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Bekanntmachung eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Erprobungs-Richtlinie: Transkutane Vagusnervstimulation bei pharmakoresistenter Epilepsie

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Bundesministerium für Gesundheit

Bekanntmachung
eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses
über die Erprobungs-Richtlinie:
Transkutane Vagusnervstimulation bei pharmakoresistenter Epilepsie

Vom 21. März 2024

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat in seiner Sitzung am 21. März 2024 die folgende Erprobungs-Richtlinie beschlossen.

I.

Die Richtlinie wird wie folgt gefasst:

„Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Erprobung der transkutanen Vagusnervstimulation bei pharmakoresistenter Epilepsie (Erprobungs-Richtlinie Transkutane Vagusnervstimulation)

§ 1

Zielsetzung

Um den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in die Lage zu versetzen, eine abschließende Bewertung des Nutzens der transkutanen Vagusnervstimulation (t-VNS) zur Behandlung von Patientinnen und Patienten mit pharmakoresistenter Epilepsie, die für einen epilepsiechirurgischen Eingriff ungeeignet sind oder diesen ablehnen, durchzuführen, sollen im Wege der Erprobung die hierfür nach den §§ 135 und 137c des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) in Verbindung mit den Vorgaben der Verfahrensordnung des G-BA notwendigen Erkenntnisse für die Bewertung des Nutzens der Methode gewonnen werden. Die für die Beantwortung dieser Frage in ihrer Konkretisierung nach § 2 notwendige Studie soll durch eine unabhängige wissenschaftliche Institution (UWI) nach Maßgabe dieser Richtlinie entworfen, durchgeführt und ausgewertet werden. Die Ausgestaltung des Studiendesigns ist – soweit nicht im Folgenden näher bestimmt – von der UWI auf der Basis des Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse vorzunehmen und zu begründen. Bei der Erstellung des Studienprotokolls ist das Wirtschaftlichkeitsprinzip zu beachten.

§ 2

Fragestellung

Die Erprobung soll der Beantwortung der Frage dienen, ob bei Patientinnen und Patienten mit pharmakoresistenter Epilepsie, die für einen epilepsiechirurgischen Eingriff ungeeignet sind oder diesen ablehnen, die t-VNS als Add-on-Therapie zur bestehenden Pharmakotherapie gegenüber alleiniger Pharmakotherapie zu einer relevanten Veränderung des Anfallsgeschehens führt. Es handelt sich um eine Überlegenheitsfragestellung.

§ 3

Population

In die Erprobungsstudie einzuschließen sind Patientinnen und Patienten

mit pharmakoresistenter Epilepsie,
die im Durchschnitt mindestens drei Anfälle pro Monat erleiden,
die für einen epilepsiechirurgischen Eingriff ungeeignet sind oder diesen ablehnen.

Die weiteren Ein- und Ausschlusskriterien (zum Beispiel Alter, Komorbiditäten) sind so festzulegen, dass eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Zielpopulation gemäß Satz 1 ermöglicht wird.

§ 4

Intervention und Vergleichsintervention

1.
Die Prüfintervention ist die t-VNS. Dafür wird durch die Patientinnen und Patienten eine Elektrode am Ohr platziert, mit welcher der aurikuläre Ast des Vagusnervs transkutan stimuliert wird. Die t-VNS wird als Add-on-Therapie zusätzlich zur bestehenden Pharmakotherapie durchgeführt.
2.
Als Vergleichsintervention soll eine Scheinbehandlung vorgesehen werden. Dafür kann durch die Patientinnen und Patienten eine Elektrode am Ohr platziert werden, mit welcher der aurikuläre Ast des Vagusnervs nicht oder nicht ausreichend stimuliert wird. Die Scheinbehandlung soll als Add-on-Therapie zusätzlich zur bestehenden Pharmakotherapie durchgeführt werden.
3.
Sofern aus medizinischer Sicht notwendig, kann die bestehende medikamentöse Therapie in beiden Studienarmen individuell angepasst werden. Änderungen in der medikamentösen Therapie sind zu dokumentieren.
§ 5

