Die Zahl der Riester-Verträge – vor allem Versicherungen und Banksparpläne – sinkt mit Stetigkeit. Die Politik wird sich dieses Themas annehmen und über das Renteneintrittsalter nachdenken müssen.
Der Name dieser Rentenform geht auf einen früheren SPD-Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Walter Riester (1998 – 2002), zurück. Der „Patient Riester“ – gemeint ist die aktuelle Gestaltung der Rente – befindet sich nicht auf einem Weg der Besserung. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) veröffentlicht regelmäßig Statistiken zur privaten Altersvorsorge. Daraus ist zu ersehen, wie viele Verträge nach dem Muster „Riester“ existieren, die von Bürgern des Landes abgeschlossen worden sind. Einige haben sich für Fondssparpläne, andere für Wohn-Riester entschieden. Die Statistik zeigt, dass dieses System kriselt.
Der Nettoneuzugang ist unter Berücksichtigung der Vertragsabgänge negativ. Im ersten Quartal 2017 sind ca. 28.000 Riester-Verträge, im zweiten Quartal „nur“ 4.000 Verträge aufgehoben worden. Der Vertragsbestand zeigte nach dem ersten Halbjahr etwa 16,5 Millionen Verträge. Davon ruhen nach Schätzungen des BMAS gut ein Fünftel der bestehenden Verträge ohne weitere Einzahlungen. Walter Riester weist in einem Referat im September darauf hin, dass er nicht möchte, dass Bürger wegen dieser Rentenform Geld verlieren. Emotionale Themen wie Rente oder Pflege seien kein Motiv für Stimmenfang, sei es in Wahlen, sei es in parteipolitisch gesteuerten Vorträgen! Das könne laut Herrn Riester zu Fehlentwicklungen führen.
Fehlentwicklungen solcher Versprechen können Arbeitnehmer an den Kosten der Mütterrente und der Rente mit 63 ablesen. Er sieht die Äußerung von Frau Merkel, dass bis 2030 kein Handlungsbedarf in Sachen Rente bestehe, als eine Luftnummer. Das Demografie-Problem würde nicht ernst genommen. Die Zahl der Geburten steigt in Deutschland im Durchschnitt jährlich um 5,5 Prozent – Tendenz steigend. Die Sterberate ist in Deutschland Ende 2016 unter die Geburtenrate gefallen. Das ist aus Sicht der Menschen positiv. Die größte Rückversicherung der Welt, Munich RE sieht darin ein Problem in der Finanzierung zukünftiger Altersrenten. Alternativen zur Erhöhung des Renteneintrittsalters fehlen nach Ansicht von Walter Riester. Vorschläge des variablen Renteneintritts von Christian Lindner – für körperlich Tätige ab 60, für Gesunde ab 75 – stoßen bei vielen Politikern auf Unverständnis, denn die wären bei der Gruppe mit 75.
Die Versicherungssparte gehört bei der Riester-Rente zu den größten Verlierern – seit 2014 etwa 11 Millionen Verträge registriert wurden, ging die Zahl der Beteiligten zurück. Zum Ende des ersten Halbjahrs 2017 gab es nur noch 10,8 Millionen Verträge. Die Banksparverträge haben sich auch um etwa ein Prozent pro Quartal vermindert – auf 754.000 Verträge mit einem in Zukunft erwarteten kontinuierlichen Minus! Im Gesamt-Vertragsbestand ist das nicht so deutlich ausgefallen: Wohn-Riester macht es möglich. Die Eigenheimrente konnte im ersten Halbjahr 2017 das Plus von etwa 50.000 Verträgen verzeichnen und besitzt als Allzeithoch mehr als 1,7 Millionen Verträge.
Ein solches haben auch die Riester-Fondssparpläne erreicht – deren Vertragszahl steigerte sich im Hinblick zum ersten Quartal um 11.000 Stück und beträgt nun 3,195 Millionen Exemplare. Die Gesamtsituation dürfte die Politik kaum zufriedenstellen. Im vergangenen Jahr ist der Nettoneuzugang zum ersten Mal negativ ausgefallen. Das gipfelte in der Aussage des bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer: „Die Riester-Rente ist gescheitert.“
Tenor der meisten Parteien ist aber mittlerweile, die Riester-Rente zu reformieren. Denn an einer mangelnden Sparbereitschaft der Deutschen scheint der hinkende Riester-Absatz nicht zu liegen. So ist laut einer anlässlich des nahenden Weltspartages erstellten Studie des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) die Sparquote der Deutschen – also das Verhältnis von Ersparnis und verfügbarem Einkommen – weiterhin hoch.
Diese Quote betrug im ersten Quartal dieses Jahres 9,7 – damit lag sie höher als 2014 (9,5), als Riester-Versicherungen und Banksparpläne Rekordzahlen aufwiesen. Ein mögliches Indiz, dass das Produkt Riester vielen Deutschen wenig attraktiv erscheint. Koalitionsgespräche sollen das Ziel haben die Riester-Rente attraktiver zu machen. Die Liberalen treten dafür ein, dass Investitionen in Infrastruktur, Aktien und andere Unternehmensbeteiligungen gefördert werden sollten. Zudem sollen auch Selbstständige die Möglichkeit zur Riester-Förderung erhalten.
Die SPD plädiert mit Andrea Nahles für die Einführung eines einfachen und kostengünstigen Standardprodukts – weil viele potenzielle Sparer die Riester-Produkte als zu teuer bzw. zu kompliziert empfänden. Die meisten Sparer schaffen es nicht, die staatlichen Zulagen in voller Höhe für sich zu verbuchen. Diese Forderung ist von den Verbraucherzentralen zu hören. Ob diese Idee bei den Parteien einer möglichen Jamaika-Koalition Interesse finden wird, ist als „Basisprodukt“ ein Spiel mit der Zukunft.
Es ist wichtig, Bürgern den Zweck der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge klarzumachen. Sie sollte nie als Alternative, sondern als Ergänzung zur Verfügung stehen. Diese Rolle erfüllt die Riester-Rente trotz aller Bedenken, wie Förderquoten und Zulagenempfänger aufzeigen.
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