Die griechische Insel Santorini ist weltberühmt für ihre weiß getünchten Häuser, blauen Kuppeln und spektakulären Sonnenuntergänge – doch unter der malerischen Oberfläche brodelt es gefährlich: Die Caldera der Insel ist Überbleibsel eines gewaltigen Vulkanausbruchs um 1600 v. Chr. – und nun untersuchen Wissenschaftler erstmals gezielt, wie groß die Gefahr eines neuen „großen Knalls“ wirklich ist.
BBC News begleitete Forscher der britischen Forschungseinrichtung National Oceanography Centre auf dem Spezialschiff RRS Discovery, das aktuell das vulkanisch aktive Meeresgebiet rund um Santorini untersucht.
Vulkangefahr im Urlaubsparadies
Nur wenige Wochen vor Beginn der Expedition hatten heftige Erdbeben Tausende Einwohner in Angst versetzt – fast die Hälfte der rund 11.000 Bewohner floh zwischenzeitlich von der Insel. Es war eine eindringliche Erinnerung daran, dass unter Gyros-Tavernen und Luxusresorts zwei tektonische Platten aufeinandertreffen – und die Ruhe trügerisch sein kann.
„Unterwasservulkane gelten oft als vergessen – aus den Augen, aus dem Sinn“, erklärt Professorin Isobel Yeo, Leiterin der Mission. Dabei seien sie für einige der zerstörerischsten Ausbrüche der Erdgeschichte verantwortlich. „Die Gefahr ist real. Nur weil der letzte Ausbruch 1950 war, heißt das nicht, dass der nächste harmlos sein wird.“
Roboter taucht in die Tiefe – auf Spurensuche im Meeresboden
Die Wissenschaftler erforschen die Hydrothermalfelder rund um die Caldera – heiße Quellen in 300 Metern Tiefe, aus denen dampfende Flüssigkeiten und Gase austreten. Diese Zonen sind oft Vorboten für vulkanische Aktivität. Ein Tauchroboter sammelt Proben vom Meeresboden, misst Temperaturen und analysiert Gase – alles Hinweise darauf, wie aktiv das unterseeische Vulkansystem wirklich ist.
Die größte offene Frage: Macht das heiße Wasser Vulkanausbrüche wahrscheinlicher – oder kann es sie sogar abschwächen? „Das müssen wir verstehen, um Gefahren besser vorherzusagen“, sagt Yeo.
Zwei Vulkane im Fokus
Neben der berühmten Santorini-Caldera gilt der nahegelegene Unterwasservulkan Kolumbo, etwa 7 Kilometer nordöstlich der Insel, als weitere potenzielle Gefahr. Beide gelten derzeit als „nicht unmittelbar ausbruchsgefährdet“ – doch das könne sich ändern, betonen die Forscher. Ziel der Mission ist es, Gefahrenkarten für die griechische Katastrophenschutzbehörde zu erstellen.
Prof. Paraskevi Nomikou, Geologin aus Santorini und Mitglied der Notfallgruppe, betont: „Diese Forschung hilft nicht nur der Wissenschaft, sondern den Menschen vor Ort – sie zeigt, welche Zonen bei einem Ausbruch gesperrt werden müssten.“
Zwischen Wissenschaft und Hochzeiten
Während auf dem Forschungsschiff in Zwölf-Stunden-Schichten rund um die Uhr gearbeitet wird, geht das Leben auf Santorini weiter – wenn auch verhaltener. Die Fotografin Eva Rendl, die auf der Insel Hochzeitspaare fotografiert, berichtet von stornierten Buchungen nach den jüngsten Erdbeben. „Es war beängstigend. Viele Kunden haben ihre Reisen abgesagt.“
Doch nicht alle lassen sich abschrecken: Das frisch verheiratete Paar Tom und Kristina reiste extra aus Lettland an – mit einem ungewöhnlichen Wunsch: „Wir wollten unbedingt bei einem Vulkan heiraten“, sagt Tom lachend.
Wissenschaft für mehr Sicherheit
Zurück auf dem Forschungsschiff werten die Geologen ihre Daten aus. Ein Joystick, wie aus einem Videospiel, steuert den Tauchroboter. Die Bewegungen von Flüssigkeiten durch das Gestein werden durch elektromagnetische Impulse sichtbar gemacht – so entsteht eine 3D-Karte des verborgenen Vulkansystems unter der Insel.
Ein Ziel ist klar: „Wir machen diese Wissenschaft nicht für uns – sondern für die Menschen“, sagt Nomikou. Die Forschung soll helfen, das Risiko besser zu verstehen, rechtzeitig zu warnen – und dafür zu sorgen, dass Santorini ein sicherer Ort bleibt.
Fakten: Santorini und der Vulkan
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Die heutige Form der Insel entstand durch einen massiven Ausbruch um 1600 v. Chr. – einer der stärksten bekannten Vulkanausbrüche.
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Die Santorini-Caldera ist der sichtbare Kraterrand dieses Ur-Ausbruchs.
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Der Unterwasservulkan Kolumbo ist der aktivste in der Ägäis; sein letzter Ausbruch war 1650.
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Wissenschaftler warnen: Je länger ein Vulkan „schläft“, desto schwerer können die Folgen beim nächsten Ausbruch sein.
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