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„Einige Erleichterungen lassen wir voraussichtlich Ende des Jahres auslaufen“

Tumisu (CC0), Pixabay
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Pandemie, wegweisende Urteile, Flutkatastrophe: Für den Bankensektor sind es unruhige Zeiten. Exekutivdirektor Raimund Röseler erläutert im BaFinJournal-Interview, wie sich die Folgen der Corona-Maßnahmen in den Büchern der Banken niederschlagen, welche zusätzlichen Belastungen aufgrund der aktuellen Gerichtsurteile zu Cum ex, zum Prämiensparen und zu AGB-Änderungen zu erwarten sind und inwiefern sich die Flutkatastrophe bei den Instituten auswirken könnte. Außerdem äußert er sich zu den aktuellen Ergebnissen des europaweiten Stresstests.

Herr Röseler, die Delta-Variante des COVID-19-Virus breitet sich aus, die Pandemie scheint in eine weitere Verlängerung zu gehen. Wie lange wollen Sie die aufsichtlichen Erleichterungen für die Institute noch aufrechterhalten?

Die Pandemie setzt sich zwar fort, schlägt sich aber bisher nicht überbordend in den Büchern der Banken nieder. Deswegen lassen wir voraussichtlich Ende des Jahres die Ausnahmeregelungen zur Liquiditätsdeckungs- und Verschuldungsquote auslaufen. Auch andere Erleichterungen, unter anderem administrative, werden wir sukzessive zurücknehmen. Aber wir werden die Entwicklung natürlich weiter genau beobachten und die Banken keinesfalls überfordern.

Wie sieht es beim antizyklischen Kapitalpuffer aus?

Darüber werden wir im Ausschuss für Finanzstabilität diskutieren. Ich gehe davon aus, dass wir den Kapitalpuffer erst anheben, wenn die wirtschaftliche Lage das zulässt.

Sie sagten gerade, die Pandemie schlage sich nicht so stark in den Büchern der Banken nieder, wie befürchtet. In welcher Lage sind die deutschen Banken denn?

Sie sind nach wie vor gut kapitalisiert. Die deutschen Institute haben mehr als 150 Milliarden Euro Überschusskapital, und die tatsächlich notwendigen Wertberichtigungen sind deutlich kleiner als die budgetierten. Die deutschen SIs , die bedeutenden Institute, haben für dieses Jahr sechs Milliarden Euro Wertberichtigungen geplant, von denen sie in den ersten fünf Monaten nur wenige hundert Millionen verbraucht haben. Und bei unseren weniger bedeutenden Instituten, den LSIs , ist die Situation ähnlich. Bei den meisten gibt es bisher keinen erhöhten Wertberichtigungsbedarf oder signifikant steigende Kreditausfälle. Wir erwarten zwar, dass der Wertberichtigungsbedarf bei den LSIs steigen und die Risikokennzahlen vereinzelt schlechter ausfallen könnten. Insgesamt sehen wir die deutschen Banken aber nach wie vor in guter Verfassung.

Wie wird das aussehen, wenn die diversen staatlichen Unterstützungsmaßnahmen auslaufen? Man kann ja davon ausgehen, dass sie das eigentliche Bild im Moment noch überlagern.

Die staatlichen Hilfen haben in der deutschen Wirtschaft wirklich viel abgefedert. Jetzt, wo das Insolvenzrecht wieder in alter Form gilt, nehmen die Insolvenzzahlen in bestimmten Branchen zwar zu. Das macht sich bisher aber nicht unmittelbar in den Büchern der Banken bemerkbar. Es gibt zwar durchaus einzelne Institute, um die wir uns Sorgen machen müssen. Aber das sind überwiegend die, die auch schon vor der Corona-Pandemie auf wackligen Beinen standen. Der deutsche Bankensektor insgesamt kommt bislang gut durch die Krise, und das wird nach unseren derzeitigen Erkenntnissen auch so bleiben.

