München, 19.08.2021. Anleger der insolventen Selfmade Capital-, New Capital Invest- und Euro Grundinvest-Fonds, die über die Vermittlung „dima24“ angeworben wurden, haben in den bislang eröffneten Insolvenzverfahren Forderungen in Höhe von rd. 30 Millionen zur Tabelle angemeldet.
Die Forderungen wurden weitestgehend bestritten. Gestern sprach die 6. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München I den Initiator und Hintermann der Vermittlungs- und Fondsgesellschaften des gewerbsmäßigen Betrugs für schuldig. Wird das Urteil rechtskräftig, können Anleger, die sich bei ihrer Forderungsanmeldung auf Betrug gestützt haben, mit der nachträglichen Anerkennung ihrer Forderung rechnen. Ob und in welcher Höhe auf sie eine Insolvenzquote entfallen wird, hängt vom jeweiligen Fonds ab.
Rund 80 Gesellschaften gehörten zu dem undurchsichtigen Unternehmenskonstrukt um die insgesamt 25 Fonds der „Selfmade Capital“-, „New Capital Invest“- und „Euro Grundinvest“-Gruppen, mit denen fast eine Viertel Milliarde Euro Anlegergelder eingeworben wurden, überwiegend Einzelanlagen zwischen 15.000 und 50.000 Euro. Vermittelt wurden die Fondsanlagen im Telefonvertrieb von der ‚dima24 ‘-Gruppe. Ein Teil der Anlagesumme wurde den Anlegern anfänglich zurückbezahlt, wodurch – medial wirksam – Gewinne und Erfolge vorgespiegelt und Anleger zu weiteren und höheren Investitionen gelockt wurden. Tatsächlich waren Investitionsziele und Renditeerwartungen weitgehend frei erfunden. Wirtschaftlich tragfähige Konzepte existierten nicht. Dass hinter den verschiedenen Fonds und der Vermittlung ‚dima24‘ und sogar hinter positiven Analysten- und Medienberichten ein und dieselbe Person stand, die sich verschiedenster Pseudonyme bediente, wussten die Anleger nicht. Der Großteil der investierten Gelder ist verschwunden. Ein relevanter Teil wurde im kostspieligen Betrieb etwa für Vertriebs-, Personal-, Miet- und Rechtsberatungskosten sowie Provisionen verbraucht. Hinsichtlich der meisten Gelder verliert sich aber jede Spur angesichts mehrfacher Transaktionen über Ländergrenzen hinweg und durch den Einsatz verschiedener Mittelsfirmen. „Uns ist es in mühseliger Detailarbeit gelungen, bislang immerhin rund 11 Millionen Euro zu sichern, unter anderem auf Konten der Gesellschaften, auf mehreren Golddepots in Liechtenstein und auf Drittkonten in Curacao“, sagt Rechtsanwalt Rolf Pohlmann, den das Amtsgericht München seit 2014 als vorläufigen Insolvenzverwalter bzw. Insolvenzverwalter in der Mehrzahl der Unternehmen eingesetzt hat, nicht ohne Stolz. „Und wir verfolgen seit Jahren intensiv eine sehr konkrete Spur in den Vereinigten Arabischen Emiraten, wohin nach unseren akribischen Ermittlungen letztlich ein erheblicher Teil der Gelder geflossen sein muss“, so Pohlmann weiter. Ob aus den Emiraten noch Massezuflüsse zu generieren sind, hängt zunächst vor allem von dort eingeleiteten Strafermittlungsverfahren und dem weiteren Vorgehen der Behörden vor Ort ab. Einen weiteren Massezufluss in Millionenhöhe erwartet Pohlmann aus einem Rechtsstreit, den er seit 2018 gegen einen anderen Insolvenzverwalter führt und der das Geld an die Ehefrau des verurteilten Fonds-Initiators auszahlen will. „Man muss in diesem ungewöhnlichen Verfahrenskomplex viel Geduld haben und zwischendrin auch Rückschläge hinnehmen, aber Stück für Stück gelingt es dann doch, Gelder aufzuspüren und zu sichern.“, sagt Pohlmann.
Bislang ist nur ein Teil der Insolvenzverfahren eröffnet. Bei zahlreichen Insolvenzverfahren ist noch unklar, ob mit einer die Verfahrenseröffnung rechtfertigenden Wahrscheinlichkeit mit Massezuflüssen gerechnet werden kann. Soweit Insolvenzverfahren eröffnet wurden, haben dort zahlreiche Anleger, oft gemeinschaftlich von Anlegeranwälten vertreten, ihre Forderungen zur Tabelle angemeldet. Diese Forderungen hat der Insolvenzverwalter weitestgehend bestritten, so dass sie nicht als festgestellt gelten und keine Quote auf sie entfallen kann. „Grund hierfür ist, dass eine Forderung eines Gesellschafters auf Rückzahlung angelegten Kapitals grundsätzlich keine Insolvenzforderung ist“, sagt Pohlmann. „Wenn ich zum Beispiel in eine Aktie investiere und die Aktie verliert an Wert, dann hat sich mein Verlustrisiko realisiert und ich kann den Verlust nicht als Schaden gegenüber der Gesellschaft geltend machen“, so Pohlmann weiter. Etwas anderes gilt allerdings, wenn die Anleger im Zeitpunkt der Vermögensanlage bewusst getäuscht wurden. „Wenn sich herausstellt, dass das Konzept gerade darin bestand, die Anleger zu täuschen, damit sie ihr Geld zum eigenen Nachteil investieren, dann lässt sich ein Rückzahlungsanspruch auf Schadensersatz stützen“, sagt der Insolvenzverwalter. „Dass hier strafbare Handlungen vorliegen, hat sich schon von Anfang an abgezeichnet, aber damit eine berechtigte Insolvenzforderung besteht, muss Betrug beim Einwerben der Gelder vorliegen und nicht zum Beispiel erst später eine Untreue“. Das Landgericht München I hat den Initiator und Hintermann der Fonds und Vermittlungsgesellschaften am gestrigen Mittwoch des gewerbsmäßigen Betrugs für schuldig befunden. Er wurde zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und drei Monaten verurteilt. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, beabsichtigt Pohlmann seinen Widerspruch hinsichtlich solcher Forderungen, die sich auf Betrug stützen, nachträglich zurückzunehmen, so dass die Forderungen zur Insolvenztabelle festgestellt wären, ohne dass es einer gerichtlichen Klärung bedürfte. Im Falle der Rücknahme des Widerspruchs erhalten die Anleger in den nächsten Monaten entsprechende Nachricht vom Insolvenzverwalter. Ob die Inhaber festgestellter Forderungen dann mit relevanten Insolvenzquoten rechnen können, hängt aber vom jeweiligen Verfahren ab. Denn die Quote richtet sich immer nach der im jeweiligen einzelnen Insolvenzverfahren realisierten Masse und der Höhe der jeweiligen Gläubigerforderungen. Beides ist bei der Vielzahl der Verfahren stark unterschiedlich. In manchen Verfahren konnte noch gar keine Masse realisiert werden, in anderen Verfahren sind Massen mit mehreren Mio. Euro vorhanden.
Geschädigte Anleger können sich auf der vom Insolvenzverwalter eingerichteten Sonder-Internetseite ‚https://pohlmannhofmann.de/selfmade‘ über den jeweils aktuellen Stand informieren.
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