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Die neue Universität nach Corona – eine schon überholte Kopie von gestern?

qimono (CC0), Pixabay
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Im Presseartikel vom 17.09.2021 wird die Frage gestellt, ob es eine Uni nach Corona wie früher geben wird.  Rektor Heinz Engel etwa, von der Universität Wien, antwortet darauf:

Gar nicht! Es soll vielleicht auch keine Universität wie früher geben. Es schaut nach einer Mischung aus Präsenz und Digital aus. Dazu würden nun verschiedene Arbeitsgruppen eingerichtet. …….Man müsste nicht alles in einer großen Vorlesung erzählen. Manches ginge auch digital. Jedoch seien auch der Erfahrungshintergrund und die Persönlichkeit des Lehrenden wichtig. ……Es hätten in den letzten zwei Jahren die Prüfungsaktivitäten sowie die Prüfungserfolge dennoch zugenommen. Wo die Defizite liegen, sei allerdings noch nicht klar. …..Trotz der Berufung von inzwischen 70 neuen Professoren sei aber der erhoffte Erfolg, dh dass diese nicht nur hochkarätige Forschung weiter betreiben, sondern auch neue Vernetzungen erschaffen, noch ausgeblieben[1].

Damit stellt sich unweigerlich die Frage, ob diese „neue“ Form nicht jetzt schon wieder vielmehr der „alten“ Form der Universität aus den 70er, 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts gleicht.-nur vielleicht mit höherem Gefahrenpotential des Versagens.

Stephen Hawking gab in einem Interview an in den 60er Jahren gerade mal nicht mehr als 2h pro Woche Physik betrieben zu haben. Zwar wäre er nicht stolz darauf, aber so sei das halt gewesen.

Auch in den 80er/90er Jahren besuchte man, insbesondere in den Massenstudien, ohnehin kaum mehr Vorlesungen. Wer erinnert sich nicht an Einführungsveranstaltungen mit mehreren Hundert Hörern oder Vorlesungen, welche per Lautsprecher in zwei Hörsäle aufgeteilt werden mussten und ein armer Assistent auf der Tafel irgendwas nachkrizelte, was der Professor gerade im anderen Saal sagte.

Viele besuchten lieber, „online“ sozusagen, das nahegelegene Café und holten sich nach der der Vorlesung offline die Mitschrift. Damals also schon eine bewährte Mischung aus on- und offline Universität.

Die Studenten waren nicht dümmer als die heutigen und auch aus ihnen wurden erfolgreiche Absolventen. Woher kämen denn sonst die Professoren von heute? ?

Manche Studien kamen, bis auf die Praktika und Seminare, überhaupt gänzlich ohne Professoren- oder Assistentenkontakt für einen Studenten aus. Diese sah man erst bei einer Prüfung.-wenn überhaupt.

Viele Studien wurden fast gänzlich schriftlich abgewickelt und vorne saß ein Assistent, welcher oft sogar noch samstags die Prüfungen beaufsichtigen musste. Diese Studienrichtungen reduzierten den Studentenkontakt auf ein extremes Minimum. Der Abschluss wurde beinahe ausschließlich durch schriftliche Prüfungen erlangt. Nicht unselten betreute ein Professor, in Massenstudien, bis über 100 Magisterarbeiten und entsprechend viele Doktorate (es gab ja noch das Körbelgeld für Prüfungen und Betreuungen). Die Professoren vernetzten sich ja ohnehin mit ihren Kollegen aus dem Ausland was die Forschung betraf (oder auch manchmal auch nicht). So war es nicht selten, dass viele Professoren von sich aus ihre eigentliche wissenschaftliche Tätigkeiten einstellten aber manchmal sogar einstellen mussten, da es einfach zu viele Studenten gab.

