Das Landratsamt im Erzgebirgskreis hat bis Juli Kündigungsschreiben für 650 Wohnungen zwischen Aue, Zschopau und Marienberg verschickt. Dies betrifft etwa 1700 Ukrainer, die aufgefordert werden, innerhalb von vier Wochen eine neue Bleibe zu finden. Andernfalls droht ihnen die Räumung.
Hintergrund der Maßnahme
Landrat Rico Anton (46, CDU) erklärt, dass der Landkreis dringend seine sogenannten Gewährwohnungen für andere Flüchtlinge, darunter Menschen aus Syrien, Afghanistan und der Türkei, zurückbenötigt. Diese Asylbewerber durchlaufen in der Region ein Asylverfahren und die Kapazitäten sind derzeit zu 90 Prozent ausgelastet.
Ukrainische Kriegsflüchtlinge gelten als anerkannte Kriegsflüchtlinge und erhalten keine Asylbewerberleistungen, sondern Bürgergeld, wie bedürftige deutsche Staatsbürger. Dies bedeutet, dass sie selbst für ihren Wohnraum sorgen müssen.
Aufforderung zum Umzug
Nach Beginn des Krieges in der Ukraine 2022 hatte der Landkreis die ukrainischen Flüchtlinge unbürokratisch in den Asyl-Wohnungen untergebracht. Die Bewohner wurden bereits vor einiger Zeit aufgefordert, sich nach einer neuen Wohnung umzusehen. In einem Schreiben, das die Lokalzeitung „Freie Presse“ zitiert, heißt es: „Aus diesem Grund fordern wir Sie hiermit dazu auf, sich umgehend eigenen Wohnraum zu suchen und die Ihnen zur Verfügung gestellte Wohnung bis zum 15. Juni, 12 Uhr, zu verlassen. Ab diesem Datum widerrufen wir die Nutzung der Wohnung.“
Fehlbelegungen und politische Auswirkungen
Ein Sprecher des Landratsamts spricht von einer Fehlbelegung und betont, dass der Landkreis für Asylbewerber keine Unterkünfte mehr hat, was zu Zeltstädten oder Container-Dörfern führen könnte. Landrat Anton warnt seit Monaten vor dieser Entwicklung.
In Sachsen stehen zudem bedeutende Wahlen bevor: die Europawahl im Juni, die Kommunalwahlen im September und die Landtagswahl. Umfragen sehen die rechtsorientierte Partei AfD bei 34 Prozent. Das Erzgebirge gilt als Hochburg der rechtsextremen Freien Sachsen. Ein Insider äußert gegenüber BILD die Sorge, dass Zeltstädte im ländlichen Raum den rechtsextremen Parteien Auftrieb geben könnten.
Leerstände und potenzielle Lösungen
Die Wohnungsgenossenschaft Wismut Aue/Lößnitz, die hauptsächlich Plattenbauten aus DDR-Zeiten im Bestand hat, berichtet von einem strukturellen Leerstand von etwa 19 bis 20 Prozent. Vorstandsvorsitzender Jörg Arnold (47) erklärt, dass erste Anfragen von Ukrainern bereits eingegangen seien. Allerdings können die leer stehenden Wohnungen nicht sofort bezogen werden, da sie zuerst hergerichtet oder saniert werden müssen, was etwa zwei Monate dauern kann.
Für die Genossenschaft, die insgesamt 2300 Wohnungen verwaltet, bietet der Plan des Landkreises eine Chance, ihren Leerstand zu reduzieren.
Ein angemessener Umgang mit Flüchtlingen?
Die Maßnahmen des Landratsamts werfen die Frage auf, ob dies der richtige Weg ist, mit Flüchtlingen umzugehen. Kritiker könnten argumentieren, dass die kurzfristige Kündigung von Wohnungen für ukrainische Flüchtlinge, die sich bereits in einer prekären Lage befinden, unmenschlich erscheint. Andererseits sieht der Landkreis sich gezwungen, die begrenzten Ressourcen gerecht zu verteilen und auf die steigenden Asylbewerberzahlen zu reagieren.
Die Situation stellt eine komplexe Herausforderung dar, die sowohl humanitäre als auch logistische Aspekte berücksichtigt. Ob dies der richtige Umgang mit den betroffenen Menschen ist, bleibt eine offene Frage, die sowohl politisch als auch gesellschaftlich weiter diskutiert werden muss.
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