Da werden sich einige Gerichte umstellen müssen. Auch wir lassen derzeit einige Verfahren, die wir noch am laufen haben, daraufhin überprüfen, in wie weit dieses Urteil Anwendung gefunden hat und wo nicht. Da kann man dem Bundesverfassungsgericht nur DANKE sagen.
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der (…)-GmbH & Co. KG, vertreten durch die (…)-GmbH, vertreten durch den (…), |
– Bevollmächtigte:
- (…) –
gegen | den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 28. März 2023 – 27 O 160/23 – |
hier: | Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung |
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Harbarth,
die Richterin Härtel
und den Richter Eifert
am 24. Mai 2023 einstimmig beschlossen:
- Der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 28. März 2023 – 27 O 160/23 – verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht auf prozessuale Waffengleichheit gemäß Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Seine Wirksamkeit wird bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache oder bis zu einer erneuten Entscheidung des Landgerichts, längstens jedoch für die Dauer von sechs Monaten ausgesetzt.
- Das Land Berlin hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen im Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstatten.
G r ü n d e :
I.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde und ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wendet sich die Beschwerdeführerin gegen eine durch das Landgericht Berlin im Ausgangsverfahren erlassene einstweilige Verfügung, mit der der Beschwerdeführerin auf Antrag der Band (…) (im Folgenden: Antragstellerin) und des Sängers (…) (im Folgenden: Antragsteller) eine Berichterstattung in dem von ihr verantworteten online-Portal www.(…).de untersagt wurde.
1. Die Beschwerdeführerin ist Diensteanbieterin des online-Portals www.(…).de, auf dem sie am 12. März 2023 über die Absage des Rappers (…) berichtete, als Vorgruppe für die Band (…) aufzutreten, deren Sänger (…) ist.
a) Der Absage voraus gingen im Jahr 2022 Veröffentlichungen unbekannter Personen, die auf der Internetseite (…).org unter dem Profilnamen „(…)“ in den sozialen Netzwerken Twitter und Instagram zwischen Juni und August 2022 anonym Gewalt- und Missbrauchsvorwürfe gegenüber der Antragstellerin und dem Antragsteller erhoben, nach denen es gegen den Antragsteller beziehungsweise Mitglieder der Antragstellerin Anschuldigungen sexualisierter Gewalt und des Machtmissbrauchs gebe und der Antragsteller „ein Täter“ sei. Über die Vorwürfe berichteten im Jahr 2022 deutschlandweit zahlreiche Medien.
b) Während die ursprünglichen Vorwürfe inzwischen gelöscht sind, nahm die Antragstellerin – und nimmt sie weiterhin – zu diesen auf Instagram wie folgt Stellung:
„Viele von euch haben mitbekommen, dass im Netz diffuse Anschuldigungen und Gerüchte gegen (…) und die Band vorgebracht wurden. Als die Anschuldigungen aufkamen, waren wir zunächst überfordert.
Wie geht man mit einer anonymen Internetseite um, die sich zuvor nie bei uns gemeldet hat und bei der man den Eindruck hat, dass es in erster Linie um Zerstörung geht? So viele Gerüchte, so wenig Wissen, so viel Internet. Allein, dass Leute behaupten, dass (…) und (…) wegen solcher Vorwürfe die Band verlassen haben, ist totaler Quatsch.
Der erste Impuls, den wir hatten, als die Vorwürfe gegen uns auftauchten, war einfach nur zu sagen – ‚Lasst uns in Ruhe! Das stimmt alles nicht.‘ Aber so einfach wollen und können wir es uns bei dem Thema nicht machen.“
c) Unter dem Titel „Kein Voract für (…): (…) sagt Auftritte ab“ veröffentlichte die Beschwerdeführerin am 10. März 2023 folgenden Beitrag (im untersagten Umfang unterstrichen):
„Erst Anfang März verkündete die Band (…), dass sie neun Open-Air-Shows spielen werden. Bei dreien sollte der Rapper (…) als Voract auftreten. Der Musiker sagte die Auftritte jedoch kurz nach der Verkündung ab – wegen Vorwürfen von sexualisierter Gewalt gegen den Frontsänger der Band.
Eigentlich wollten sie zusammen in drei von neun Städten im Sommer 2023 auf Tour gehen: Die Band (…) und der Rapper (…). Doch kurz nach der Verkündung, ruderte der Voract wieder zurück. In seiner Instagram-Story erklärte (…), wie (…) mit bürgerlichen Namen heißt, die Zusammenarbeit mit (…) für beendet. Grund dafür sind Vorwürfe des Instagramaccounts ‚(…)‘.
