auch Handelsgeschäfte aus dem Home-Office tätigen (siehe Meldung „Home-Office“). Diesen Vorschlag der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA, um Institute weiter zu entlasten, trägt die BaFin mit. Normalerweise sind diese Außer-Haus-Geschäfte streng reglementiert. Doch Handelsgeschäfte im Home-Office stellen in der gegenwärtigen Situation nach Auffassung der BaFin keinen Bruch der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) dar.
BaFin cancelt eigene Veranstaltungen
Nicht nur als Aufsichtsbehörde, sondern auch als Dienstherrin und Gastgeberin ist die BaFin mit dem Corona-Virus konfrontiert. Ihr oberstes Ziel ist es, das Infektionsrisiko für Teilnehmer von Veranstaltungen zu minimieren. Das kann auch bedeuten, von langer Hand geplante, wichtige Branchenveranstaltungen nicht wie geplant abzuhalten. Die Veranstaltung „Zwei Jahre neues ZAG – Stand und Zukunft der BaFin-Aufsicht im Zahlungsverkehr“ in Frankfurt am Main vom 31. März 2020 wird auf einen noch unbekannten späteren Termin verschoben. Auch der Workshop „Reform der Referenzzinssätze – Überleitung und Notfallpläne der Verwender“ in Frankfurt am Main wird am 28. April nicht stattfinden. Einen Ausweichtermin gibt es noch nicht. Bereits Ende Februar hatte die BaFin drei für März geplante Committee Meetings der Internationalen Vereinigung der Versicherungsaufsichtsbehörden IAIS abgesagt.
BaFin schützt eigene Mitarbeiter
Um ihre eigenen Beschäftigten zu schützen, hat sich das BaFin-Direktorium entschieden, Vor-Ort-Prüfungen in Unternehmen bis auf weiteres auszusetzen. BaFin-Aufseher sollen stattdessen auf Telefon- oder Videokonferenzen ausweichen, um ihre Aufsichtstätigkeit weiterhin zu erfüllen. Die BaFin hat eine sehr weitreichende Home-Office–Policy entwickelt, die allen Beschäftigten offensteht. Über Anlassprüfungen, die auf erhebliches Fehlverhalten von Unternehmen zurückführen sind, entscheidet die BaFin im Einzelfall. Dienstreisen sowie dienstliche Termine mit persönlichem Kontakt werden weitestgehend durch Telefon oder Video ersetzt.
Nachdem das Virus inzwischen in allen Bundesländern aufgetreten ist und das Robert-Koch-Institut die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung inzwischen als hoch einschätzt, trat Mitte März unvermeidlich auch eine erste Infektion in der Belegschaft auf. Die BaFin reagierte unverzüglich, indem sie die Kolleginnen und Kollegen der erkrankten Person informierte und sicherheitshalber von zu Hause aus arbeiten ließ. Auf weitere Infektionsfälle wird die BaFin genauso umfassend reagieren. Sie passt ihre Schutzmaßnahmen gegen das Corona-Virus fortlaufend an.
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