Endpunkte

1.
Als primärer Endpunkt soll das Ausmaß der Beeinflussung der epileptischen Anfälle durch die zusätzliche t-VNS 52 Wochen nach Behandlungsbeginn ermittelt werden. Dies soll operationalisiert werden als Anteil von Patientinnen und Patienten, die eine bestimmte prozentuale Reduktion der Anfallshäufigkeit erreichen. Dabei ist die Höhe der prozentualen Reduktion von der UWI so festzulegen, dass auf eine patientenrelevante Beeinflussung der Morbidität geschlossen werden kann. Die Festlegung der Höhe der Reduktion ist gegenüber dem G-BA zu be­gründen.
2.
Als sekundäre Endpunkte sind insbesondere zu erfassen:

Anfallshäufigkeit,
Anfallsfreiheit,
Retention (im Sinne der Zeit unter Therapie; die konkrete Operationalisierung des Endpunkts obliegt der UWI und ist gegenüber dem G-BA zu begründen),
Anfallsschwere,
gesundheitsbezogene Lebensqualität,
Auftreten behandlungsbedingter unerwünschter Ereignisse,
Mortalität, SUDEP (Sudden unexpected death in epilepsy),
Bewältigung von Alltagsaktivitäten,
Morbidität, zum Beispiel Depression.
Die Operationalisierung der Endpunkte sowie die Erhebung und die Operationalisierung weiterer Endpunkte sind jeweils zu begründen.
3.
Sofern vorhanden, sind für alle Endpunkte validierte Erhebungsinstrumente zu verwenden.
§ 6

Studientyp und Beobachtungszeitraum

1.
Die Erprobungsstudie ist als randomisierte, kontrollierte Studie (RCT) zu konzipieren und durchzuführen. Die Studie soll doppelblind und multizentrisch durchgeführt werden.
2.
Zusätzlich zu den Patientinnen und Patienten sollen die Personen, die die Endpunkte erheben und die Personen, die die Endpunkte auswerten, gegen die Intervention verblindet sein.
3.
Der Beobachtungszeitraum ist so zu bestimmen, dass die Gewinnung hinreichender Informationen zu Langzeiteffekten der Intervention sichergestellt ist und soll mindestens 52 Wochen umfassen. Eine Datenerhebung zum Zeitpunkt 20 Wochen nach Beginn der Beobachtung ist ebenfalls vorzusehen.
4.
Die Art und Anzahl weiterer therapeutischer und diagnostischer Interventionen mit Bezug zur Grunderkrankung oder mit möglichem Einfluss auf die zu erfassenden Endpunkte sollen dokumentiert werden.
§ 7

Anforderungen an die Qualität der Leistungserbringung im Rahmen der Erprobung

Es ist in jedem Studienzentrum sicherzustellen, dass die Behandlung gemäß dem Studienprotokoll unter Berück­sichtigung aller erforderlichen, anerkannten, nach ethischen und wissenschaftlichen Gesichtspunkten aufgestellten Regeln für die Durchführung von klinischen Studien erfolgt.

§ 8

Anforderungen an die Durchführung, die wissenschaftliche Begleitung und die Auswertung der Erprobung

1.
Im Auftrag an die unabhängige wissenschaftliche Institution ist diese – unabhängig davon, ob die Erprobung durch den G-BA oder Hersteller oder Unternehmen durchgeführt wird – insbesondere zu verpflichten,