Dieser beschrieb den Frontmann (…), genannt ‚(…)‘, im letzten Jahr in einem Instagram-Post als ‚gewalttätig‘ und ‚narzisstisch‘. Sie beschuldigten ihn zudem, sexuell übergriffig geworden zu sein und seine Macht dafür ausgenutzt zu haben. Mittlerweile ist ihre Instagramseite nicht mehr online. Nach den Vorwürfen gegen (…) solidarisierten sich unter anderem der Verein (…) und die (…) aus Rostock mit den Opfern. ‚Wir glauben den Betroffenen und stehen an ihrer Seite!‘, schrieben Beteiligte der (…) ‚(…)‘ auf Instagram.
(…): ‚Ich bin da so unreflektiert rangegangen‘
Nach Aussagen von (…) seien ihm die Vorwürfe gegen die Band erst wieder bewusst geworden, als er Kritik für seine Zusage seitens seiner Fans erhielt. ‚Ich bin da so unreflektiert rangegangen, wie man nur hätte rangehen können‘, schreibt er auf Instagram. Nach intensiver Auseinandersetzung mit der Thematik, sei er zu dem Entschluss gekommen, nicht spielen zu wollen. ‚Klar ist es schwierig auf anonyme Anschuldigungen im Internet zu reagieren‘, macht der Musiker deutlich. Seiner Meinung nach fehle es seitens der Band dennoch an der nötigen Auseinandersetzung mit den Anschuldigungen.
[Screenshot eines Instagram-Posts von (…) mit folgendem Inhalt:]
‚Vor einiger Zeit wurde ich über mein Management angefragt bei einigen Shows der kommenden Tour von (…) Support zu spielen. Ich habe das ohne weiter darüber nachzudenken zugesagt. Mir war zum Zeitpunkt der Zusage die Tragweite der Vorwürfe gegen die Band nicht bekannt und die Vorwürfe als solches überhaupt nicht mehr präsent. Sie wurden mir erst wieder bewusst, als ich bekannt gegeben habe, dass ich da spiele. Ich bin da so unreflektiert rangegangen, wie man nur hätte rangehen können. Vollkommen unreflektiert. Dafür entschuldige ich mich.
Ich habe mich die letzten Tage intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt und bin für mich zu dem Schluss gekommen, dass ich die Shows nicht spielen will und werde. Dabei kann und will ich mich nicht als Richter aufspielen und über die verschiedenen Tatkomplexe urteilen. Ich bin aber der Überzeugung, dass wir einen korrekten Umgang mit solchen Vorwürfen brauchen und sie ernst nehmen müssen. Klar ist es schwierig auf anonyme Anschuldigungen im Internet zu reagieren, aber auch hier geht es um einen öffentlich transparenten Willen zur Aufarbeitung und dazu kommt mir von der Band zu wenig.
Aktuell gibt es für mich keinen anderen Weg als diesen.
Euer (…)‘
Die Musik des 29-Jährigen zeichnet sich unter anderem durch feministische Texte aus. In dem Musikvideo zu seinem Song ‚(…)‘ übernahm die feministisch-aktivistische Fotografin ‚(…)‘ die Hauptrolle. Auch der Liedtext setzt sich mit den Problemen patriarchaler Strukturen auseinander. Zeilen wie ‚(…)‘ machen auf Missstände aufmerksam und verdeutlichen die Objektifizierung und Sexualisierung von weiblich gelesenen Personen. Daher zeigten sich einige Fans verwundert über die Zusage, mit (…).
Band wies die Vorwürfe zurück
Die Band (…) wies im vergangenen Jahr die Vorwürfe der sexualisierten Gewalt gegen ihren Frontsänger zurück: ‚Es gibt keine Fälle der sexualisierten Gewalt, die von uns ausging und derer wir uns bewusst sind.‘ Nichtsdestotrotz wollten die (…) Musiker einige Änderungen vornehmen. ‚Wir können einfach nicht behaupten, dass wir noch nie respektlos, peinlich oder sexistisch gegenüber Frauen gewesen sind‘, erklärten sie in ihrem Instagram-Statement. Zu der Absage von (…) äußerten sich die Mitglieder bisher noch nicht öffentlich.“
2. Einem außergerichtlichen Unterlassungsbegehren der Antragsteller kam die Beschwerdeführerin nicht nach.
a) Durch Schreiben von Montag, dem 13. März 2023, forderten die Antragsteller die Beschwerdeführerin zur Abgabe strafbewehrter Unterlassungserklärungen bis spätestens am Folgetag, Dienstag, 14. März 2023, um 12:00 Uhr, auf. Mangels Reaktion der Beschwerdeführerin wiederholten die Antragsteller ihre Aufforderung unter Setzung einer Nachfrist bis Montag, 20. März 2023, 16:00 Uhr, wobei sie ihrem Schreiben den Entwurf eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beifügten.
b) Durch Schreiben vom 20. März 2023 wies die Beschwerdeführerin das Unterlassungsbegehren zurück.