Wie sieht es in den Kreditportfolien der Banken aus? Gibt es viele notleidende Kredite?

Wir sind jetzt auf einem niedrigen Niveau bei den Non-Performing Loans. Die NPL-Quote könnte zwar steigen, so dass sich höhere Rückstellungen hierfür gegebenenfalls auf die schwache Profitabilität und damit auch die Solvenz der deutschen Institute auswirken könnten. Sie wird aber wahrscheinlich nicht so stark steigen, dass wir hier in der Fläche mit Problemen zu rechnen haben.

Hinzu kommen aber möglicherweise die Kredite, bei denen die Banken den Kreditnehmern Zugeständnisse gemacht, also Forbearance-Maßnahmen eingesetzt haben. Bei den SIs beträgt die NPL-Quote derzeit 1,3 Prozent. Würden alle Kredite ausfallen, bei denen die Institute Forbearance-Maßnahmen angewendet haben, läge diese Quote bei über zwei Prozent. Das wäre sicherlich viel. Aber das ist auch eine Worst-Case-Betrachtung.

Was sollten die Institute tun, um das Thema Non-Performing Loans auch weiterhin im Griff zu haben?

Zwei Dinge: Erstens müssen die Institute natürlich ihre Kreditnehmer beobachten und im Zweifel frühzeitig reagieren. Und zweitens müssen sie ausreichend Bearbeitungskapazitäten für Kreditausfälle vorhalten, womöglich etwas mehr als in der Vergangenheit. Denn es wird zwar nicht zu dramatischen Kreditausfällen kommen, aber einige wird es sicherlich geben.

Der Umgang mit Kreditrisiken ist auch eine Frage des Risikomanagements. Wie sieht es da bei den Banken aus?

Da sehen wir bei einer Reihe von Instituten ohnehin etwas Luft nach oben. Die Pandemie hat gezeigt, dass einige Banken größere Probleme mit der Steuerung und der Organisation haben als andere. Was den Umgang mit Kreditausfällen angeht: Es gab ja in der Vergangenheit sehr wenige. Manche Institute haben darum auch nur wenig Erfahrung mit der Abwicklung von NPLs. Es ist wichtig, dass Banken vorbereitet sind und die Kapazitäten für das Risikomanagement bereitstellen.

Die EZB hat entschieden, dass sie ihre Dividendenpraxis ab Oktober nicht fortführt, und Sie haben sich auch dazu geäußert. Hat sich aus Ihrer Sicht der Ansatz der BaFin bewährt, jeden Einzelfall zu betrachten?

Ja, unser Ansatz hat sich bewährt. Ein generelles Verbot konnten und können wir nicht aussprechen. Daher werden wir weitermachen, wie bisher, und uns jeden Einzelfall ansehen. Aber wir werden unser Schreiben vom Dezember 2020 dazu aufheben. Wir werden nicht mehr verlangen, dass die Institute uns ihre Dividendenpläne vorher anzeigen. Wir gehen aber natürlich davon aus, dass sie nur dann ausschütten, wenn sie sich das leisten können.

Sie rechnen also nicht mit einer Welle von Ausschüttungen.

So ist es. Viele Institute haben ja auch schon im Laufe dieses Jahres ausgeschüttet, aber auf sehr vorsichtigem Niveau. Ich gehe davon aus, dass das so bleibt. Ich erwarte nicht, dass es einen Nachholeffekt geben wird.

Werden Sie die Institute kontrollieren?

Ja, wir schauen uns natürlich jeden Einzelfall an. In der laufenden Aufsicht bekommen wir mit, wie die Banken mit dem Thema umgehen. Und immer dann, wenn es einem Institut nicht gut geht und wir sehen, dass es trotzdem Dividenden oder zu hohe Dividenden zahlt, werden wir einschreiten. Das haben wir bisher auch schon gemacht.

