Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) hat kürzlich eine europaweite systematische Bewertung von mittelfristigen Risiken im Wohnimmobiliensektor abgeschlossen und in diesem Zusammenhang für den liechtensteinischen Wohnimmobiliensektor aufgrund der hohen Verschuldung der privaten Haushalte eine Risikowarnung ausgesprochen. Der ESRB kommt zum Schluss, dass die direkten Finanzstabilitätsrisiken vom Wohnimmobiliensektor derzeit begrenzt sind, mittelfristig jedoch zusätzliche Massnahmen geprüft werden sollen (www.esrb.europa.eu). Die Risikobewertung des ESRB bestätigt damit frühere Analysen der Finanzmarktaufsicht Liechtenstein (FMA).
In der Vergangenheit identifizierte der ESRB bereits in mehreren Ländern des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) erhebliche mittelfristige Systemrisiken und publizierte in diesem Zusammenhang eine Reihe von länderspezifischen Warnungen und Empfehlungen. Warnungen werden vom ESRB ausgesprochen, um auf erhebliche systemische Risiken im Finanzsystem eines EWR-Mitgliedstaates hinzuweisen. Der ESRB überwacht anschliessend, ob und in welchem Umfang das Systemrisiko adressiert wird und kann gegebenenfalls nach einer Warnung auch die Ausgabe einer Empfehlung in Erwägung ziehen, wenn die identifizierten Systemrisiken nicht in adäquater Weise adressiert wurden. Eine Empfehlung des ESRB enthält im Gegensatz zu einer Risikowarnung ganz konkrete Vorschläge, wie und bis wann die identifizierten Risiken adressiert werden sollen. In diesem Zusammenhang wurden bereits im Jahr 2019 sechs länderspezifische Empfehlungen herausgegeben, in der aktuellen Evaluierung kamen zwei weitere Empfehlungen dazu.
Obwohl die Preisdynamik des liechtensteinischen Wohnungsmarktes in den letzten Jahren moderat geblieben ist, mit nur mässigen Preisanstiegen für Grundstücke und Wohnungen, begleitet von einem rückläufigen Hypothekarkreditwachstum, ist die Verschuldung der Haushalte weiter angestiegen. Dieser Umstand erhöht die Verwundbarkeit von privaten Haushalten gegenüber unerwarteten makroökonomischen Schocks. Um die Haushalte in Liechtenstein stärker vor unerwarteten negativen makroökonomischen Entwicklungen zu schützen und eine weitere Anhäufung von Wohnimmobilienrisiken zu verhindern, schlägt der ESRB in der Risikowarnung eine Stärkung der bereits bestehenden kreditnehmerbasierten Massnahmen vor, insbesondere in Bezug auf einkommensbasierte Instrumente.
Der Ausschuss für Finanzmarktstabilität (AFMS) hat – unabhängig von der nun veröffentlichten ESRB-Risikowarnung, basierend auf den Analysen der FMA und Gesprächen mit den Banken – bereits eine Reihe von Vorschlägen zur Adressierung der Risiken erarbeitet, deren Umsetzung teilweise bereits begonnen wurde. Festzuhalten ist aber auch, dass sich Liechtenstein durch einige Spezifika auszeichnet, die in einer Gesamtbetrachtung berücksichtigt werden müssen. Eine Vergleichbarkeit mit anderen EWR-Mitgliedstaaten ist nur begrenzt möglich, da Liechtensteins Volkswirtschaft einige risikomindernde Faktoren aufweist, die in anderen Ländern nicht vorhanden sind. Dazu gehören unter anderem ein sehr widerstandsfähiger Arbeitsmarkt mit einer tiefen Arbeitslosigkeit, eine gute Kapitalisierung der Banken und tiefe Erwerbs- und Ertragssteuern.
Der AFMS hat bereits in der Vergangenheit festgehalten, dass die Datenverfügbarkeit zum Immobilienmarkt verbessert werden soll, u.a. indem die ESRB-Empfehlung zur Schliessung von Datenlücken umgesetzt wird. Des Weiteren werden neben der Förderung des Risikobewusstseins derzeit auch Massnahmen zu einer angemessenen Stärkung der einkommensbasierten makroprudenziellen Instrumente diskutiert. In diesem Zusammenhang wird der Austausch mit den Banken über risikomindernde Massnahmen weitergeführt, um die Wohnimmobilienrisiken auch mittelfristig adäquat adressieren zu können.
Informationen zum AFMS
Der Ausschuss für Finanzmarktstabilität ist das zentrale Gremium der makroprudenziellen Aufsicht in Liechtenstein. Seine Aufgabe besteht darin, den identifizierten Systemrisiken mit effizienten makroprudenziellen Instrumenten, Empfehlungen und Risikohinweisen entgegenzuwirken, um die Finanzmarktstabilität in Liechtenstein zu stärken. Die Mitglieder des AFMS werden von der FMA sowie dem Ministerium für Präsidiales und Finanzen in den Ausschuss entsendet.
Informationen zum ESRB
Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) ist für die makroprudenzielle Aufsicht über das EWR-Finanzsystem sowie für die Prävention und Begrenzung des Systemrisikos zuständig. Liechtenstein ist seit dem Jahr 2017 Mitglied beim ESRB und nimmt eine aktive Rolle in den ESRB-Gremien ein.
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