Es ist sicher nicht unvorteilhaft für die Zukunft eine Mischung aus Bewährtem und Neuem zu generieren. Gelingt dies nicht, werden die Studenten abwandern. Universitäten aus dem Ausland haben auf englische Lehrgänge umgestellt. Dadurch erreichen sie mehr Studenten, sind billiger und werden attraktiver für den Studienmarkt. So kann man bequem an renommierten Universitäten studieren, ohne an weniger bekannteren Universitäten sich mit Vorlesungen, überteuerten Wohnungsmieten etc. herum schlagen zu müssen.

Die Konkurrenz am Bildungsmarkt ist größer, schneller, studentenfreundlicher und flexibler geworden als die klassische Universität.

Die Studenten von heute sind selbstbewusster geworden und emanzipierten sich. Über den Sinn und Unsinn von heutigen Vorlesungsevaluation lässt sich trefflich diskutieren. Die Cancel Culture man ein Übriges dazu tun. Aber warum soll man als Student für schlechte Angebote noch überhöhte Preise bezahlen, wenn man auch so, etwa von daheim aus, alles mitverfolgen kann. Wer will schon eine gähnende Vorlesung um 8h früh besuchen, wenn man das Ganze auch angenehmer aufbereitet,  zwei Stunden später, viel mitreißender im online-Modus oder per Aufzeichnung von einem wirklichen Medien-Profi dargelegt bekommt. Wer will sich schon vor Professorenzimmern stundenlang hinstellen, wenn es einen verlässlichen! Emailkontakt (auch der soll ja im Inland manchmal mehr als „mau“ sein) an moderneren, ausländischen Universitäten gibt.

Die Abhängigkeit der Studenten von der klassischen Bildungseinrichtung und ihren Angeboten hat sich massiv reduziert.

Eigentliche Forschung findet heute vernetzt und nur noch wenig auf der Universität statt. Beinahe wöchentlich zeigen Google und andere Giganten, zumindest auf dem Techniksektor, dass der Fortschritt nicht mehr an der Universität stattfindet.

Das Problem ist altbekannt. Noch in den 80er Jahren versuchte man beherzt, auf dem Techniksektor, die Kooperation der Universität mit der Wirtschaft zu verstärken. Dies gelang nur bedingt. Da halfen und helfen auch universitätseigene Patentbüros nur wenig.

Zudem bildet sich die Wirtschaft die Experten selbst aus. Der nächste Schritt wird dahin getan, dass sich die Wirtschaft Universitätslehrgänge selbst kreiert, um so effizienter als die klassische Universität zu sein.

Begabte Studenten suchen sich heute schnell einen anderen Bildungsträger (auch aus der Industrie) und können ihre Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte, viel besser als früher, international wählen.

Erwähnt soll vielleicht auch werden, dass in Indien schon lange private Schulen existieren, welche die Aufnahmeprüfungen etwa für Harvard oder das MIT vorbereiten. Die Studentenzahlen dieser Schulen belaufen sich auf knapp 1000 oder darüber pro privates Bildungsinstitut. Die Erfolgsquoten liegen bei 70% und mehr.

Warum soll ein flexibler Maturant/Abiturient langwierige Aufnahmetests oder NC-Einschränkungen auf sich nehmen, wenn er bequem und mit weniger Mühen absolute Spitzenuniversitäten besuchen kann? Das System ist zudem nicht nur auf Harvard oder MIT beschränkt. Professionelle, private Unternahmen bieten dies für beinahe jede Universität an, welche zahlende Studenten nimmt. Insbesondere im Bereich der Medizin und technischen Fächern boomte diese Entwicklung in den letzten Jahren. In den letzten Jahren eröffneten etwa österreichische Universitäten sog. Dependancen in Deutschland um Studien anzubieten, welche dort den berüchtigten NC-Einschränkungen unterliegen.

Europa laufen nunmehr die Absolventen auf Jahrzehnte hinaus davon. Prognosen haben der klassischen Universität, vor einiger Zeit, noch wenig mehr als 20 weitere Jahre gegeben. Corona bzw. Covid scheinen diese großzügig geschätzte Zahl wohl noch weiter verkürzen, wenn die Universitäten nicht entgegensteuern lernen.

[1] Kursorisch wiedergegeben.

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