Startseite Allgemeines Justiz Erschießung eines nächtlichen Einbrechers in Lübeck muss neu verhandelt werden
Justiz

Erschießung eines nächtlichen Einbrechers in Lübeck muss neu verhandelt werden

Daniel_B_photos (CC0), Pixabay
Teilen

Beschluss vom 13. Mai 2022 – 5 StR 99/22

Der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die Revision des Angeklagten ein Urteil des Landgerichts Lübeck aufgehoben. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.

Nach den Urteilsfeststellungen brachen zwei Freunde in der Nacht vom 29. auf den 30. Dezember 2020 in ein vermeintlich leerstehendes verwahrlostes Haus ein. Dort lebte der alkoholabhängige Angeklagte, ein ehemaliger Unteroffizier der Bundeswehr, sozial völlig zurückgezogen in mit Müll und Unrat vollgestellter Umgebung. Der Angeklagte, der in seinem Haus auch Schusswaffen und Munition aufbewahrte, war nach zwei Tagen Alkoholentzuges noch wach und überraschte die Einbrecher gegen 3.30 Uhr. Als sie flohen, setzte er nach und schoss einem der beiden dreimal in den Rücken, wodurch dieser später verstarb. Das Landgericht ist entgegen der Auffassung der psychiatrischen Sachverständigen von einer uneingeschränkt erhalten gebliebenen Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit ausgegangen, hat eine Rechtfertigung wegen Notwehr verneint und die Voraussetzungen des § 33 StGB (Überschreitung der Notwehr) wegen des planvollen Vorgehens des Angeklagten nicht geprüft.

 

Der Bundesgerichtshof hat die Prüfung der Schuldfähigkeit beanstandet, weil sich das Landgericht nicht rechtsfehlerfrei mit der Diagnose der Sachverständigen auseinandergesetzt hat, wonach der Angeklagte an einer alkoholbedingten organischen Wesensveränderung (krankhafte seelische Störung) leidet, die sich auch durch Verminderung hemmender psychischer Mechanismen auszeichne. Zudem wurden die Auswirkungen des zweitägigen Entzuges nicht berücksichtigt. Diese Mängel schlagen auf den Schuldspruch durch, weil eine Neubewertung der psychischen Verfasstheit des Angeklagten auch zu einer neuen Prüfung von § 33 StGB Anlass geben kann.

 

Die Sache muss deshalb noch einmal neu verhandelt und entschieden werden.

 

Vorinstanz:

 

LG Lübeck – Urteil vom 11. November 2021 – 1 Ks 705 Js 64533/20

 

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

 

  • 212 StGB Totschlag

 

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

 

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

 

  • 33 StGB

 

Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.

Kommentar hinterlassen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Ähnliche Beiträge
Justiz

OLG Frankfurt: Geldwäscheverdachtsmeldung

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung Schadensersatzansprüche...

Justiz

Unzulässig

Frankfurter Theater-Doppelanlage: Neubau statt Sanierung Die Stadt Frankfurt hat nach einer eingehenden...

Justiz

Entlassung rechtmäßig

Verwaltungsgericht Koblenz bestätigt Entlassung eines Polizeikommissars wegen unangebrachter Inhalte Das Verwaltungsgericht Koblenz...