Zusammenfassung des Verfahrens
Das Oberlandesgericht hat am 26. September 2024 einen Vorlagebeschluss in einem Berufungsverfahren erlassen. Der Fall betrifft einen Rechtsstreit zwischen dem Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände (Kläger) und einem großen Telekommunikationsanbieter (Beklagte). Streitpunkt ist eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Beklagten, die ein einseitiges Änderungsrecht der Vertragsbedingungen vorsieht.
Kernpunkte des Rechtsstreits
- Klage des Verbraucherverbands:
- Forderung: Unterlassung der Verwendung der strittigen AGB-Klausel
- Begründung: Unangemessene Benachteiligung der Verbraucher
- Position der Beklagten:
- Verteidigung: Die AGB-Klausel entspricht dem Wortlaut des § 57 Abs. 1 S. 1 Telekommunikationsgesetz
- Argumentation: Das Gesetz räumt Anbietern das Recht ein, ein Änderungsrecht in AGB vorzusehen
Rechtlicher Hintergrund
- § 57 Abs. 1 S. 1 Telekommunikationsgesetz setzt Art. 105 Abs. 4 Unterabs. 1 der EU-Richtlinie 2018/1972 um
- Unklar ist, ob die Regelung: a) ein einseitiges Änderungsrecht für Unternehmen gewährt oder b) nur die Rechtsfolgen eines anderweitig geregelten Änderungsrechts festlegt
Vorlagefrage an den EuGH
Der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts hat dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist Art. 105 Abs. 4 Unterabs. 1 der Richtlinie (EU) 2018/1972 so auszulegen, dass:
- Anbietern öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste (außer nummernunabhängiger interpersoneller Kommunikationsdienste) das Recht eingeräumt wird, Vertragsbedingungen einseitig zu ändern, wobei Endkunden im Gegenzug ein Sonderkündigungsrecht erhalten, oder
- die Vorschrift ein bereits bestehendes Recht der Anbieter zur einseitigen Änderung voraussetzt und lediglich das daraus resultierende Sonderkündigungsrecht des Endkunden regelt?
Bedeutung der Entscheidung
Die Auslegung durch den EuGH wird entscheidend für die Wirksamkeit der strittigen AGB-Klausel sein:
- Bei Auslegung nach Option 1: Die Klausel wäre voraussichtlich wirksam
- Bei Auslegung nach Option 2: Die Klausel wäre wahrscheinlich unwirksam
Rechtliche Grundlagen
- Art. 267 AEUV: Ermöglicht Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH
- § 57 Abs. 1 S. 1 Telekommunikationsgesetz: Nationale Umsetzung der EU-Richtlinie
- Art. 105 Abs. 4 Unterabs. 1 der Richtlinie (EU) 2018/1972: Europäische Rechtsgrundlage
Die Entscheidung des EuGH wird weitreichende Auswirkungen auf die Gestaltung von AGB im Telekommunikationssektor und möglicherweise darüber hinaus haben.
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