Kritische Analyse der Bilanz der Draco eG und die Frage nach ihrer genossenschaftlichen Ausrichtung
Die Bilanz der Draco eG wirft einige Fragen auf, insbesondere im Hinblick auf den genossenschaftlichen Charakter des Unternehmens. Eine Genossenschaft soll laut ihrem Grundsatz „Hilfe zur Selbsthilfe“ ihren Mitgliedern wirtschaftliche Vorteile verschaffen und gemeinschaftliche Interessen fördern. Die vorliegende Bilanz scheint jedoch in einigen Punkten eher den Eindruck eines klassischen Unternehmens zu vermitteln, das weniger den genossenschaftlichen Prinzipien folgt.
Kritische Punkte der Bilanz:
- Eigenkapital und Geschäftsguthaben der Mitglieder:
- Das Geschäftsguthaben der Mitglieder beträgt lediglich 159.500 Euro, während der Bilanzgewinn mit 1.005.150,63 Euro auffallend hoch ist. Dieser erhebliche Bilanzgewinn wirft die Frage auf, inwiefern die Mitglieder von diesem Gewinn profitieren und ob die Ausschüttung den genossenschaftlichen Prinzipien entspricht.
- Es bleibt unklar, ob der Gewinn vor allem aus genossenschaftlicher Tätigkeit resultiert oder ob er durch andere Aktivitäten erzielt wurde.
- Verbindlichkeiten und hohe Verschuldung:
- Die Verbindlichkeiten haben sich von 782.051,75 Euro (2021) auf 1.271.472,41 Euro (2022) signifikant erhöht. Die langfristigen Verbindlichkeiten (mehr als ein Jahr) stiegen dabei auf 891.472,71 Euro. Diese Verschuldung wird durch Immobilien und Fahrzeuge abgesichert, was in einer Genossenschaft, die primär der Förderung ihrer Mitglieder dienen sollte, ungewöhnlich hoch erscheint.
- Die Zweckmäßigkeit dieser hohen Kreditaufnahme und deren Nutzen für die Mitglieder bleibt fragwürdig.
- Anlagevermögen:
- Das Anlagevermögen macht mit 2.769.889,55 Euro den Großteil der Aktiva aus. Dies deutet darauf hin, dass die Draco eG stark in Sachanlagen investiert ist. Ob diese Investitionen im Interesse der Mitglieder liegen oder vielmehr den Charakter eines gewinnorientierten Unternehmens widerspiegeln, ist nicht ersichtlich.
- Mitgliederstruktur und fehlende Arbeitnehmer:
- Die Mitgliederliste zeigt eine ungewöhnliche Konstellation, darunter Privatpersonen und juristische Personen, sowie eine Stiftung. Es stellt sich die Frage, ob diese Mitglieder tatsächlich im Sinne einer genossenschaftlichen Selbsthilfe agieren oder ob hier andere Interessen im Vordergrund stehen.
- Auffällig ist zudem, dass im Geschäftsjahr keine Arbeitnehmer beschäftigt wurden. Dies wirft Zweifel auf, wie die genossenschaftliche Tätigkeit tatsächlich operativ umgesetzt wird.
- Fehlender Fokus auf genossenschaftliche Leistungen:
- Der Anhang liefert keine Informationen über Leistungen oder Vorteile, die den Mitgliedern direkt zugutekommen. Stattdessen wird von „Beratungsleistungen“ gesprochen, ohne eine klare Verbindung zum genossenschaftlichen Zweck herzustellen.
Kernfrage: Was hat das mit einer Genossenschaft zu tun?
Eine Genossenschaft sollte primär ihre Mitglieder fördern. In der Bilanz der Draco eG ist jedoch kaum erkennbar, wie dieses Ziel erreicht wird. Vielmehr entstehen folgende Fragen:
- Wie profitieren die Mitglieder direkt von den Gewinnen und Investitionen?
- Inwiefern dienen die hohen Verschuldungen und das umfangreiche Anlagevermögen der genossenschaftlichen Idee?
- Warum gibt es keine erkennbaren genossenschaftlichen Tätigkeiten oder Leistungen, die den Mitgliedern zugutekommen?