aa) Sie verwies zunächst darauf, dass die Antragsteller auf Instagram weiterhin und unwahr mit (…) als Vorband würben, und dass sie zu den Vorwürfen weiterhin durch den oben genannten Beitrag auf Instagram Stellung nähmen. Da die Vorwürfe und deren Zurückweisung 2022 ein großes Medienecho ausgelöst hätten und (…) seine Absage öffentlich begründet habe, sei es ihr nicht möglich, über die Gründe dieser Absage zu berichten, ohne gleichzeitig über die Vorwürfe aus dem Jahr 2022 zu informieren, zu denen sich die Antragsteller öffentlich geäußert hätten und weiterhin äußerten. Über die Stellungnahme der Antragsteller habe die Beschwerdeführerin überdies ebenfalls berichtet wie auch darüber, dass die Vorwürfe nicht mehr online seien. Die Vorwürfe habe sie sich daher weder zu eigen gemacht noch unzulässig verbreitet.
bb) Zugleich fertigte die Beschwerdeführerin eine Schutzschrift gleichen Inhalts, in der sie beantragte, einen möglichen Unterlassungsantrag der Antragsteller auf Unterlassung der in der Abmahnung vom 13. März 2023 enthaltenen Äußerungen zurückzuweisen, hilfsweise, über einen solchen nicht ohne mündliche Verhandlung zu beschließen. Die Schutzschrift sowie ein ihr beigefügtes Anlagenkonvolut, das diverse Medienbeiträge über die gegen die Antragsteller erhobenen Vorwürfe im Jahr 2022 enthielt, wurde auf Veranlassung der Beschwerdeführerin ebenfalls am 20. März 2023 im zentralen Schutzschriftregister beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main eingestellt.
3. In der Folgewoche erwirkten die Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Beschwerdeführerin.
a) Am Donnerstag, den 23. März 2023, beantragten sie beim Landgericht Berlin den Erlass einer mit der Abmahnung vom 13. März 2023 übereinstimmenden einstweiligen Verfügung. Ihrem Antrag fügten sie ihre Nachfristsetzung vom 17. März 2023 und das Zurückweisungsschreiben der Beschwerdeführerin von Montag, dem 20. März 2023, bei, zu dem sie sich in ihrer Antragsschrift über vier Seiten hinweg ergänzend äußerten, indem sie die Vorwürfe aus dem Jahr 2022 als bis heute nicht belegt bewerteten, ein ausführliches Statement der Antragstellerin auf Instagram wörtlich wiedergaben und den Aktualitätsbezug der angegriffenen Berichterstattung auch angesichts der Absage des Rappers (…) in Abrede stellten. Ihre Antragsschrift übermittelten die Antragsteller neben dem Gericht auch der Beschwerdeführerin, der sie anheimstellten, gegenüber dem Landgericht ergänzend Stellung zu nehmen.
b) Durch Beschluss von Dienstag, dem 28. März 2023, untersagte das Landgericht der Beschwerdeführerin im Wege der einstweiligen Verfügung „wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung“ die vorstehend unter I. 1. c) unterstrichenen Äußerungen sowie, zu Inhalten des Instagram-Kontos „(…)“ zu verlinken. Zur Begründung führte das Landgericht aus, dass das glaubhaft gemachte tatsächliche und rechtliche Vorbringen in der verbundenen Antragsschrift nebst Anlagen den geltend gemachten Unterlassungsanspruch rechtfertige. Die Kammer habe bei der Abfassung des Tenors von dem ihr nach § 938 Abs. 1 ZPO eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht. Die Antragsteller hätten der Beschwerdeführerin die Antragsschrift am 20. März 2023 und noch einmal am 23. März 2023 zugeleitet. Die Beschwerdeführerin habe am 20. März 2023 Stellung genommen und die Abgabe einer Unterlassungserklärung abgelehnt. Eine Anhörung der Beschwerdeführerin durch das Gericht durch Zuleitung der Antragsschrift sei daher ausnahmsweise entbehrlich gewesen.
c) Der Beschluss des Landgerichts wurde der Beschwerdeführerin im Parteibetrieb unter dem 31. März 2023 zugestellt. Hiergegen legte sie durch Schriftsatz vom 12. April 2023 Widerspruch ein und beantragte, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unter Aufhebung des angegriffenen Beschlusses zurückzuweisen. Termin zur mündlichen Verhandlung wurde auf den 8. Juni 2023 bestimmt.
