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Erzeugnisse mit Ginkgo biloba Trockenextrakt sind Arzneimittel

Daniel_B_photos (CC0), Pixabay
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Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. August 2022 (BVerwG 3 B 36.21) ist ein langjähriges Verwaltungsgerichtsverfahren des BVL zu Ende gegangen. Die Auffassung des BVL wurde vollumfänglich bestätigt. Nunmehr herrscht rechtliche Klarheit: Erzeugnisse, die als wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoff sogenanntes monographiekonformes Ginkgo biloba-Trockenextrakt (GbE) enthalten und eine Verzehrempfehlung von 100 mg GbE am Tag geben, sind als Funktionsarzneimittel einzustufen.

Hintergrund:

Gegenstand war der Antrag eines Unternehmens auf Erlass einer Allgemeinverfügung gemäß § 54 LFGB für die Einführung und den Vertrieb von als Nahrungsergänzungsmittel deklarierten Produkten mit einer Dosierung von 100 mg Ginkgo biloba Trockenextrakt pro Tag. Der ursprüngliche Antrag beim BVL war mit Verweis auf die Arzneimitteleigenschaft der Produkte abgelehnt worden. Sowohl im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig (VG Braunschweig, Urteil vom 08.08.2012 – 5 A 52/11) als auch im Berufungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg (OVG Lüneburg – Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 02.11.2017 – 13 LB 31/14) war das klagende Unternehmen unterlegen. Das Gericht hatte die nötigen Voraussetzungen für die Einstufung als Funktionsarzneimittel im Sinne des Art. 1 Nr. 2 Buchst. b Richtlinie 2001/83/EG – nämlich die Zusammensetzung, die pharmakologischen Eigenschaften, die Modalitäten des Gebrauchs und den Umfang der Verbreitung und die Bekanntheit der streitgegenständlichen Produkte bei den Verbrauchern – bejaht. Die möglichen Risiken der Verwendung wurden als nicht mehr entscheidungserheblich angesehen.

Maßgeblicher Streitpunkt der Parteien war das Vorliegen der pharmakologischen Wirkung im Sinne des § 2 Absatz 1 Nr. 2a) Arzneimittelgesetz (AMG) für die streitgegenständlichen Produkte. Das OVG Lüneburg sah mit dem Nachweis der pharmakologischen Wirkung von Produkten mit GbE in einer Dosierung von 80 und 120mg/Tag und dem Nachweis des linearen Anstiegs der pharmakologischen Wirkung zwischen 40 und 240 mg/Tag auch den wissenschaftlichen Nachweis für die pharmakologische Wirkung der streitgegenständlichen Produkte mit GbE in einer Dosierung von 100mg/Tag als erbracht an.

Im weiteren Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 07. November 2019, Az.: 3 C 19.18) bestätigte das Bundesverwaltungsgericht letztinstanzlich u.a. das Vorliegen der pharmakologischen Wirkung. Darüber hinaus entschied das Gericht, dass dies „nicht zwangsläufig zur Beurteilung eines Erzeugnisses als Arzneimittel führt.“ Bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung maß das BVerwG dem Kriterium der möglichen Gesundheitsrisiken ein – bisher in diesem Ausmaß unbekanntes – besonderes Gewicht bei und verwies auf „Auswirkungen eines Erzeugnisses auf die physiologischen Funktionen im Grenzbereich zwischen Nahrungsergänzungs- und Arzneimitteleigenschaft. Eine Einstufung als Arzneimittel [wäre] hier nur gerechtfertigt, wenn dies zum Schutz der Gesundheit erforderlich [sei].“ (Rn. 32 des Urteils). Das BVerwG hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG Lüneburg zurückverwiesen.

Das OVG Lüneburg entschied daraufhin mit Urteil vom 29. September 2021 (13 LB 31/14), dass die streitgegenständlichen Produkte aufgrund der im Verfahren festgestellten Gesundheitsrisiken als Arzneimittel einzustufen seien. Das Gericht war zu der Überzeugung gekommen, dass vernünftige Zweifel an der Unbedenklichkeit der GbE Produkte bestünden. Erzeugnisse mit einer Dosierung von 100mg GbE/Tag sind danach potentiell kanzerogen, erhöhen das Risiko von Blutungen und sind für weitere unspezifische Beeinträchtigungen der menschlichen Gesundheit ursächlich (Rn.135 des Urteils). Darüber hinaus können die festgestellten gesundheitlichen Bedenken nach Ansicht des Gerichts auch auf lebensmittelrechtlicher Grundlage, etwa durch die Beifügung von Warnhinweisen (vgl. Artikel 14 Absatz 3 Buchstabe b der Lebensmittel-Basis-VO (EU) 178/2002), nicht beseitigt werden. Die streitgegenständlichen Risiken bestünden für alle Verbraucherinnen und Verbraucher bei bestimmungsgemäßer Verwendung. Ein solcher Hinweis diene dann lediglich der Bewusstmachung des Risikos als der Vermeidung desselben.

Die Gegenseite versuchte mit einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision das Urteil erneut anzugreifen. Nunmehr wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde mit dem oben genannten Beschluss zurück und bestätigte die Rechtmäßigkeit des Urteils des OVG Lüneburg. Dies gilt insbesondere für die Feststellungen bzgl. der Gesundheitsrisiken, wonach das Gericht u.a. klarstellte, dass zum Nachweis möglicher Gesundheitsrisiken keine Notwendigkeit von klinischen Studien zu den konkret streitigen Produkten durchgeführt werden müssten, sondern eine Ableitung aus Studien zu Arzneimitteln mit etwas höherer GbE Dosierung nicht ausgeschlossen seien. Weiter betonte das Gericht, dass „die Gesundheit beeinträchtigende Wirkungen, die ein Lebensmittel bei bestimmungsgemäßer Verwendung bei allen Verbrauchern“ hervorrufe, (…) durch einem Warnhinweis nicht vermieden werden [könnten]. Auch ein Hinweis auf eine ausschließliche Verwendung des Produkts unter ärztlicher Aufsicht, bei der eine Risiko-Nutzen-Abwägung erfolgen könnte, ändere daran nichts, da ein solcher Hinweis „nur für diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke vorgesehen“ sei.

Zu Details siehe Urteil des OVG Lüneburg sowie den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts.

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