Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) betrifft alle Verbraucherinnen und Verbraucher, die ihren Lebens- oder Rentenversicherungsvertrag nach 2008 abgeschlossen haben. Nach deutscher Rechtslage muss ein Versicherer im Falle eines Widerrufs aufgrund einer fehlerhaften Belehrung bislang nur den Rückkaufswert erstatten. Mit dem EuGH-Urteil dürfte diese Regelung allerdings europarechtswidrig sein (Urteil vom 19. Dezember 2019, Az. C-355/18 bis C-357/18 und C-479/18).
Was das konkret für die Versicherungskunden in Deutschland bedeutet, bleibt abzuwarten. Nach unserer Auffassung kann das heutige Urteil allerdings nur eines bedeuten: Im Falle eines Widerrufes müssen Verbraucher alle ihre eingezahlten Prämien zurückerhalten.
Auch in einem zweiten Punkt hat der EuGH heute verbraucherfreundlich geurteilt: Verbraucherinnen und Verbraucher, die ihren Lebens- oder Rentenversicherungsvertrag zwischen 1995 und 2007 abgeschlossen haben und vom Versicherer über ihr Rücktrittsrecht belehrt worden sind, können diesen Vertrag möglicherweise rückabwickeln. Jahrelang hatten Versicherer ihre Kunden nicht darüber aufgeklärt, in welcher Form der Rücktritt von einer Lebens- und Rentenversicherung zu erfolgen hat. Laut EuGH-Urteil ist ein entsprechender Hinweis aber zwingend erforderlich, wenn in den nationalen Gesetzen eine bestimmte Form für die Rücktrittserklärung vorgeschrieben ist.
In Deutschland ist eine bestimmte Form zwar nicht explizit genannt, allerdings musste gemäß dieser Regelung in der Rücktrittsbelehrung ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass eine „rechtzeitige Absendung“ der Erklärung erforderlich ist. Daraus lässt sich aus unserer Sicht ein Schrift- bzw. Textformerfordernis ablesen. Laut der Richter am Europäischen Gerichtshof hätte auf das Erfordernis der Schrift- bzw. Textform hingewiesen werden müssen.
Aufgrund dieser Entscheidung könnten viele Verbraucher ihre Verträge nachträglich rückabwickeln. Für Betroffene kann es im Einzelfall um richtig viel Geld gehen. Daher raten wir Verbrauchern, ihre Verträge von unseren Experten auf die Möglichkeit eines Rücktritts prüfen zu lassen. Allerdings wird die Durchsetzung des Anspruchs nicht ohne Gegenwehr und im Falle einer Klage nicht risikolos sein. Wir gehen davon aus, dass Verträge folgender Unternehmen von dem EuGH-Urteil betroffen sind:
Deutsche Versicherer
- Aachen Münchener
- Vorsorge Lebensversicherung
- Ergo Lebensversicherung, ehemals Victoria Lebensversicherung
- Skandia Lebensversicherung AG
- neueLeben Lebensversicherung AG
- Targo Lebensversicherung, ehemals CiV Lebensversicherung
- LVM Lebensversicherung
- Cosmos Direkt Lebensversicherung
- DEVK Lebensversicherung
- Aspecta Lebensversicherung AG
- Postbank Lebensversicherung
Ausländische Versicherer
- Prisma Life
- AtlanticLux
- Clerical Medical
- Vorsorge Luxemburg S.A.
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