Europa steht unter Druck: Krieg, wirtschaftliche Konkurrenz und nationalistische Tendenzen fordern die EU heraus. Die Union muss zeigen, dass sie mit den USA und China mithalten kann. ORF.at befragte Experten zur Bewahrung des Konzepts von Frieden durch Wohlstand.
Frieden durch wirtschaftliche Integration
Helmut Kohl und Francois Mitterrand glaubten, wirtschaftlicher Erfolg könne Kriege verhindern. Brigitte Ederer, Industriemanagerin und ehemalige EU-Staatssekretärin, erinnert an den österreichischen EU-Beitritt 1995. Damals sah man die europäische Integration als notwendig, auch wenn dies nationale Autonomie einschränkte. Für ein kleines Land wie Österreich war der Beitritt zum Binnenmarkt entscheidend.
Russlands Ukraine-Invasion als Wendepunkt
Die EU steht seit der Ukraine-Invasion Russlands unter Druck, mit den USA und China wirtschaftlich mitzuhalten. Die USA locken Investitionen mit dem „Inflation Reduction Act“ an, während China den europäischen Markt mit subventionierten Produkten überschwemmt. Der Internationale Währungsfonds prognostiziert für 2024 ein Wachstum von 2,7 % für die USA, 4,6 % für China, aber nur 1,1 % für die Eurozone.
Verlust an globaler Macht
Die EU erkennt erst seit der Pandemie und dem Ukraine-Krieg, dass sich die Machtverhältnisse verschieben. Harald Katzmair, Netzwerkforscher, betont die Konzentration der Macht bei Rohstoffen und Hochtechnologie. Europa müsse neue forschungspolitische Strategien entwickeln, um international konkurrenzfähig zu bleiben.
Wirtschaftlicher Nutzen der EU-Mitgliedschaft
Gabriel Felbermayr vom WIFO betont die Notwendigkeit europäischer Zusammenarbeit zur Sicherung des Friedens. 2022 betrugen die Kosten der EU-Mitgliedschaft 150 Euro pro Kopf, während die wirtschaftlichen Vorteile bei 3.000 bis 5.000 Euro pro Kopf und Jahr liegen. Felbermayr schlägt vor, statt ausländische Investoren mit Subventionen anzulocken, in die Standortqualität zu investieren.
Kapitalunion und Infrastruktur
Felbermayr spricht sich für eine Kapitalunion und den Ausbau gemeinsamer Infrastruktur aus. Einheitliche Kapitalmärkte könnten den Binnenmarkt stärken und als Hebel für den Export dienen.
Herausforderungen der Vielfalt
Die Vielfalt Europas bietet Chancen, bringt aber auch Uneinigkeit in wichtigen Fragen wie Atomkraft und Industriepolitik mit sich. Ederer betont, dass wirtschaftlicher Pragmatismus funktionieren kann, wenn nicht nationale Interessen dominieren. Ungarn etwa sieht die Union eher als Geldquelle und orientiert sich an anderen Großmächten.
Fazit
Die EU muss ihre wirtschaftliche Integration vertiefen und neue gemeinsame Strategien entwickeln, um ihre Position gegenüber anderen Großmächten zu stärken und den inneren Zusammenhalt zu sichern
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