4. Ebenfalls am 31. März 2023 hat die Beschwerdeführerin Verfassungsbeschwerde erhoben und hiermit verbunden beantragt, den angegriffenen Beschluss des Landgerichts einstweilen, jedenfalls bis zur mündlichen Verhandlung über den Widerspruch außer Vollzug zu setzen.
a) Dadurch, dass das Landgericht offenkundig die Schutzschrift nicht abgerufen und deswegen nicht die vollständige Argumentation der Beschwerdeführerin in Bezug auf die Antragsschrift zur Kenntnis genommen habe, sei die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf prozessuale Waffengleichheit – hier das rechtliche Gehör – verletzt. Die Pressekammer des Landgerichts Berlin sei als permanenter Verletzer dieser Rechte bekannt. Die deutschen Gerichte seien verpflichtet, bei Eingang eines Antrags auf einstweilige Verfügung das Schutzschriftregister abzufragen. Es sei den Gerichten verwehrt, den Antragsgegner allein schon deswegen aus dem Verfahren rauszuhalten, weil ihm das Vorbringen vermeintlich bekannt sei.
b) Dem Begünstigten des Ausgangsverfahrens sowie der Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung Berlin wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt. Die Akten des Ausgangsverfahrens waren beigezogen. Hiernach wurde das Schutzschriftregister am 24. März 2023 abgefragt und die Schutzschrift der Beschwerdeführerin als am 20. März 2023 eingestellt aufgeführt, als Ergebnis jedoch ausgegeben „Keine Einschlägigkeit festgestellt.“.
II.
1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.
Die vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Entscheidung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG vorzunehmende Folgenabwägung (vgl. BVerfGE 71, 158 <161>; 88, 185 <186>; 91, 252 <257 f.>; stRspr) führt zu dem Ergebnis, dass die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe überwiegen. Denn die Verfassungsbeschwerde ist hinsichtlich der gerügten Verletzung der prozessualen Waffengleichheit im einstweiligen Verfügungsverfahren offensichtlich zulässig und begründet (vgl. zu den Anforderungen näher BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 – 1 BvR 1783/17 -, Rn. 14 ff. und – 1 BvR 2421/17 -, Rn. 27 ff. sowie Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juni 2020 – 1 BvR 1246/20 -, Rn. 15 ff.; vom 17. Juni 2020 – 1 BvR 1380/20 -, Rn. 14; vom 22. Dezember 2020 – 1 BvR 2740/20 -, Rn. 18 ff.; vom 11. Januar 2021 – 1 BvR 2681/20 -, Rn. 29 ff.; vom 4. Februar 2021 – 1 BvR 2743/19 -, Rn. 21 ff.; vom 6. Februar 2021 – 1 BvR 249/21 -, Rn. 19 ff.; vom 1. Dezember 2021 – 1 BvR 2708/19 -, Rn. 25 ff.; vom 11. Januar 2022 – 1 BvR 123/21 -, Rn. 34 ff.; vom 21. April 2022 – 1 BvR 812/22 -, Rn. 20 ff.; Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 27. Oktober 2022 – 1 BvR 1846/22 -, Rn. 23 ff.; vom 10. November 2022 – 1 BvR 1941/22 -, Rn. 19 ff.).
2. Die Verfassungsbeschwerde wurde binnen eines Monats und damit gemäß § 93 Abs. 1 BVerfGG fristgerecht erhoben und ist auch im Übrigen zulässig.
a) Insbesondere ist der Rechtsweg, ungeachtet des fortdauernden Ausgangsverfahrens, erschöpft (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Die Beschwerdeführerin macht eine Rechtsverletzung unmittelbar durch die Handhabung des Prozessrechts im Verfahren über den Erlass einer äußerungsrechtlichen einstweiligen Verfügung geltend. Sie wendet sich dabei gegen ein bewusstes Übergehen ihrer prozessualen Rechte. Mit dem Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung kann eine Missachtung von Verfahrensrechten als solche nicht geltend gemacht werden (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juni 2020 – 1 BvR 1246/20 -, Rn. 12; vom 17. Juni 2020 – 1 BvR 1380/20 -, Rn. 12), weil er von den Erfolgsaussichten in der Sache abhängt. Auch sonst gibt es keinen Rechtsbehelf, mit dem eine Verletzung der prozessualen Waffengleichheit eigens als solche vor den Fachgerichten geltend gemacht werden könnte. Die Verfassungsbeschwerde kann daher ausnahmsweise unmittelbar gegen die einstweilige Verfügung erhoben werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 – 1 BvR 1783/17 -, Rn. 10; Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juni 2020 – 1 BvR 1246/20 -, Rn. 12; vom 17. Juni 2020 – 1 BvR 1380/20 -, Rn. 12; vom 22. Dezember 2020 – 1 BvR 2740/20 -, Rn. 16; vom 6. Februar 2021 – 1 BvR 249/21 -, Rn. 16; vom 1. Dezember 2021 – 1 BvR 2708/19 -, Rn. 18; vom 11. Januar 2022 – 1 BvR 123/21 -, Rn. 29; vom 21. April 2022 – 1 BvR 812/22 -, Rn. 16; Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 27. Oktober 2022 – 1 BvR 1846/22 -, Rn. 20; vom 10. November 2022 – 1 BvR 1941/22 -, Rn. 16).
