In diesen Tagen erscheint Britta Haßelmann, die grüne Co-Fraktionsvorsitzende, in zahlreichen Interviews, wo sie sorgsam abgewogene Worte wählt, während sie sich behutsam um die Darstellung offensichtlicher innerparteilicher Konflikte bewegt. Wenn man sie nach der aktuellen migrationspolitischen Ausrichtung der Grünen fragt, spricht sie von einem „Spannungsfeld zwischen Humanität und Verantwortung“. Ein präziserer Blick könnte jedoch den Eindruck erwecken, dass es innerhalb der Grünen gerade so turbulent zugeht, dass Funken fliegen.
Die Grünen scheinen in einer Identitätskrise zu stecken. Die unverhandelbare Kern-DNA der Partei, die eine primär humanitär ausgerichtete Flüchtlingspolitik beinhaltet, steht im Konflikt mit der Regierungsverantwortung, die eine rasche und effektive Handhabung steigender Flüchtlingszahlen erfordert. Letzteres wird zusätzlich durch Angriffe der Opposition und einer zunehmenden Belastung der Kommunen angeheizt.
Dieser Spannungszustand wird weiter verschärft durch neu in die Fraktion eingetretene junge Grüne, deren politische Prägung eng mit ihren Erfahrungen in der Flüchtlingshilfe verknüpft ist. Für Mitglieder wie den Abgeordneten Julian Pahlke, der sich früher in der Seenotrettung engagierte, dürfte es schwerfallen, die aktuelle politische Ausrichtung der Partei, die er als inhuman empfindet, zu akzeptieren.
Die Situation wird zusätzlich dadurch kompliziert, dass die FDP, ein Partner in der Ampel-Koalition, mit Aussagen, die die Grünen als „Sicherheitsrisiko für das Land“ bezeichnen, Öl ins Feuer gießt. So wird der beschwerliche Weg der Grünen noch steiniger.
Die Partei präsentiert sich uneins und zerrissen, wobei alte Gräben zwischen den linken und den realpolitischen Fraktionen wieder sichtbar werden. Dieser Konflikt wird durch die paritätische Besetzung von Führungspositionen aus beiden Lagern noch verschärft. Es entsteht der Eindruck, dass Positionen nicht ausreichend diskutiert und abgestimmt sind, was die Konflikte innerhalb der Partei offenlegt.
Diese Zerrissenheit wird etwa deutlich bei Themen wie der europäischen Asylreform. Während Teile der Partei zustimmen, stellen sich andere dagegen. Hier stellt sich die Frage: Wer bestimmt die Richtung der Partei?
Die Grünen befinden sich offensichtlich in einer Identitätskrise. Einst schien es, als hätten sie ihre internen Flügelkämpfe überwunden, doch aktuelle Entwicklungen und Positionierungen offenbaren erneut tiefe Risse. Die Herausforderung wird sein, diese Risse zu kitten, ohne die Kernprinzipien der Partei zu opfern. Dies wird spätestens beim Bundesparteitag im November sichtbar werden, und es ist zu erwarten, dass die Funken erneut fliegen werden.
Kommentar hinterlassen