Es gibt Momente, da fragt man sich, ob man wirklich im Jahr 2024 lebt – oder ob wir alle Teil eines schlechten Drehbuchs sind. Genau das dürften sich wohl auch all jene Kunden gedacht haben, die ihr sauer verdientes Geld der AWL Garagenzentrale anvertraut haben – in der Hoffnung auf eine solide deutsche Wertarbeit. Stattdessen bekamen sie: Nichts. Kein Beton, kein Dach, kein Tor. Nur eine Rechnung, einen leeren Briefkasten in Magdeburg und viel Frust.
„Tipp-Topp? Nicht mehr.“
Eine Familie aus Colditz erinnert sich mit Wehmut an bessere Zeiten. Vor zehn Jahren hatte der Vater eine Garage bei der AWL Garagenzentrale gekauft: „Alles astrein! Solide, sauber, zuverlässig.“ Also dachte sich der Sohn 2023: Warum nicht wieder? Er überwies 21.500 Euro in Vorfreude auf seine neue Garage – und hörte dann… nichts mehr. Keine Lieferung, keine Antworten, kein Ansprechpartner.
Doch das ist nicht etwa ein Einzelfall. Auch andere Kunden, wie eine Familie aus Delitzsch, wurden um fünfstellige Beträge gebracht. Die Liste der Geschädigten wächst – ebenso wie der Frust über den scheinbar reibungslos funktionierenden Betrug.
Die große Abwicklung: Wie man ein Unternehmen „entsorgt“
Im Juli 2023, zwei Monate nach der Zahlung vieler Kunden, wurde die AWL Garagenzentrale wie ein altes Möbelstück abgestoßen. Neuer Inhaber? Ein gewisser Geschäftsmann aus Polen, der bereits ein Dutzend anderer Firmen unter seinem Namen betreibt – zumindest auf dem Papier. Seine neue „Zentrale“ in Magdeburg ist nichts weiter als ein Briefkasten.
Die Mitarbeiter? Fristlos gekündigt. Die Standorte in Halle und Beelitz? Geschlossen. Die Kunden? Auf ihren Kosten sitzen gelassen. Im Kündigungsschreiben des neuen „Eigentümers“ heißt es lapidar, die „schwierige Auftragslage“ habe zu dieser Entscheidung geführt. Ach ja, klar – die „Auftragslage“.
Ein Betrug, der System hat
Was hier passiert ist, folgt einem inzwischen altbekannten Muster: Strohmann-Kriminalität. Dabei werden sozial schwache Personen aus dem Ausland – oft aus Polen, Tschechien oder Rumänien – angeworben, um offiziell die Leitung maroder Firmen zu übernehmen. Sie treten als „neue Inhaber“ auf, während die eigentlichen Drahtzieher im Hintergrund bleiben.
Einer dieser Strohleute hat allein im Dezember 2022 vier Firmen übernommen – darunter eine Trockenbaufirma, eine Solargesellschaft und die AWL Garagenzentrale. Alles sauber dokumentiert, notariell beglaubigt und – natürlich – komplett legal. Willkommen im deutschen Bürokratieparadies, wo man alles beurkunden kann, solange es ordentlich auf Papier steht.
Die eigentlichen Geschäftsführer? Sie geben sich ahnungslos. Der frühere Chef der AWL Garagenzentrale erklärt sogar in einem Abschiedsschreiben: „Ich bin raus, wie ein Trainer, der den Verein verlässt.“ Nur hat dieser „Trainer“ wohl vergessen, dass der Schiedsrichter Nachspielzeit anordnen kann – in Form von strafrechtlichen Ermittlungen.
Die Opfer bleiben auf der Strecke
Während die Drahtzieher sich geschickt aus der Verantwortung ziehen, bleiben die Kunden und Mitarbeiter mit den Trümmern zurück. Die Staatsanwaltschaft spricht inzwischen von 160 Geschädigten und einem Schaden von 2,2 Millionen Euro allein durch Anzahlungen. Nicht eingerechnet sind die nicht ausgezahlten Löhne der ehemaligen Mitarbeiter.
Eine Familie aus Colditz hat längst die Hoffnung auf eine Rückerstattung ihres Geldes verloren. „Die Polizei unternimmt nichts, die Verbraucherzentrale hält erst mal die Hand auf, und der Anwalt sagt: Da kommt nichts zurück“, sagt der frustrierte Vater.
Die Kunden könnten genauso gut ein riesiges „Verarscht!“-Schild über ihren leeren Grundstücken aufstellen. Immerhin: Ein kleiner Lichtblick bleibt. Ein Gericht hat kürzlich entschieden, dass der Ex-Chef der AWL Garagenzentrale für die offenen Forderungen nachträglich haftbar gemacht werden kann. Das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig – und selbst wenn, wird es den Betroffenen kaum das verloren gegangene Vertrauen zurückgeben.
Das System hinter dem Betrug
Die Drahtzieher nutzen ein perfides Schlupfloch: Sie kaufen Unternehmen nicht, um sie zu retten, sondern um sie systematisch auszuschlachten. Forderungen? Verschwinden in Briefkästen. Verantwortung? Fehlanzeige. Und während die Justiz in Polen und Deutschland sich gegenseitig die Zuständigkeit zuschiebt, machen die Kriminellen weiter – mit neuen Namen, neuen Firmen und denselben Methoden.
Fazit: Kein Happy End in Sicht
Der Fall der AWL Garagenzentrale zeigt eindrücklich, wie leicht es in Deutschland ist, Betrug im großen Stil zu organisieren – solange alles schön offiziell wirkt. Am Ende bleiben enttäuschte Kunden, arbeitslose Mitarbeiter und ein Haufen unbeantworteter Fragen. Und während die Drahtzieher sich vermutlich schon die nächste Firma sichern, fragen sich Menschen wie die Familie aus Colditz, ob sie jemals wieder Vertrauen in ein Unternehmen haben können.
Vielleicht sollten zukünftige Kunden auf die neue Maxime setzen: „Bezahle erst, wenn die Garage steht.“ Aber selbst das ist in einer Welt voller leerer Briefkästen keine Garantie mehr.
Kommentar hinterlassen