Redaktion:
Herr Blazek, die BaFin hat eine Allgemeinverfügung zur Abgabe von Diversitätsanzeigen für bedeutende Kreditinstitute veröffentlicht. Was ist der Hintergrund dieser Maßnahme?
Daniel Blazek:
Der unmittelbare Auslöser sind die neuen Leitlinien der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA/GL/2023/08), die seit Juni 2024 verbindlich anzuwenden sind. Diese Leitlinien verpflichten die Aufsichtsbehörden dazu, Informationen über Diversitätsstrategien, das geschlechtsspezifische Lohngefälle und weitere Governance-Aspekte in einer bestimmten Form und zu festgelegten Fristen zu erheben. Da der nationale Gesetzgebungsprozess zur Anpassung von KWG und Anzeigenverordnung nicht rechtzeitig abgeschlossen werden konnte, greift die BaFin nun zu einer Allgemeinverfügung.
Redaktion:
Welche Institute sind konkret betroffen?
Daniel Blazek:
Betroffen sind alle sogenannten bedeutenden CRR-Kreditinstitute im Sinne des § 1 Absatz 3c KWG. Das sind Institute, die entweder eine durchschnittliche Bilanzsumme von über 15 Milliarden Euro in den letzten vier Jahren aufweisen, von der EZB als bedeutend eingestuft wurden oder potenziell systemrelevant sind. Es handelt sich also vor allem um größere Marktteilnehmer mit Relevanz für die Finanzstabilität.
Redaktion:
Was genau wird von den Instituten verlangt?
Daniel Blazek:
Die Institute müssen bis spätestens 30. April 2025 umfangreiche Informationen über ihre Diversitätspraktiken auf Einzelinstitutsbasis bei der Deutschen Bundesbank einreichen. Dies umfasst u. a. Angaben zur Geschlechterverteilung im Leitungsorgan, zur Vergütungspolitik sowie zum Lohngefälle zwischen den Geschlechtern. Die Anzeige hat in einem speziellen elektronischen Format – dem XBRL-Format – zu erfolgen, unter Verwendung von 14 genau spezifizierten Formularen. Der technische Übermittlungsweg läuft über das Extranet der Deutschen Bundesbank.
Redaktion:
Was passiert, wenn ein Institut der Anzeigepflicht nicht nachkommt?
Daniel Blazek:
Dann liegt ein Verstoß gegen eine aufsichtsrechtlich verbindliche Anordnung vor. Die BaFin kann in einem solchen Fall Maßnahmen nach dem Kreditwesengesetz ergreifen – bis hin zu Zwangsgeldern oder anderen verwaltungsrechtlichen Konsequenzen. Außerdem könnte die Nichtabgabe ein negatives Licht auf die Governance-Strukturen des Instituts werfen, was für spätere Prüfungen oder Bewertungen relevant sein kann.
Redaktion:
Wie schätzen Sie die Rechtmäßigkeit dieser Allgemeinverfügung ein?
Daniel Blazek:
Aus rechtlicher Sicht bewegt sich die Verfügung auf einer soliden Grundlage. § 24 Absatz 3b KWG erlaubt der Aufsicht, auch über gesetzliche Pflichten hinausgehende Anzeigen zu verlangen, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Die BaFin hat in der Verfügung ausführlich begründet, warum die Erhebung dieser Daten verhältnismäßig, geeignet und erforderlich ist. Zudem handelt es sich um einen Vorgriff auf eine ohnehin geplante gesetzliche Pflicht, was aus verwaltungsrechtlicher Perspektive durchaus legitim ist.
Redaktion:
Gibt es datenschutzrechtliche Bedenken, insbesondere bei der Erhebung von Informationen zur Geschlechtszugehörigkeit?
Daniel Blazek:
Das Thema wurde adressiert. Die Verfügung stellt klar, dass keine sensiblen personenbezogenen Daten aktiv abgefragt werden. Institute sollen auf Basis vorhandener Informationen im „best effort“-Prinzip berichten – also ohne neue Daten innerhalb des Hauses erheben zu müssen. Die Angaben werden zudem aggregiert und unterliegen der strengen Geheimhaltungspflicht nach Unionsrecht, insbesondere auf Seiten der EBA.
Redaktion:
Wie bewerten Sie die Maßnahme aus Governance- und Aufsichtsperspektive?
Daniel Blazek:
Es ist ein weiterer Schritt in Richtung transparenter und nachhaltiger Unternehmensführung im Finanzsektor. Diversität wird von der EU zunehmend als Qualitätsmerkmal von Governance-Strukturen verstanden. Die Vergleichbarkeit auf europäischer Ebene erfordert harmonisierte Datenformate – das rechtfertigt den technischen Aufwand. Gleichzeitig signalisiert die Maßnahme, dass die BaFin dieses Thema nicht als „weiches“ Thema behandelt, sondern als festen Bestandteil der Aufsichtsmechanismen.
Redaktion:
Was sollten betroffene Institute jetzt tun?
Daniel Blazek:
Zunächst sollten sie prüfen, ob sie unter die Definition eines bedeutenden Instituts fallen. Falls ja, ist es entscheidend, frühzeitig mit der internen Datenerhebung zu beginnen, sich mit den Formularen und dem XBRL-Format vertraut zu machen und die Prozesse zur fristgerechten Einreichung vorzubereiten. Auch eine enge Abstimmung zwischen Compliance, HR, IT und Recht ist empfehlenswert, da es sich um ein interdisziplinäres Thema handelt.
Redaktion:
Herr Blazek, vielen Dank für Ihre Einschätzungen.
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