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Die lobbyistische „Initiative Tierwohl“

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Kennen Sie das Label „Haltungsform“? Dieses „Gütesiegel“ soll den Verbrauchern ermöglichen, die Bedingungen der Haltung, des Transports und der Schlachtung der Tiere zu beurteilen. Initiiert wurde es zwar vom Bundeslandwirtschaftsministerium, aber entwickelt und umgesetzt maßgeblich – wer hätte es gedacht – vom Einzelhandel und einer Gesellschaft.

Wer nimmt teil?

Aldi, Edeka, Kaufland, Lidl, Netto, Penny, Rewe, Wasgau

Was bringt es den Verbrauchern?

Tatsächlich sorgt das Siegel im Prinzip für etwas mehr Transparenz. Die Vorgaben sind für jedermann im Internet unter https://www.haltungsform.de/ einsehbar. Ob diese natürlich korrekt umgesetzt werden, können wir natürlich nicht kontrollieren. Angeblich werde jeder Teilnehmer mindestens zweimal jährlich überprüft, wobei aber die große Prüfung – Programmaudit genannt – maximal 24 Stunden vorher angekündigt wird. Die kleineren Kontrollen erfolgen angeblich ohne Vorankündigungen (Quelle: https://initiative-tierwohl.de/partner/auditoren-und-zertifizierungsstellen/).

Auf dieser Seite findet man auch die Blanko-Formulare, mit denen die Unternehmen geprüft werden. Die Resultate für jeden einzelnen der 6660 untersuchten Betriebe werden aber natürlich nicht veröffentlicht. Und auch die Übersicht aller teilnehmenden Zertifizierungsstellen wird nicht öffentlich gemacht, so dass die versprochene Transparenz nichts als ein leeres Versprechen ist.

Was bringt es den Tieren?

Parallel zu der eben genannten Seite wurde die Internetseite https://initiative-tierwohl.de/ eingerichtet. Sie als „Initiative Tierwohl“ zu bezeichnen, ist schon ziemlicher Hohn! Schauen Sie sich doch einmal die Vorgaben an. In der niedrigsten Kategorie – Haltungsform 1, Stallhaltung – gönnt man einem Schwein einen Platz von mindestens 0,75m² pro Tier, d.h. zum Beispiel 1,5m x 0,5m. Wie viel Bewegung ist da noch möglich? In der Premiumstufe 4 sind es zwar schon 1,5m², d.h. beispielsweise 3m x 0,5m. Aber wollen Sie sich Ihr Leben lang auf ein so kleinen Fleckchen beschränken müssen mit gelegentlichem Auslauf?

Wer steckt dahinter?

Verantwortlich für die genannten Seiten ist die Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung mbH, welche 2015 in das Unternehmensregister eingetragen wurde (s.u.). In der Eigenbeschreibung in der Bilanz von 2018 heißt es:

„Die Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung mbH (Trägergesellschaft) hat die Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung zum Gegenstand. Sie betreibt mit der „Initiative Tierwohl“ ein Programm, das wissenschaftlich fundierte, messbare und belegbare Anforderungen an die Tierhaltung stellt und die Umsetzung dieser Anforderung durch Zahlung eines Entgelts an die Tierhalter honoriert. Zudem ist sie seit 2019 Trägerin der einheitlichen Haltungskennzeichnung „Haltungsform“ für tierische Erzeugnisse.“

Geschäftsführer ist der Agrarökonom Dr. Alexander Hinrichs. Seiner Kurzbiografie zufolge hat er nach seinem Studium in der Unternehmensberatung The Advisory House und anschließend bei der QS Qualität und Sicherheit GmbH gearbeitet, welches ein Lobbyismus-Unternehmen der Land- und Ernährungswirtschaft ist.

Damit wird das Interesse von Herrn Hinrichs ersichtlich. Im Interesse der dahinterstehenden Firmen initiierte er das Label, um damit einer zwangsverordneten Maßnahme des Landwirtschaftsministeriums zuvor zu kommen! Natürlich stellt er sich auch gegen ernstgemeinte Bemühungen, wirklich das Tierwohl zu verbessern, wie Ende letzten Jahres auf dem Forum „Tierische Veredelung“ des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV) in Berlin (Quelle: https://www.topagrar.com/schwein/news/hinrichs-bezweifelt-nutzen-des-staatlichen-tierwohlsiegels-11924404.html).

Fazit

Das Label „Haltungswohl“, initiiert von Lobbyisten der Fleischindustrie, verspricht, im Interesse der Tiere zu agieren. Doch in Wirklichkeit dient es nur den eigenen wirtschaftlichen Interessen und lässt sich als ein Versuch sehen, halbherzige Bemühungen des Landwirtschaftsministeriums noch zu unterminieren. Gleichzeitig kann man so natürlich auf das  wachsende Bewusstsein beim Verbraucher aufspringen und diesen ein gutes Gefühl beim Kauf einer höheren Stufe vermitteln.

Einen Pluspunkt verdient das Siegel: Bei aller berechtigten Kritik stellt es trotzdem eine minimale Verbesserung für die Tiere dar. Aber: Wie auch die Verbraucherzentrale urteilte, ist das Label „Haltungsform“ kein Tierwohllabel! (Quelle: https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/lebensmittelproduktion/erst-ein-staatliches-label-bringt-durchblick-beim-einkauf-von-fleisch-25484)

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