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„Ein Desaster mit Ansage“ – Interview mit Thomas Bremer zur Entwicklung der DEGAG 2 und den offenen Fragen rund um Aufsicht, Verantwortung und mögliche strafrechtliche Relevanz

manfredsteger (CC0), Pixabay
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Herr Bremer, die Entwicklungen rund um DEGAG 2 werfen viele Fragen auf. Beginnen wir mit dem Offensichtlichen: War das Ganze ein geplantes Schneeballsystem oder eher eine wirtschaftliche Fehleinschätzung?

Thomas Bremer:
Nach allem, was wir derzeit wissen, deutet nichts darauf hin, dass hier von Anfang an ein betrügerisches Schneeballsystem geplant war. Vielmehr spricht vieles für eine massive Fehleinschätzung des Marktes – insbesondere bei DEGAG 2. Während DEGAG 1 in einer Boomphase erfolgreich war, geriet DEGAG 2 in eine völlig andere Marktphase: steigende Zinsen, sinkende Immobilienpreise – das ist für ein auf Veräußerungsgewinne angewiesenes Geschäftsmodell tödlich.

Trotzdem bleibt der Verdacht, dass später Anlegergelder zur Finanzierung laufender Rückzahlungen verwendet wurden. Wäre das strafrechtlich relevant?

Bremer:
Wenn tatsächlich neue Anlegergelder genutzt wurden, um Zinszahlungen oder Rückflüsse an frühere Anleger zu leisten – und dies nicht transparent und korrekt im Prospekt dargestellt wurde –, dann bewegt man sich sehr schnell im Bereich des sogenannten Schneeballsystems. Das ist nicht nur zivilrechtlich heikel, sondern kann unter Umständen strafrechtlich relevant sein – Stichwort Betrug oder Untreue.

Aber: Es braucht dafür konkrete Beweise, etwa Kontobewegungen oder interne Kommunikation. Diese müssen nun durch Insolvenzverwalter oder Ermittlungsbehörden geprüft werden.

Welche Rolle spielt Birger D. in diesem Konstrukt? Offiziell war er nur Berater, aber…

Bremer (lacht):
…offiziell. Das ist das Stichwort. Wenn ein „Berater“ faktisch alle Fäden zieht, das Backoffice kontrolliert, Immobilien einbringt und sogar zusätzlich Millionenbeträge bereitstellt, dann ist das kein neutraler Berater mehr. Dann ist das eine wirtschaftlich führende Rolle – mit allen Konsequenzen.

Die spannende Frage ist: Warum war er so stark involviert, obwohl er angeblich keinen operativen Einfluss hatte? Wer gibt als Berater freiwillig einen mittleren achtstelligen Betrag in ein angeschlagenes Unternehmen? Das macht niemand ohne Einfluss.

Und was ist mit dem Aufsichtsrat? Laut Bericht scheint er eher dekorativ gewesen zu sein.

Bremer:
Das ist leider keine Seltenheit. Aber genau das ist das Problem. Der Aufsichtsrat ist kein Grüßaugust, sondern ein zentrales Kontrollorgan. Seine Aufgabe ist es, den Vorstand zu überwachen, Entwicklungen kritisch zu hinterfragen, Einsicht in Unterlagen zu nehmen – und im Zweifel auch die Reißleine zu ziehen.

Wenn das nicht passiert, kann das haftungs- und sogar strafrechtliche Folgen haben. § 116 AktG sagt klar: Auch Aufsichtsräte haften, wenn sie ihre Pflichten grob verletzen. Und bei einem derartigen Desaster – mit dem Verdacht auf fehlerhafte Mittelverwendung, möglicher Insolvenzverschleppung und fehlender Transparenz – stellt sich schon die Frage: Wo war der Aufsichtsrat in all dem?

Was bedeutet das für Anleger? Gibt es realistische Chancen, ihr Geld zurückzubekommen?

Bremer:
Das hängt stark vom Stand der Insolvenz ab. Wenn verwertbare Vermögenswerte vorhanden sind – etwa Immobilien oder Rückflüsse aus noch laufenden Projekten –, dann gibt es zumindest Aussicht auf eine Quote. Wie hoch diese ausfallen wird, ist derzeit schwer zu sagen.

Ich rate betroffenen Anlegern dringend, sich professionell vertreten zu lassen – sei es durch einen spezialisierten Anwalt oder über einen Anlegerverband. Denn nur wer aktiv wird, kann überhaupt Ansprüche geltend machen.

Was halten Sie von der Argumentation, dass DEGAG 2 einfach Pech hatte, weil sich der Markt gedreht hat?

Bremer:
Das ist nur ein Teil der Wahrheit. Ja, der Markt hat sich gedreht – aber: Wer in einem hochsensiblen Bereich wie dem Immobilieninvestment tätig ist, muss Szenarien mitdenken, muss Reserven haben, muss auch in Krisenzeiten stabil bleiben. Und vor allem muss er transparent mit den Anlegern kommunizieren.

Wenn man alles auf eine Karte setzt – steigende Preise –, und dann keine Notstrategie hat, ist das kein Pech, sondern schlechtes Risikomanagement. Und wenn dabei Gelder verschoben werden, Verträge gebrochen werden oder Anleger getäuscht werden, dann wird aus schlechtem Management sehr schnell ein Fall für die Staatsanwaltschaft.

Ihr Fazit zur aktuellen Lage der DEGAG 2?

Bremer:
Ein Desaster – sowohl wirtschaftlich als auch kommunikativ. DEGAG 1 war offenbar ein echtes Erfolgsmodell. Aber es wurde der Fehler gemacht, dieses Modell blind zu kopieren, ohne die geänderten Rahmenbedingungen zu beachten.

Jetzt müssen Gerichte, Insolvenzverwalter und Behörden klären, ob hier nur falsch kalkuliert oder auch falsch gehandelt wurde. Für die betroffenen Anleger geht es um viel – emotional, finanziell und juristisch.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Bremer.

Thomas Bremer:
Gern geschehen – und ich hoffe, dass viele Anleger daraus lernen: Gute Renditen sind schön, aber ohne Transparenz, Kontrolle und kritisches Nachfragen wird aus dem Investment schnell ein Albtraum.

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