Am 7. Oktober 2024 präsentieren die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und die Deutsche Bundesbank die Ergebnisse ihres jährlichen Stresstests für kleine und mittelgroße Finanzinstitute, die sogenannten „Less Significant Institutions“ (LSIs). Dieser Stresstest untersucht die Widerstandsfähigkeit von etwa 1.200 Banken und Sparkassen, indem verschiedene Krisenszenarien simuliert werden, einschließlich eines dramatischen Rückgangs des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Ziel der Übung ist es, die zukünftige Ertragslage und die Stabilität der Institute zu bewerten und auf Grundlage der Ergebnisse Eigenmittelempfehlungen auszusprechen. Die Fragestellung der BaFin, wie gut diese Institute gegen Krisen gewappnet sind, ist dabei von zentraler Bedeutung und absolut gerechtfertigt. Im Folgenden werden die Gründe dargelegt, warum dieser Fokus auf die Krisenresistenz kleiner und mittlerer Institute notwendig und sinnvoll ist.
1. Kleine und mittlere Banken als systemrelevante Stützpfeiler der Wirtschaft
Kleine und mittlere Institute sind ein zentraler Bestandteil des deutschen Finanzsystems. Sie versorgen große Teile der Bevölkerung sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) mit Krediten und anderen Finanzdienstleistungen. Gerade Sparkassen und Genossenschaftsbanken spielen in der Finanzierung des Mittelstands eine entscheidende Rolle, der das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bildet.
Während große Banken oftmals international agieren, sind kleinere Institute stärker in der lokalen Wirtschaft verwurzelt. Sie übernehmen eine bedeutende Rolle in der Kreditvergabe und bieten für viele Kunden eine wichtige Anlaufstelle für finanzielle Beratung. Sollte eine Krise diese Institute schwer treffen, könnten ganze regionale Wirtschaftszweige darunter leiden.
Da diese Banken zwar in ihrer Größe nicht mit global agierenden Großbanken vergleichbar sind, können sie dennoch systemrelevante Funktionen auf regionaler Ebene erfüllen. Ihre Stabilität ist somit essenziell für die Stabilität der lokalen Wirtschaft und des gesamten Finanzsystems.
2. Anfälligkeit kleiner und mittlerer Institute für makroökonomische Schocks
Kleinere Institute sind im Vergleich zu Großbanken oftmals weniger diversifiziert und stärker auf bestimmte Regionen oder Geschäftsfelder konzentriert. Dies macht sie anfälliger für makroökonomische Schocks wie Wirtschaftskrisen oder drastische Veränderungen in den Zinsmärkten. So könnten z. B. konjunkturelle Einbrüche, wie ein starker Rückgang des BIP, die Kreditnachfrage verringern oder zu einer Zunahme von Zahlungsausfällen bei bestehenden Krediten führen.
Da kleinere Banken zudem oft weniger umfangreiche Risikomanagementsysteme und weniger Kapazitäten für den Aufbau von Rücklagen haben, sind sie im Krisenfall potenziell weniger widerstandsfähig als größere, global tätige Institute. In diesem Zusammenhang ist die Frage der BaFin, wie gut diese Banken auf Krisen vorbereitet sind, von höchster Bedeutung.
3. Niedrigzinsphase und Zinsänderungsrisiken
Ein weiterer wichtiger Aspekt, den der Stresstest beleuchtet, ist die Fähigkeit der Institute, mit Zinsänderungen umzugehen. Seit Jahren kämpfen deutsche Banken und Sparkassen mit den Folgen der Niedrigzinsphase, die ihre Ertragskraft erheblich unter Druck gesetzt hat. Viele kleinere Banken haben in dieser Phase in festverzinsliche Wertpapiere oder langfristige Kredite investiert. Eine plötzliche Zinswende könnte diese Institute in Schwierigkeiten bringen, da die Anpassung ihrer Geschäftsmodelle an ein höheres Zinsniveau kostspielig und zeitaufwendig ist.
Die BaFin hat also recht, diese Risiken intensiv zu prüfen, denn ein Anstieg der Zinsen könnte die Kosten für die Refinanzierung von Verbindlichkeiten erhöhen und gleichzeitig die Nachfrage nach neuen Krediten dämpfen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass Banken über ausreichende Eigenmittel verfügen, um potenzielle Verluste auffangen zu können.