Herr Röseler, wie ordnen Sie die Ergebnisse der deutschen Banken bei den aktuellen Stresstests von EBA und EZB ein?

Die deutschen Banken haben gezeigt, dass sie selbst im harten Stressszenario ausreichend kapitalisiert sind. Das ist eine gute Nachricht. Zumal dieses Szenario beileibe kein Spaziergang war, denn es hat unter anderem einen verlängerten Wirtschaftsabschwung aufgrund anhaltender Unsicherheit wegen der Corona-Krise eingepreist. Einige deutsche Institute verzehren zwar im Stressszenario Teile ihrer Kapitalpuffer. Das sind im Wesentlichen der Kapitalerhaltungspuffer und die Puffer für global oder anderweitig systemrelevante Institute. Dazu muss man aber zwei Dinge wissen: Die Institute bleiben über den Mindestanforderungen, die wir Aufseher stellen. Sie hätten also immer noch mehr hartes Kernkapital, als wir vorschreiben. Und diese zusätzlichen Puffer sind explizit dafür gedacht, dass die Banken in einer Krise Reserven haben, die sie anzapfen können, um Belastungen abzufedern und weiterhin Kredite zu vergeben.

Es war wie in der wirklichen Corona-Krise: Wir haben im Stresstest wieder einmal erlebt, wie wichtig es ist, eine ausreichende und solide Kapitalausstattung zu haben. Und damit meine ich die Qualität des Eigenkapitals, aber auch die Quantität. Die Kombination aus hartem Kernkapital und zusätzlichen Puffern für Krisenzeiten hat sich bewährt. Dass wir diese Kombination fordern, ist eine der Lehren aus der Finanzkrise 2007/2008.

Was bedeutet das aktuelle Cum-ex-Urteil des Bundesgerichtshofs für die Banken?

Das Cum-ex-Urteil hat uns nicht überrascht. Es wäre eher überraschend gewesen, wenn der BGH anders geurteilt hätte. Und ich denke, das Urteil entsprach auch den Erwartungen der allermeisten Banken. Deswegen dürfte der größte Teil der Institute auch in entsprechendem Ausmaß Risikovorsorge getroffen haben. Wir schauen jetzt aber, ob es in dem einen oder anderen Fall noch Nachbesserungsbedarf gibt, auch bei den Rückstellungen.

Es gibt ja aktuell noch zwei weitere wegweisende Urteile des BGH, das zu Prämiensparverträgen und das zu AGB-Änderungen.1 Verkraften die Banken insgesamt die Folgen?

Das Cum-ex-Urteil betrifft ja nur relativ wenige Institute. Die Urteile zu Prämiensparverträgen und AGB sind für eine große Zahl von Banken relevant. Vom AGB-Urteil sind die Banken wahrscheinlich sogar flächendeckend betroffen, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, weil sie nicht alle gleich aktiv im Retail-Geschäft unterwegs sind. Das Urteil kam für viele Institute überraschend. Das ist sicherlich ein Unterschied zu Cum-ex. Da hat kein Mensch wirklich geglaubt, dass es legal ist, einmal Steuern zu zahlen und sich diese Steuern zweimal erstatten zu lassen.

Sind die Banken für die Belastungen durch das AGB-Urteil gerüstet?

Ich glaube, dass die Belastungen aus Rückerstattungen nicht so dramatisch sein werden, wie zunächst gedacht. Gravierender ist die Frage, welche Effekte sich für die Zukunft ergeben. Auf welches Preisniveau werden betroffene Institute als unmittelbare Folge des Urteils zurückgehen? Auf das Niveau von vor drei Jahren? Oder auf das zum Zeitpunkt der Kontoeröffnung? Und welches Preisniveau streben sie dauerhaft an? Welche Möglichkeiten und Verfahren haben die Banken künftig, ihre Preise zu erhöhen?

Sie sagten, der rückwirkende Effekt werde nicht dramatisch teuer. Über welche Größenordnung reden wir hier denn?