b) Zwar kann nicht jede Verletzung prozessualer Rechte unter Berufung auf die prozessuale Waffengleichheit im Wege einer auf Feststellung gerichteten Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden. Vielmehr bedarf es eines hinreichend gewichtigen Feststellungsinteresses (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 – 1 BvR 1783/17 -, Rn. 11; vom 30. September 2018 – 1 BvR 2421/17 -, Rn. 24; Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 8. Oktober 2019 – 1 BvR 1078/19 u.a. -, Rn. 3; vom 27. Juli 2020 – 1 BvR 1379/20 -, Rn. 9; vom 4. Februar 2021 – 1 BvR 2743/19 -, Rn. 15 ff.). Da die Rechtsbeeinträchtigung der Beschwerdeführerin durch die einstweilige Verfügung in Gestalt eines weiterhin vollstreckbaren Unterlassungstitels fortdauert, muss sie hierzu jedoch kein besonders gewichtiges Feststellungsinteresse geltend machen (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juni 2020 – 1 BvR 1246/20 -, Rn. 13; vom 17. Juni 2020 – 1 BvR 1380/20 -, Rn. 12; vom 22. Dezember 2020 – 1 BvR 2740/20 -, Rn. 16; vom 6. Februar 2021 – 1 BvR 249/21 -, Rn. 17; vom 21. April 2022 – 1 BvR 812/22 -, Rn. 17; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 27. Oktober 2022 – 1 BvR 1846/22 -, Rn. 21).
3. Der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 28. März 2023 verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht auf prozessuale Waffengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
a) Der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit ist eine Ausprägung der Rechtsstaatlichkeit und des allgemeinen Gleichheitssatzes im Zivilprozess und sichert verfassungsrechtlich die Gleichwertigkeit der prozessualen Stellung der Parteien vor Gericht. Das Gericht muss den Prozessparteien im Rahmen der Verfahrensordnung gleichermaßen die Möglichkeit einräumen, alles für die gerichtliche Entscheidung Erhebliche vorzutragen und alle zur Abwehr des gegnerischen Angriffs erforderlichen prozessualen Verteidigungsmittel selbständig geltend zu machen. Die prozessuale Waffengleichheit steht dabei im Zusammenhang mit dem Gehörsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 1 GG, der eine besondere Ausprägung der Waffengleichheit ist. Als prozessuales Urrecht (vgl. BVerfGE 70, 180 <188>) gebietet dieser, in einem gerichtlichen Verfahren der Gegenseite grundsätzlich vor einer Entscheidung Gehör und damit die Gelegenheit zu gewähren, auf eine bevorstehende gerichtliche Entscheidung Einfluss zu nehmen (vgl. BVerfGE 9, 89 <96 f.>; 57, 346 <359>).
aa) Entbehrlich ist eine vorherige Anhörung nur in Ausnahmefällen. Voraussetzung der Verweisung auf eine nachträgliche Anhörung ist, dass ansonsten der Zweck des einstweiligen Verfügungsverfahrens vereitelt würde (vgl. näher BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 – 1 BvR 1783/17 -, Rn. 15). Im Presse- und Äußerungsrecht kann jedenfalls nicht als Regel von einer Erforderlichkeit der Überraschung des Gegners bei der Geltendmachung von Ansprüchen ausgegangen werden (vgl. auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 – 1 BvR 2421/17 -, Rn. 31; Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 4. Februar 2021 – 1 BvR 2743/19 -, Rn. 21; vom 21. April 2022 – 1 BvR 812/22 -, Rn. 20). Auch wenn über Verfügungsanträge in äußerungsrechtlichen Angelegenheiten angesichts der Eilbedürftigkeit nicht selten zunächst ohne mündliche Verhandlung entschieden werden muss, berechtigt dies das Gericht nicht dazu, die Gegenseite bis zur Entscheidung über den Verfügungsantrag aus dem Verfahren herauszuhalten (vgl. näher BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 – 1 BvR 1783/17 -, Rn. 21 ff.). Eine stattgebende Entscheidung über den Verfügungsantrag kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Gegenseite die Möglichkeit hatte, auf das mit dem Antrag und weiteren an das Gericht gerichteten Schriftsätzen geltend gemachte Vorbringen zu erwidern (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 22. Dezember 2020 – 1 BvR 2740/20 -, Rn. 21; vom 4. Februar 2021 – 1 BvR 2743/19 -, Rn. 23; vom 21. April 2022 – 1 BvR 812/22 -, Rn. 22; Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 27. Oktober 2022 – 1 BvR 1846/22 -, Rn. 24; vom 10. November 2022 – 1 BvR 1941/22 -, Rn. 20).