4. Kreditrisiken in wirtschaftlich angespannten Zeiten
Eine der zentralen Prüfungen im Stresstest ist die Auswirkung eines wirtschaftlichen Abschwungs auf die Kreditportfolios der Banken. In Rezessionsszenarien könnten Unternehmen und Privatpersonen vermehrt Schwierigkeiten haben, Kredite zurückzuzahlen. Dies würde zu einem Anstieg der notleidenden Kredite und somit zu Verlusten für die Banken führen.
Kleine und mittlere Banken, die oft stark auf ihr Kreditgeschäft angewiesen sind, könnten hiervon besonders betroffen sein. Da sie in der Regel weniger stark in internationalen Märkten oder anderen Geschäftsfeldern tätig sind, haben sie weniger Möglichkeiten, Verluste in einem Bereich durch Gewinne in einem anderen zu kompensieren.
Der Stresstest simuliert solche Szenarien und gibt den Aufsichtsbehörden Aufschluss darüber, wie stark die Institute von einem wirtschaftlichen Abschwung betroffen wären und welche Kapitalpuffer notwendig wären, um dies abzufedern. Die BaFin verfolgt damit das Ziel, frühzeitig Risiken zu identifizieren und mögliche systemische Probleme zu verhindern.
5. Eigenkapitalanforderungen und Risikomanagement
Ein zentrales Ergebnis des Stresstests sind die Eigenkapitalanforderungen, die die BaFin den teilnehmenden Banken und Sparkassen auferlegt. Diese Anforderungen sollen sicherstellen, dass die Institute in der Lage sind, Verluste in Krisenzeiten aus eigener Kraft zu bewältigen und so eine Insolvenz zu vermeiden.
Da kleinere Banken oft weniger Eigenkapital als große Institute haben, ist die Festlegung von Mindestanforderungen besonders wichtig. Diese Anforderungen bieten Schutz vor unvorhergesehenen Marktentwicklungen und schaffen Vertrauen bei den Kunden. Das Risikomanagement kleinerer Banken wird ebenfalls geprüft, um sicherzustellen, dass sie in der Lage sind, potenzielle Krisen frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu reagieren.
6. Zunehmende regulatorische Anforderungen und wirtschaftliche Veränderungen
Die Finanzlandschaft verändert sich kontinuierlich, sowohl durch neue regulatorische Anforderungen als auch durch technische Innovationen und wirtschaftliche Herausforderungen. Kleine und mittelgroße Banken müssen sich auf diese Entwicklungen einstellen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und Krisenresistenz aufzubauen.
Die BaFin sorgt mit ihren Stresstests dafür, dass diese Institute in der Lage sind, den steigenden Anforderungen gerecht zu werden. Dies umfasst nicht nur die Anpassung an regulatorische Vorschriften, sondern auch die Integration neuer Technologien und die Diversifizierung der Geschäftsmodelle. Angesichts der anhaltenden Herausforderungen, wie der Digitalisierung und der Verschärfung von Wettbewerbsbedingungen, ist es unerlässlich, dass die Institute ihre Widerstandsfähigkeit kontinuierlich verbessern.
Fazit: Notwendigkeit der BaFin-Fragestellung
Die Fragestellung der BaFin, wie gut kleine und mittelgroße Institute gegen Krisen gewappnet sind, ist nicht nur berechtigt, sondern auch von höchster Bedeutung für die Stabilität des deutschen Finanzsystems. Kleine und mittelgroße Banken spielen eine zentrale Rolle in der Kreditversorgung und der Unterstützung der regionalen Wirtschaft. Ihre Anfälligkeit für wirtschaftliche Abschwünge, Zinsänderungen und Kreditrisiken macht es notwendig, ihre Krisenfestigkeit regelmäßig zu überprüfen.
Die BaFin leistet mit ihren Stresstests einen wichtigen Beitrag zur Finanzmarktstabilität, indem sie Risiken frühzeitig identifiziert und den Banken durch Eigenkapitalanforderungen sowie durch Empfehlungen zur Verbesserung des Risikomanagements Schutzmechanismen an die Hand gibt. Insbesondere für Kleinanleger und mittelständische Unternehmen, die auf die Stabilität dieser Institute angewiesen sind, ist dies von großem Vorteil.
Insgesamt tragen die Stresstests dazu bei, das Vertrauen in das Finanzsystem zu stärken und sicherzustellen, dass auch in Krisenzeiten ein stabiler Bankensektor gewährleistet ist. Die BaFin handelt also im Interesse der Gesamtwirtschaft, indem sie die Widerstandsfähigkeit der deutschen LSIs kontinuierlich überprüft und stärkt.
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