Zusammenfassung:
Die vorgelegte Bilanz vermittelt den Eindruck, dass die Draco eG mehr wie ein gewinnorientiertes Unternehmen agiert und weniger wie eine Genossenschaft, die ihre Mitglieder unterstützt. Die genossenschaftliche Ausrichtung ist weder in der Struktur der Bilanz noch in der Tätigkeit erkennbar. Eine klare Antwort darauf, was dies mit einer Genossenschaft zu tun hat, bleibt der Jahresabschluss schuldig.
Ganz so kritisch wie Sie es darstellen, ist es nicht.
Grundsätzliches zum genossenschaftlichen Förderzweck
1. Eine Genossenschaft muss nicht zwingend Arbeitnehmer beschäftigen, um ihren Förderzweck zu erreichen. Die Umsetzung des Förderzwecks kann je nach Art der Genossenschaft variieren. Es kann aber sein, dass eine Genossenschaft den Förderzweck alleine dadurch erfüllt, ihren Mitgliedern einen gesicherten Arbeitsplatz zu bieten. Dies ist jedoch nur eine Art von Genossenschaft. Andere bieten ihren Mitgliedern Wohnungen, Bildung, Einkaufsvorteile usw.
2. Der Hauptzweck einer Genossenschaft ist nicht die Gewinnmaximierung, sondern die Förderung ihrer Mitglieder durch den gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb.
3. Es ist nicht zulässig, eine Genossenschaft ausschließlich auf Gewinnausschüttung auszurichten (sogenannte Dividendengenossenschaften).
4. Der Förderzweck ist in § 1 Abs. 1 des Genossenschaftsgesetzes (GenG) verankert, wonach Genossenschaften den „Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb“ fördern sollen.
Relevante Gerichtsurteile
1. OLG Nürnberg, Endurteil vom 23.06.2020 – 3 U 730/19:
– Klauseln zur Erhebung eines „Agios“ oder zur Verrechnung von Verwaltungskosten sind nicht geeignet, den Förderzweck zu erfüllen.
– Eine mittelbare Förderung des Genossenschaftszwecks ist nicht ausreichend.
– Regelungen müssen Rechte und Pflichten begründen, die unmittelbar der Verwirklichung des Gesellschaftszwecks dienen.
2. BGH, Urteil vom 11.11.1991 – II ZR 44/91:
– Club-Gebühren und Club-Leistungen, die lediglich die Mitgliedschaft attraktiver machen sollen, reichen nicht aus, um den Förderzweck zu erfüllen.
3. BGH, Urteil vom 18.12.1978 – II ZR 189/77:
– Genossenschaftsmitglieder dürfen nicht zur Zahlung allgemeiner Betriebskosten herangezogen werden.
– Dies unterstreicht die Bedeutung des Förderzwecks gegenüber rein finanziellen Interessen der Genossenschaft.
Schlussfolgerungen
– Der Förderzweck muss konkret und unmittelbar umgesetzt werden.
– Maßnahmen, die nur mittelbar oder indirekt dem Förderzweck dienen, werden von Gerichten kritisch betrachtet.
– Genossenschaften müssen sicherstellen, dass ihre Aktivitäten und Regelungen direkt zur Förderung ihrer Mitglieder beitragen.
– Der Fokus sollte nicht primär auf der Deckung von Kosten oder der Attraktivität für potenzielle neue Mitglieder liegen.
Diese kurze Zusammenfassung verdeutlicht die rechtlichen Anforderungen an Genossenschaften bezüglich der Umsetzung ihres Förderzwecks und bietet einen Überblick über relevante Gerichtsentscheidungen zu diesem Thema.
Aus der von Ihnen rhetorisch gestellten Frage lässt daher sich nicht einfach der Schluss ziehen, dass der Förderzweck dieser Genossenschaft möglicherweise nicht erfüllt sei. Eine Genossenschaft muss naturgemäß aus dem Geschäftsbetrieb Gewinne machen, um den Förderzweck für ihre Mitglieder erfüllen zu können. Woher sollen denn sonst die Mittel herkommen, wenn nicht aus genossenschaftlicher Geschäftstätigkeit?