Frage: Frau Bontschev, die BaFin betont immer wieder, dass es ihr bei der Bilanzkontrolle um die Integrität des Kapitalmarkts geht. Stimmen Sie dem zu?
Kerstin Bontschev: Absolut. Die Integrität des Kapitalmarkts ist das Fundament, auf dem Vertrauen und Stabilität ruhen. Ohne sie könnten Investoren nicht sicher sein, dass die veröffentlichten Zahlen der Unternehmen der Realität entsprechen. Das Ziel der BaFin, Transparenz zu schaffen und Manipulationen aufzudecken, ist essenziell.
Frage: Wie bewerten Sie die neuen Prüfmethoden der BaFin, insbesondere seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG)?
Bontschev: Das FISG war ein notwendiger Schritt, um die Kontrollmechanismen zu verschärfen. Die BaFin hat jetzt deutlich mehr Instrumente in der Hand, wie Vernehmungen oder sogar Durchsuchungen und Beschlagnahmen. Das ist nicht nur abschreckend, sondern auch effektiv. Unternehmen wissen nun, dass Verstöße nicht unbemerkt bleiben.
Frage: Die BaFin veröffentlicht Prüfungsanordnungen und Fehlerfeststellungen. Kritiker sehen darin einen Eingriff in die Unternehmensfreiheit. Wie sehen Sie das?
Bontschev: Diese Kritik verstehe ich, aber die Vorteile überwiegen klar. Die Veröffentlichung sorgt für Transparenz und gibt Investoren frühzeitig wichtige Informationen. Natürlich können solche Bekanntmachungen auch Kursbewegungen auslösen, aber das ist Teil eines funktionierenden Kapitalmarkts. Unternehmen müssen damit rechnen, dass Fehlverhalten Konsequenzen hat – auch öffentlich.
Frage: Welche typischen Fehler fallen bei der Bilanzprüfung auf?
Bontschev: Oft geht es um die fehlerhafte Bewertung von Vermögenswerten wie Grundstücken, Beteiligungen oder immateriellen Werten wie Goodwill. Auch Fehler bei der Umsatzrealisierung und in den Kapitalflussrechnungen sind häufig. Zudem gibt es regelmäßig Mängel in Lage- und Risikoberichten. Hier zeigt sich, wie wichtig genaue Prüfungen sind.
Frage: Ab 2025 wird die BaFin auch die Nachhaltigkeitsberichterstattung prüfen. Welche Herausforderungen sehen Sie dabei?
Bontschev: Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) bringt ein völlig neues Regelwerk mit sich, das ähnlich komplex wie die Finanzberichterstattung ist. Unternehmen und Aufsichtsbehörden betreten hier Neuland. Besonders herausfordernd sind die unbestimmten Rechtsbegriffe und die Vielzahl an neuen Anforderungen. Es wird spannend zu sehen, wie schnell Unternehmen und Prüfer sich an die neuen Vorgaben anpassen.
Frage: Wird die BaFin hier sofort mit scharfen Prüfungen starten?
Bontschev: Das glaube ich nicht. Die BaFin hat bereits signalisiert, dass sie zunächst mit Augenmaß prüfen wird. Das ist vernünftig, denn die Anforderungen sind komplex, und es braucht Zeit, um einheitliche Standards zu etablieren. Trotzdem sollte sich niemand in Sicherheit wiegen. Wer versucht, Greenwashing zu betreiben, wird schnell merken, dass die BaFin auch hier ihre Instrumente konsequent einsetzt.
Frage: Vielen Dank für Ihre Einschätzungen, Frau Bontschev.
Bontschev: Gern geschehen.
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