bb) Dabei ist von Verfassungs wegen nichts dagegen zu erinnern, wenn das Gericht in Eilverfahren auch die Möglichkeiten einbezieht, die es der Gegenseite vorprozessual erlauben, sich zu dem Verfügungsantrag zu äußern, wenn sichergestellt ist, dass solche Äußerungen vollständig dem Gericht vorliegen. Hierfür kann auf die Möglichkeit zur Erwiderung gegenüber einer dem Verfügungsverfahren vorangehenden Abmahnung abgestellt werden. Dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit genügen die Erwiderungsmöglichkeiten auf eine Abmahnung allerdings nur dann, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ vorliegen: der Verfügungsantrag muss im Anschluss an die Abmahnung unverzüglich nach Ablauf einer angemessenen Frist für die begehrte Unterlassungserklärung bei Gericht eingereicht werden; die abgemahnte Äußerung sowie die Begründung für die begehrte Unterlassung müssen mit dem bei Gericht geltend gemachten Unterlassungsbegehren identisch sein; der Antragsteller muss ein etwaiges Zurückweisungsschreiben des Antragsgegners zusammen mit seiner Antragsschrift bei Gericht einreichen. Demgegenüber ist dem Antragsgegner Gehör zu gewähren, wenn er nicht in der gehörigen Form abgemahnt wurde oder der Antrag vor Gericht in anderer Weise als in der Abmahnung oder mit ergänzendem Vortrag begründet wird (vgl. näher BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 – 1 BvR 1783/17 -, Rn. 22 ff. sowie Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juni 2020 – 1 BvR 1246/20 -, Rn. 18 f.; vom 17. Juni 2020 – 1 BvR 1380/20 -, Rn. 14; vom 22. Dezember 2020 – 1 BvR 2740/20 -, Rn. 22; vom 4. Februar 2021 – 1 BvR 2743/19 -, Rn. 25; vom 1. Dezember 2021 – 1 BvR 2708/19 -, Rn. 28; vom 21. April 2022 – 1 BvR 812/22 -, Rn. 23; Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 27. Oktober 2022 – 1 BvR 1846/22 -, Rn. 25; vom 10. November 2022 – 1 BvR 1941/22 -, Rn. 21).
cc) Um der herausragenden Bedeutung der prozessualen Waffengleichheit gerecht zu werden, sind die Voraussetzungen, unter denen von einer Anhörung des Antragsgegners ausnahmsweise abgesehen werden kann, eng begrenzt. So wird eine besondere, eine Anhörung des Antragsgegners ausnahmsweise entbehrlich machende Dringlichkeit in äußerungsrechtlichen Fallkonstellationen im Regelfall zu verneinen sein, wenn der Antragsteller vom Ablauf der außergerichtlich eingeräumten Äußerungsfrist bis zur gerichtlichen Antragstellung ein Mehrfaches jener Zeit verstreichen lässt, die er dem Antragsgegner als außergerichtliche Frist gewährt hatte (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 6. Februar 2021 – 1 BvR 249/21 -, Rn. 25; vom 4. Februar 2021 – 1 BvR 2743/19 -, Rn. 27; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. November 2022 – 1 BvR 1941/22 -, Rn. 22). Auch wird inhaltlich regelmäßig bereits dann keine gleichwertige Erwiderungsmöglichkeit bestehen, wenn das Antragsbegehren erstmals im gerichtlichen Verfahren durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht wird. Denn soweit ein ohne Glaubhaftmachung angekündigter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäß § 936 in Verbindung mit § 922 Abs. 2 ZPO keine Aussicht auf Erfolg bietet, braucht sich der Antragsgegner ungleich weniger zu einer Stellungnahme veranlasst zu sehen als durch eine außergerichtliche Abmahnung, die erkennbar bereits die prozessualen Voraussetzungen erfüllt (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17. Juni 2020 – 1 BvR 1380/20 -, Rn. 16; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. November 2022 – 1 BvR 1941/22 -, Rn. 22). Das Gebot schließlich, zusammen mit der Antragsschrift ein etwaiges Zurückweisungsschreiben des Antragsgegners bei Gericht einzureichen, ist in einem weiten Sinne zu verstehen und schließt deshalb jegliche – auch automatisierte – Rückäußerungen des Antragsgegners ein, die für die inhaltliche Beurteilung des Antrags oder auch nur für die Verfahrenshandhabung durch das Gericht von Bedeutung sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. November 2022 – 1 BvR 1941/22 -, Rn. 22).
