Man könnte meinen, dass die Jugend von heute, die buchstäblich mit einem Smartphone in der Hand geboren wurde, in der digitalen Welt mühelos navigiert. Doch wie die aktuelle ICILS-Studie (International Computer and Information Literacy Study) zeigt, ist dieser Mythos vom „Digital Native“ brüchiger als ein altes Handy-Display. Dirk Hastedt, Geschäftsführer der International Association of Educational Achievement (IEA), bringt es auf den Punkt: „Die Jugend kann wischen und klicken, aber das war’s dann auch.“ In Deutschland sind laut Studie immerhin 40 Prozent der Jugendlichen auf diesem bescheidenen Level unterwegs.
Wischen ist nicht gleich Wissen
Nur weil Jugendliche täglich soziale Medien nutzen, bedeutet das noch lange nicht, dass sie auch echte Digitalkompetenzen besitzen. „Es reicht eben nicht, nur Selfies zu machen oder Katzenvideos zu teilen“, so Hastedt. Die Studie untersuchte, wie gut Achtklässler mit Computern umgehen, Informationen recherchieren und kritisch mit digitalen Medien arbeiten können. Die Ergebnisse sind ernüchternd: Ein Drittel der Jugendlichen in Österreich beherrscht nicht einmal die grundlegenden Fähigkeiten im Umgang mit Computer und Internet. Im internationalen Vergleich schneiden etwa 50 Prozent der Jugendlichen gerade mal auf Kompetenzstufe 1 ab – also: „Absolut minimaler Skill.“
High Score? Fehlanzeige!
Auf der höchsten Kompetenzstufe, die eine eigenständige Problemlösung erfordert, befindet sich in Österreich gerade mal ein Prozent der Schüler. Ein echtes Trauerspiel, wenn man bedenkt, dass die EU bis 2030 eigentlich erreichen möchte, dass nur noch 15 Prozent der Jugendlichen unter Stufe 2 landen. Bildungsminister Martin Polaschek sieht trotzdem Licht am Ende des digitalen Tunnels. „Wir sind auf einem guten Weg“, verkündete er stolz. Dabei schob er die Schuld für die Defizite elegant beiseite: „Die getesteten Jugendlichen haben noch nicht von unserer Geräteinitiative profitiert.“ Klar, jetzt sind also die fehlenden Laptops schuld.
Bildungspolitik: Copy & Paste von gestern?
Experten im Bildungsministerium räumen allerdings ein, dass es vor allem bei den Lehrkräften hapert. Zwar gibt es bereits Fortbildungen für Pädagogen, doch viele Lehrer wissen mit den neuen Geräten kaum mehr anzufangen als ihre Schüler. Hastedt betont: „Digitale Kompetenzen gehören nicht nur in die Lehrpläne, sie müssen auch geprüft werden.“ Sonst bleibt es bei PowerPoint-Präsentationen voller Cliparts und fragwürdigen Schriftarten.
Herkunft und Status drücken auf die Punkte
Die Studie zeigt auch: Wer zu Hause nicht Deutsch spricht oder aus sozial benachteiligten Verhältnissen kommt, startet digital mit einer Schiefertafel statt mit einem Tablet. Schüler mit Migrationshintergrund schneiden im Durchschnitt deutlich schlechter ab – ein Rückstand von bis zu 58 Punkten beim sogenannten „Computational Thinking“, also dem Verständnis, wie Computer eigentlich funktionieren.
Was nun?
Ein erster Schritt in die richtige Richtung wäre, Lehrkräfte besser auszubilden und zu motivieren. Gleichzeitig könnten Eltern einen Beitrag leisten, indem sie ihre Kinder nicht nur zum Spielen an den Computer lassen, sondern auch mal den Umgang mit Sicherheits- und Privatsphäre-Einstellungen üben. Denn: Digitales Wissen wächst nicht von allein – selbst in der Generation der „Always-On“-Kids.S
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