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Die Deutsche Umwelt Hilfe und der Freistaat Bayern – EuGH Urteil

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Um die Verantwortlichen des Freistaats Bayern dazu anzuhalten, in München Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität (wie ein Verkehrsverbot für bestimmte Dieselfahrzeuge) zu treffen, kann nur dann Zwangshaft gegen sie verhängt werden, wenn es dafür im nationalen Recht eine hinreichend zugängliche, präzise und in ihrer Anwendung vorhersehbare Rechtsgrundlage gibt und wenn die Zwangsmaßnahme verhältnismäßig ist.

Es ist Sache des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, zu prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind. Mit seinem heutigen Urteil hat sich der Gerichtshof erstmals dazu geäußert, ob die nationalen Gerichte befugt oder sogar verpflichtet sind,

Zwangshaft gegen die Verantwortlichen nationaler Behörden zu verhängen, die sich beharrlich weigern, einer gerichtlichen Entscheidung nachzukommen, mit der ihnen aufgegeben wird, ihre unionsrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen.

Der Gerichtshof ist im Rahmen eines Rechtsstreits angerufen worden, den die Deutsche Umwelthilfe, eine deutsche Umweltschutzorganisation, gegen den Freistaat Bayern wegen dessen beharrlicher Weigerung führt, zur Umsetzung der Richtlinie 2008/50 über Luftqualität die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit in der Stadt Münchender Grenzwert für Stickstoffdioxid eingehalten wird.

Der Freistaat Bayern wurde im Jahr 2012 dazu verurteilt, seinen für diese Stadt geltenden Luftreinhalteplan zu ändern.

Im Jahr 2016 wurde er unter Androhung von Zwangsgeld aufgefordert, seinen Verpflichtungen nachzukommen, u.a.durch Verkehrsverbote für bestimmte Fahrzeuge mit Dieselmotor in Teilen des Stadtgebiets.

Da der Freistaat sich jedoch weigerte, diese Anordnungen zu befolgen, wurde im Jahr 2017 ein Zwangsgeld in Höhe von 4000 Euro gegen ihn festgesetzt, dass er beglich.

Er weigert sich weiterhin, die Anordnungen zu befolgen, und seine Vertreter haben öffentlich erklärt, dass er seinen Verpflichtungen nicht nachkommen werde.

Deshalb beantragte die Deutsche Umwelthilfe zum einen, gegen ihn ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 4000 Euro festzusetzen.

Diesem Antrag wurde mit Beschluss vom 28.Januar 2018 stattgegeben. Zum anderen beantragte sie, gegen die Verantwortlichen des Freistaats (die Staatsministerin für Umwelt und Verbraucherschutz oder, hilfsweise, den Ministerpräsidenten) Zwangshaft zu verhängen.

Dies wurde mit Beschluss gleichen Datums abgelehnt. Der vom Freistaat angerufene Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Festsetzung des Zwangsgelds bestätigt und den Gerichtshof um Vorabentscheidung darüber ersucht, ob Zwangshaft verhängt werden kann.

Er hat ausgeführt, die Auferlegung von Zwangsgeldern sei nicht geeignet, an dem Verhalten des Freistaats etwas zu ändern, da sie ihm wieder zuflössen und nicht mit einer Vermögenseinbuße einhergingen.

Überdies sei die Verhängung von Zwangshaft aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen ausgeschlossen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat dem Gerichtshof daher die Frage vorgelegt, ob das Unionsrecht, insbesondere das durch Art.47 Abs.1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf, dahin auszulegen ist, dass es die nationalen Gerichte zum Erlass einer solchen Maßnahme ermächtigt oder sogar verpflichtet.

Der Gerichtshof hat entschieden, dass unter Umständen, die durch die beharrliche Weigerung einer nationalen Behörde gekennzeichnet sind, einer gerichtlichen Entscheidung nachzukommen mit der ihr aufgegeben wird, eine klare, genaue und unbedingte Verpflichtung zu erfüllen, die sich aus dem Unionsrecht, etwa aus der Richtlinie 2008/50, ergibt, das zuständige nationale Gericht Zwangshaft gegen die Verantwortlichen des Freistaats Bayern zu verhängen hat, sofern zwei Voraussetzungen erfüllt sind.

Zum einen muss es im innerstaatlichen Recht eine hinreichend zugängliche, präzise und in ihrer Anwendung vorhersehbare Rechtsgrundlage für den Erlass einer solchen Maßnahme geben.

Zum anderen muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden. Insoweit hat der Gerichtshof zunächst darauf hingewiesen, dass die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des Unionsrechts zu gewährleisten haben, dass das sowohl in Art.47 der Charta als auch, für den Umweltbereich, in Art.9 Abs.4 des Aarhus-Übereinkommens verankerte Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutzgewahrt ist.

Dieses Recht ist umso bedeutsamer, als das Unterbleiben der von der Richtlinie 2008/50 vorgegebenen Maßnahmen die Gesundheit von Personen gefährdenwürde.

Nationale Rechtsvorschriften, die zu einer Situation führen, in der das Urteil eines Gerichts wirkungslos bleibt, verletzen aber den Wesensgehalt dieses Rechts und nehmen ihm jede praktische Wirksamkeit.

In einem solchen Fall muss das nationale Gericht sein nationales Recht so auslegen, dass es so weit wie möglich im Einklang mit den Zielen der genannten Bestimmungen steht; ist es dazu außerstande, muss es jede nationale Bestimmung unangewendet lassen, die dem unmittelbare Wirkung entfaltenden Unionsrecht entgegensteht.

Der Gerichtshof hat jedoch hinzugefügt, dass die Beachtung der letztgenannten Verpflichtung nicht dazu führen darf, dass ein anderes Grundrecht verletzt wird, und zwar das durch Art.6 der Charta garantierte und durch die Zwangshaft eingeschränkte Recht auf Freiheit.

Da das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz kein absolutes Recht ist und nach Art.52 Abs.1 der Charta Einschränkungen unterliegen kann, ist eine Abwägung der in Rede stehenden Grundrechte vorzunehmen.

Um den Anforderungen von Art.52 Abs.1 der Charta zu genügen, muss eine Rechtsvorschrift, die es einem Gericht gestattet, einer Person ihre Freiheit zu entziehen, zunächst hinreichend zugänglich, präzise und in ihrer Anwendung vorhersehbar sein, um jede Gefahr von Willkür zu vermeiden; dies zu beurteilen ist Sache des vorlegenden Gerichts.

Überdies darf auf die Verhängung von Zwangshaft, da mit ihr ein Freiheitsentzug verbunden ist, aufgrund der Anforderungen, die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben, nur zurückgegriffen werden, wenn es keine weniger einschneidende Maßnahme (wie z.B. mehrere hohe Geldbußen in kurzen Zeitabständen, die nicht letzten Endes dem Haushalt zufließen, aus dem sie stammen) gibt; auch dies hat das vorlegende Gericht zu prüfen.

Nur für den Fall, dass die mit der Verhängung von Zwangshaft verbundene Einschränkung des Rechts auf Freiheit diesen Voraussetzungen genügt, würde das Unionsrecht den Rückgriff auf eine solche Maßnahme nicht nur gestatten, sondern gebieten.

Hinzu kommt, dass ein Verstoß gegen die Richtlinie 2008/50 vom Gerichtshof im Rahmen einer Vertragsverletzungsklage festgestellt werden und zur Haftung des Staates für die daraus resultierenden Schäden führen kann.

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