dd) Eine ohne Anhörung des Antragsgegners zu dessen Nachteil ergangene Entscheidung muss erkennen lassen, dass sich das Gericht des Ausnahmecharakters seiner Verfahrenshandhabung bewusst war. Insbesondere dürfen weniger einschneidende Alternativen nicht bestanden haben. Das setzt im Regelfall voraus, dass es auch nicht möglich war, dem Antragsgegner fernmündlich, durch E-Mail oder Telefax Gelegenheit zu geben, den Vortrag des Antragstellers zur Kenntnis zu nehmen und – gegebenenfalls auch kurzfristig – zu erwidern (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juni 2020 – 1 BvR 1246/20 -, Rn. 21; vom 17. Juni 2020 – 1 BvR 1380/20 -, Rn. 16; vom 11. Januar 2021 – 1 BvR 2681/20 -, Rn. 35; vom 21. April 2022 – 1 BvR 812/22 -, Rn. 25; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. November 2022 – 1 BvR 1941/22 -, Rn. 23). Eine auch hiervon absehende Entscheidung wird den verfassungsrechtlichen Anforderungen in äußerungsrechtlichen Eilverfahren nur im Ausnahmefall genügen. In jedem Fall unzulässig ist es, wegen einer gegebenenfalls durch die Anhörung des Antragsgegners befürchteten Verzögerung oder wegen einer durch die Stellungnahme erforderlichen, arbeitsintensiven Auseinandersetzung mit dem Vortrag des Antragsgegners bereits in einem frühen Verfahrensstadium gänzlich von einer Einbeziehung der Gegenseite abzusehen und sie stattdessen bis zum Zeitpunkt der auf Widerspruch hin anberaumten mündlichen Verhandlung mit einem einseitig erstrittenen gerichtlichen Unterlassungstitel zu belasten (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juni 2020 – 1 BvR 1246/20 -, Rn. 23; vom 22. Dezember 2020 – 1 BvR 2740/20 -, Rn. 27; vom 11. Januar 2021 – 1 BvR 2681/20 -, Rn. 37; vom 4. Februar 2021 – 1 BvR 2743/19 -, Rn. 29; vom 1. Dezember 2021 – 1 BvR 2708/19 -, Rn. 32; vom 11. Januar 2022 – 1 BvR 123/21 -, Rn. 40; vom 21. April 2022 – 1 BvR 812/22 -, Rn. 25; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. November 2022 – 1 BvR 1941/22 -, Rn. 23).
b) Nach diesen Maßstäben verletzt der angegriffene Beschluss die Beschwerdeführerin offenkundig in ihrem grundrechtsgleichen Recht auf prozessuale Waffengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
aa) Weshalb das Landgericht nicht versucht hat, eine Anhörung der Beschwerdeführerin auch nur fernmündlich, per E-Mail oder Telefax herbeizuführen, lässt sich seiner Entscheidung nicht entnehmen.
(1) Abgesehen von der formelhaften Wendung „wegen Dringlichkeit“ – mit der das Landgericht auch nur sein Absehen von einer mündlichen Verhandlung begründet –, verhält sich der angegriffene Beschluss lediglich zu inhaltlichen Gründen, nach denen eine Anhörung der Beschwerdeführerin entbehrlich gewesen sei. In zeitlicher Hinsicht begründet das Landgericht seine Verfahrenshandhabung nicht, obschon eine ohne Anhörung des Antragsgegners zustande gekommene Entscheidung erkennen lassen muss, dass sich das Gericht des Ausnahmecharakters seiner Verfahrenshandhabung bewusst war, insbesondere weniger einschneidende Alternativen nicht bestanden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. November 2022 – 1 BvR 1941/22 -, Rn. 23).
(2) Von einer Anhörung der Beschwerdeführerin abzusehen, lag im vorliegenden Fall in zeitlicher Hinsicht aber schon insoweit fern, als die Antragsteller selbst eine die Einbeziehung der Beschwerdeführerin in Frage stellende Dringlichkeit nicht dargelegt hatten. Auf den Ablauf ihrer zunächst knapp bemessenen Frist (von lediglich einem Tag) reagierten die Antragsteller vielmehr erst weitere drei Tage nach Fristablauf, und dies zudem nicht durch unmittelbare gerichtliche Antragstellung, sondern durch Einräumung einer weiteren (und nun dreitägigen) Nachfrist. Nach deren Ablauf ließen die Antragsteller schließlich erneut weitere drei Tage verstreichen, bis sie einen Antrag auf gerichtlichen Eilrechtsschutz stellten, in dem sodann nicht einmal sie selbst um das Absehen von einer Anhörung der Beschwerdeführerin baten, sondern lediglich darum, ohne mündliche Verhandlung zu verhandeln, hilfsweise unter Abkürzung der Ladungsfrist. Dass das Landgericht in einer solchen Situation gleichwohl von einer Zuleitung der Antragsschrift nebst Anlagen absieht, auch jeden Versuch einer Kontaktaufnahme unterlässt und dennoch erst am folgenden dritten Werktag entscheidet, ist nicht nachvollziehbar, sondern verletzt schon für sich genommen das Recht der Beschwerdeführerin auf prozessuale Waffengleichheit.
bb) Verletzt wurde dieses Recht aber auch insoweit, als das Landgericht eine Beteiligung der Beschwerdeführerin unter inhaltlichen Gesichtspunkten für entbehrlich erachtet hat.
