Dass eine (im Hinblick auf den geschlossenen Anlagevertrag „vorvertragliche“) Pflichtverletzung des zwischen dem Anleger und dem Finanzdienstleister geschlossenen Auskunfts- oder Beratungsvertrags vorliegt, ist in jedem Einzelfali vom Anleger zu beweisen. Dabei stehen ihm gewisse Erleichterungen in der Darlegung (siehe BGH III ZR 66/12, U. v. 6. Dezember 2012, Gründe II. 1. a)) bzw. sekundäre Darlegungslast des Finanzdienstleisters sowie eine Beweislastumkehr bei der isolierten Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens (vgl. BGH XI ZR 262/10, U. v. 8. Mai 2012, Gründe II. 5. a) aa) m.w.N.) zur Hand. Sollte die Insolvenzschuldnerin direkt auf Feststellung verklagt werden, besteht die Grenze ihrer sekundären Darlegungslast im erforderlichen und zumutbaren Nachhalten beim Finanzdienstieister. An der Beweislast des jeweiligen Anlegers hinsichtlich der Pflichtverletzung (nicht der Kausalität) ändert dies jedoch nichts.
Die individuellen Umstände der Anlagevermittlung oder Anlageberatung vor Beitritt eines jeden Anlegers sind nicht bekannt, dargelegt oder festgestellt. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass der Verkaufsprospekt Arbeitsgrundlage des jeweiligen Finanzdienstleisters war und damit ursächlich für die Anlageentscheidung, wobei er im Zweifel nicht einmal übergeben werden muss, vgl. BGH II ZR 21/06, U. v. 3. Dezember 2007, Gründe II. 2. b); BGH II ZR 202/02, U. v. 14. Juli 2003, ZIP 2003, 1651, 1653 (wenngleich diese Rechtsprechung auch bereits wieder eingeschränkt wurde, s.u. Seite 28). Vorliegend haben die Anleger auf der Beitrittserklärung quittiert, den Verkaufsprospekt erhalten zu haben. Ist der Verkaufsprospekt also in erheblicher Weise fehlerhaft, so ist dementsprechend wahrscheinlich, dass den Anlageinteressen grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch aus zurechenbarer Aufklärungspflichtverletzung (neben Prospekthaftung, dazu am Ende dieses Abschnitts) gegen die Insolvenzschuldnerin erwächst. Ob der Schadensersatzanspruch im Einzelfall tatsächlich besteht und richtig geltend gemacht wird, ist dabei nicht absehbar.
Ob ein Prospekt unrichtige oder unvollständige Angaben enthält, ist nach dem Gesamtbild zu beurteilen, das sich bei einer von dem Anleger zu erwartenden sorgfältigen und eingehenden Lektüre des Prospekts ergibt; BGH II ZR 75/10, U. v. 23. April 2012, Gründe II. 2. a) m.w.N.;
BGH III ZR 149/07, U. v. 28. Februar 2008, VuR 2008, 178 Rn. 8 m.w.N.. Als inhaltlicher Maßstab gilt die ständige Rechtsprechung des BGH, nach welcher dem Anleger für seine Beitrittsentscheidung ein richtiges Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden muss, d.h. er muss über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufgeklärt werden; vgl. BGH II ZR 60/80, U. v. 6. Oktober 1980, BGHZ 79, 337, 344; BGH II ZR 160/02, U. v. 7. April 2003, WM 2003, 1086, 1088; BGH II ZR 66/08, U. v. 22. März 2010, ZIP 2010, 1030 Rn. 9; BGH II ZR 75/10, U. v. 23. April 2012, Gründe II. 2. a) m.w.N..
Darüber hinaus ist die mögliche Fehlerhaftigkeit eines Verkaufsprospekts grundsätzlich aus einer ex ante-Sicht vorzunehmen („Die Interessen des Anlegers sind bereits dann hinreichend gewahrt, wenn die Prognosen im Prospekt durch sorgfältig ermittelte Tatsachen gestützt und – aus ex ante-Sicht – vertretbar sind“; BGH II ZR 75/10, U. v. 23. April 2012, Gründe II. 2. a) aa) (2)). Es ist also darauf zu achten, dass die Prospektangaben nicht bzw. nicht zu sehr im Licht des eingetretenen Schadens und des Schadensverlaufs sowie der daraus erwachsenen Erkenntnisse auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit beurteilt werden. Daran gemessen erscheint der Emissionsprospekt zur LC2 2 insbesondere in folgenden Punkten fragwürdig:
Auf Seite 8 des Verkaufsprospekts zur LC2 („Eckdaten zur Vermögensanlage LombardClassic 2“ im Abschnitt „Das Investitionsangebot im Überblick“) sowie entsprechend im Verkaufsprospekt zur LC findet sich u.a. folgende Formulierung: „Rückzahlung: Der Rückzahlungsbetrag beträgt 100% der Einlage und wird nach 36 Monaten Laufzeit fällig.“
Diese Angabe steht im direkten Widerspruch zu den Regelungen des Gesellschaftsvertrages, welcher eine Verlustbeteiligung des stillen Gesellschafters vorsieht. Dies könnte die Grundlage für eine fehlerhafte (und zurechenbare) Anpreisung der Vermögensanlage als sicher bzw. mit festem Rückzahlungsanspruch sein, ln diesem Zusammenhang wurde mir auch berichtet, dass die Vermögensanlage zum Teil – angeblich gestützt auf ergänzende Vertriebsunterlagen der Insolvenzschuldnerin (die mir nicht vorliegen) – als „Quasi-Festgeld“ beworben worden sein soll.