a)
ein Studienprotokoll zu erstellen und dieses sowie gegebenenfalls die Amendments unverzüglich nach Fertigstellung an den G-BA zur weitergehenden Information zu übersenden,
b)
die Konformität des Studienprotokolls mit den Vorgaben der Erprobungs-Richtlinie und bei Abweichungen gegenüber diesen Vorgaben eine Begründung bei Übersendung des Studienprotokolls darzulegen,
c)
die Studie in einem einschlägigen, von der World Health Organization akkreditierten Register klinischer Studien zu registrieren und den Eintrag regelmäßig zu aktualisieren und den G-BA hierüber zu informieren,
d)
zur Durchführung der Erprobung nach den Anforderungen der Richtlinie und nach Maßgabe des Auftrags, einschließlich der datenschutzkonformen Erhebung, Speicherung und Nutzung der Daten und der Einholung von erforderlichen Genehmigungen,
e)
Bericht zu erstatten an den G-BA bei Abweichungen von den Vorgaben in der Erprobungs-Richtlinie,
f)
zur Auswahl der Leistungserbringer, Festsetzung und Auszahlung der angemessenen Aufwandsentschädigung an diese,
g)
zur Auswertung der Studie,
h)
unverzüglich nach Abschluss der Studie den Studienbericht, der entsprechend der International Council for Harmonisation (ICH)-E3-Richtlinie zu erstellen ist, zusammen mit dem statistischen Analyseplan an den G-BA zu übermitteln,
i)
dem G-BA das Recht einzuräumen, ihm auf seine Kosten eine nachträgliche Datenauswertung zur Verfügung zu stellen und
j)
dem G-BA das Recht zur Veröffentlichung zumindest der Synopse des Studienberichts sowie weitergehender für seine Entscheidung relevanter Informationen aus dem Studienbericht und aus den nachträglichen Daten­auswertungen einzuräumen.
2.
Wird die Studie vom G-BA durchgeführt, ist die unabhängige wissenschaftliche Institution in diesem Fall zu verpflichten, an den G-BA zu festgelegten Meilensteinen Bericht zu erstatten. Außerdem ist die unabhängige wissenschaftliche Institution in Ergänzung der Verpflichtung nach Absatz 1 Buchstabe j zu beauftragen, dass sie die Studienergebnisse spätestens drei Monate nach Abnahme des Studienberichts durch den G-BA zur Veröffent­lichung in einer Fachzeitschrift mit wissenschaftlichem Begutachtungsprozess einreicht und dem G-BA das Recht einräumt, im Anschluss an deren Veröffentlichung oder nach Ablauf eines Jahres nach Einreichung der Studienergebnisse den Studienbericht zu veröffentlichen. Die UWI arbeitet vertrauensvoll mit der mit dem Projektmanagement beauftragten Stelle zusammen und hat dieser die zur Ausübung ihrer Aufgabe erforderlichen Informationen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
3.
Wird die Studie durch Medizinproduktehersteller oder Unternehmen durchgeführt, sind diese verpflichtet, die Anforderungen dieser Richtlinie an die Durchführung und Auswertung der Erprobung zu beachten. Um sicherzustellen, dass eine durchgeführte Studie den Anforderungen dieser Richtlinie entspricht und geeignet ist, die notwendigen Erkenntnisse des Nutzens der Methode zu gewinnen, haben die durchführenden Medizinproduktehersteller und Unternehmen dem G-BA das Studienkonzept zur Prüfung vorzulegen und zu erklären, dass der Vertrag mit der unabhängigen wissenschaftlichen Institution den Anforderungen nach Absatz 1 entspricht und eine Einflussnahme durch den Sponsor auf das Ergebnis der Studie vertraglich ausgeschlossen ist. Bei positivem Ergebnis der Überprüfung bescheinigt der G-BA die Konformität des vorgelegten Studienkonzepts mit den Anforderungen dieser Richtlinie und dass damit die im Rahmen der Erprobung erbrachten Leistungen von der GKV übernommen werden; andernfalls teilt er die bestehenden Defizite mit.“
II.

Die Richtlinie tritt am Tag nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.

Die Tragenden Gründe zu diesem Beschluss werden auf den Internetseiten des G-BA unter www.g-ba.de veröffentlicht.

Berlin, den 21. März 2024

Gemeinsamer Bundesausschuss
gemäß § 91 SGB V

Der Vorsitzende
Prof. Hecken

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