(1) Zwar konnte das Landgericht von einer Übereinstimmung zwischen dem außergerichtlich an die Beschwerdeführerin herangetragenen Unterlassungsbegehren und dem bei Gericht anhängig gemachten ausgehen, und war dem Landgericht auch das Zurückweisungsschreiben der Beschwerdeführerin vom 20. März 2023 zur Kenntnis gebracht worden. Zu der hierauf erwidernden und entsprechend erweiterten Antragsschrift lag dem Landgericht hingegen keine Stellungnahme der Beschwerdeführerin vor, obwohl sie ihr seitens der Antragsteller selbst – wenn auch gegenüber dem Landgericht – ausdrücklich anheimgestellt worden war.
(2) Weder in seiner Entscheidung dargelegt noch ersichtlich ist darüber hinaus, weshalb das Landgericht bei seiner Beschlussfassung auch nicht die Schutzschrift der Beschwerdeführerin zur Kenntnis nahm, die mit Einstellung in das Schutzschriftregister gemäß § 945a Abs. 2 Satz 1 ZPO als beim Landgericht eingereicht galt, bei der am 24. März 2023 durchgeführten Recherche jedoch für nicht einschlägig befunden wurde. Um der Einreichungsfiktion Genüge zu tun, müssen die Gerichte nach Antragseingang recherchieren, ob eine Schutzschrift im Register eingestellt ist, um zu gewährleisten, dass diese dem letztlich entscheidenden Gericht zur Kenntnis gelangt (vgl. BTDrucks 17/12634, S. 36; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 – 1 BvR 2421/17 -, Rn. 34; – 1 BvR 1783/17 -, Rn. 22; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juli 2021 – 1 BvR 1653/21 -, Rn. 3). Geschieht dies nicht oder wie im vorliegenden Fall unter Verkennung der Einschlägigkeit einer vorliegenden Schutzschrift, wird das Recht des Antragsgegners auf prozessuale Waffengleichheit in gleicher Weise verletzt, wie wenn sich das Gericht ohne (vollständige) Kenntnisnahme eines bereits vorliegenden Zurückweisungsschreibens gegen eine Beteiligung des Antragsgegners entscheidet. Insoweit hatte die Beschwerdeführerin ihrer Schutzschrift ein über ihr außergerichtliches Zurückweisungsschreiben hinausgehendes Anlagenkonvolut beigefügt, das diverse Medienbeiträge über die gegen die Antragsteller erhobenen Vorwürfe im Jahr 2022 enthielt und dazu diente, ein hierauf beruhendes erhebliches öffentliches Informationsinteresse auch an der Berichterstattung im März 2023 darzulegen.
Darüber hinaus wird das Recht auf prozessuale Waffengleichheit durch das Unterlassen oder – was dem gleichkommt – die unzulängliche Abfrage im Schutzschriftregister aber auch insoweit verletzt, als das Gericht dem Antragsgegner hierdurch selbst jene Beteiligungsmöglichkeit nimmt, die ihm ganz unabhängig von der konkreten gerichtlichen Verfahrenshandhabung ermöglichen soll, vorbeugende Verteidigungsschriften zum Gegenstand des einstweiligen Verfügungsverfahrens zu machen (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 – 1 BvR 2421/17 -, Rn. 34; – 1 BvR 1783/17 -, Rn. 22), und die sich von seiner außergerichtlichen Reaktion überdies regelmäßig unterscheidet. Denn während eine außergerichtliche Abmahnung nicht notwendig Anlass bietet, sich bereits zum gerichtlichen Verfahren zu äußern, wird sich der Antragsgegner hierzu in einer Schutzschrift regelmäßig veranlasst sehen und sich insbesondere – etwa durch die auch im vorliegenden Fall geäußerte Bitte, nicht ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden – vorbeugend auch ausdrücklich zur Frage der Dringlichkeit positionieren (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 6. Februar 2021 – 1 BvR 249/21 -, Rn. 25).
4. Angesichts des Verstoßes gegen die prozessuale Waffengleichheit kommt es auf eine Prüfung der Verletzung weiterer Grundrechte nicht an.
5. Die Außervollzugsetzung der verfahrenswidrig zustande gekommenen Entscheidung gibt dem Landgericht Berlin Gelegenheit, bei einer neuerlichen Entscheidung beide Seiten einzubeziehen und deren Vortrag zu berücksichtigen.
6. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung für das einstweilige Anordnungsverfahren folgt aus § 34a Abs. 3 BVerfGG. Die Erstattung ist wegen des Obsiegens der Beschwerdeführerin aus Billigkeitsgründen geboten.
Harbarth | Härtel | Eifert |
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