Als weiterer Prospektmangel dürfte in Betracht kommen, dass wesentliche Verflechtungen unerwähnt geblieben sind. So enthält der Verkaufsprospekt zur LC2 zwar eine umfassende Darstellung der Verflechtungen, insbesondere zwischen EOB, Lombardium Hamburg GmbH & Co. KG sowie Fidentum GmbH. Verschwiegen wird jedoch, dass Frau Ingrid Ebeiing, Mutter von Herrn Patrick Ebeiing (Geschäftsführer der Komplementärin der Lombardium Hamburg GmbH & Co. KG) über die Camaflobe Vermögensverwaltung GmbH Anteile an der Isetreuhand GmbH, der Mittelverwendungskontrolieurin, gehalten hat. Tatsächlich bestand somit die Möglichkeit, dass Frau Ingrid Ebeiing – ggf. über ihren Sohn – maßgeblichen Einfluss auf die Durchführung der Mittelverwendungskontrolle nimmt. Auch wenn ein solcher Einfluss angeblich tatsächlich nie erfolgte: Die im Verkaufsprospekt beschriebene „unabhängige Mittelverwendungskontrolle“ könnte damit riskiert werden. Damit geht insgesamt auch einher, dass Herr Patrick Ebeling als maßgeblicher Hintermann (bis hin zur faktischen Geschäftsführung) der Vermögensanlagen gesehen werden kann, was jedoch nicht prospektiert wurde.
Des Weiteren könnte thematisiert werden, dass der Lombardium Hamburg GmbH & Co. KG die Beleihung von Wertpapieren bzw. Inhabergrundschuldbriefen durch die BaFin mit Verfügung vom 4. Dezember 2015 untersagt wurde. Insofern könnten Zweifel an der Plausibilität der Vermögensanlage unter Berücksichtigung des Prospektinhalts diskutiert werden. Im Verkaufsprospekt zur LC2 findet sich kein Hinweis darauf, dass die Beleihung von Inhabergrundschuldbriefen bzw. Inhaberaktien auf Ebene der Lombardium Hamburg GmbH & Co. KG vorgesehen ist. Im Ergebnis dürfte dies für sich betrachtet jedoch noch keinen Prospektfehler darstellen, da zumindest die Beleihung von „Sonderfäilen“ in den Beleihungsgrundsätzen (S. 87 ff. des Verkaufsprospekts zur LC2) Erwähnung findet. Abgesehen davon ist zu differenzieren zwischen Prospektfehlern einerseits und Ausführungsfehlern andererseits. Dass sich das Management nicht an die Verlautbarungen im Verkaufsprospekt hält, macht dessen Inhalt nicht fehlerhaft.
Ob die Gerichte auf entsprechende Prospektfehler und daraus resultierende Pflichtverletzungen und entsprechenden Schadensersatz des Anlegers erkennen, bleibt abzu warten. Insgesamt erscheint die Fehlerhaftigkeit der Verkaufsprospekte wahrscheinlicher als die Mangelfreiheit.
2.7.4. Prospekthaftung im weitere Sinne
Eine spezialgesetzliche Prospekthaftung der Insolvenzschuldnerin kommt nicht in Betracht. Sie war zum einen nicht formal Prospektverantwortliche (dies war die Fidentum GmbH, siehe Seite 4 des Verkaufsprospekts zur LC2). Zum anderen galt im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts zur LC2 noch das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz. Gemäß § 13 Abs. 1 VerkProspG a.F. in Verbindung mit §§ 44 ff. BörsG a.F. wäre der spezialgesetzliche Schadensersatzanspruch gemäß § 46 BörsG a.F. verjährt.
Hingegen knüpft die Prospekthaftung im weiteren Sinne als Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss nach § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 BGB an die (vor-)vertraglichen Beziehungen der Gesellschaft zum Anleger an; vgl. BGH II ZR 75/10, U. v. 23. April 2012, Gründe II. 1. a) m.w.N.. Üblicherweise wird dies bei Publikumspersonengeselischaften auf die Haftung „nur“ von Gründungsgesellschaftern, Treuhandkommanditisten und/oder prospektverantwortlichen Hintermännern bezogen. Gerade bei zweigliedrigen typischen Gesellschaftern ist diese die Wirtschaftsgemeinschaft der Anleger schützende Reduktion aber nicht veranlasst, sondern kann der Prospektfehler auch an die Inhaberin des Handelsgewerbes zugerechnet werden und diese selbst haften; vgl. BGH II ZR 320/12, U. v. 19. November 2013, Gründe II. 2; BGH II ZR 354/02, U. v. 19. Juli 2004, ZIP 2004, 1706, 1707 f., Zu etwaigen Prospektfehiern gilt das zuvor Ausgeführte. Ob diese bestehen, bleibt abzuwarten.
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Darf man auch wissen wer dies alles geschrieben hat? Es kommt wohl nicht von der Redaktion
Anmerkung der Redaktion:
Ein weiterer Auszug aus dem Insolvenzgutachten.