Aufgrund von Verjährungsregelungen werden sich Rückerstattungen voraussichtlich in einem vertretbaren Rahmen bewegen. Es gibt allerdings noch keine belastbaren Schätzungen. Wir haben 100 Banken dazu befragt und überlegen gerade in Workshops mit zehn Instituten, wie teuer es werden kann. Auch mit den Verbänden stehen wird dazu in engem Austausch.

Denkt die BaFin darüber nach, zu den AGB-Änderungen eine Allgemeinverfügung herauszugeben? Oder sind die Gespräche mit den Instituten und den Verbänden so gut, dass es ohne geht?

Wir schauen jetzt erstmal, wie die Banken mit dem Urteil umgehen. Dabei müssen wir berücksichtigen, dass es für die Institute überraschend kam. Wir werden uns auch die nächsten Quartalsabschlüsse genau ansehen, wenn das nächste Mal Kontoführungsgebühren belastet werden. Wir erwarten von den Banken, dass sie schnellstmöglich wirksame Vereinbarungen mit ihren Kundinnen und Kunden treffen. Ansonsten behalten wir uns natürlich alle Optionen vor.

Ein kurzer Blick auf das BGH-Urteil zu den Prämiensparverträgen: Bis jetzt sind schon XXX Widersprüche gegen die Allgemeinverfügung bei der BaFin eingegangen.

Die Widersprüche sind nicht überraschend, wir sehen das gelassen. Wir werden jeden einzeln prüfen, und jedes Institut erhält dann einen Widerspruchsbescheid von uns. Einige Banken werden sich dann sicher an das Verwaltungsgericht wenden. Das ist das übliche Prozedere in einem Rechtsstaat, dass wir auch nicht beschleunigen können. Dass unsere Allgemeinverfügung rechtskräftig wird, daran habe ich keine Zweifel. Wenn wir uns nicht sicher gewesen wären, hätten wir das nicht so gemacht.

Weniger gelassen sehen das wohl die Verbraucherinnen und Verbraucher.

Verständlicherweise. Wir wollen die Banken und Sparkassen verpflichten, ihre Kundinnen und Kunden zu informieren, wenn ihre Prämiensparverträge unwirksame Zinsanpassungsklauseln enthalten. Und ihnen mitzuteilen, ob sie ihnen deswegen zu wenige Zinsen gezahlt haben. Wenn ja, müssen sie den Kunden unwiderruflich eine Zinsnachberechnung zusichern. Oder sie müssen ihnen einen Änderungsvertrag mit einer rechtskonformen Zinsanpassungsklausel anbieten. Soweit Banken hierzu nicht, wie es unser Ziel ist, von sich aus auf ihre Kunden zugehen, müssen diese Kunden warten, bis unsere Allgemeinverfügung rechtskräftig wird. Oder sie müssen auf zivilrechtlichem Weg gegen von ihnen beanstandeten Zinsberechnungen vorgehen – möglicherweise mit Unterstützung von Verbraucherverbänden.

Herr Röseler, abschließend noch eine Frage zu den Verwüstungen, die die schweren Unwetter im Juli in einigen Regionen Deutschlands angerichtet haben. Welche Folgen werden sie für die Banken haben?

Einige lokale Banken hat das Unwettertief schwer getroffen. Und zwar in mehrfacher Hinsicht: Zweigstellen sind zerstört, Beschäftigte sind betroffen. Das hat unmittelbar Auswirkungen auf die Institute. Und dann haben Kunden der Banken schwere Schäden erlitten. Inwieweit sich das zum Beispiel auf die Kreditportfolien niederschlägt, wird sicher auch vom Umfang der staatlichen Unterstützungsmaßnahmen abhängen. Wir werden das natürlich genau verfolgen. Und wir werden hier sicher Aufsicht mit Augenmaß betreiben.

Herr Röseler, wir danken Ihnen für das Interview

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