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Europäische Ratingagentur: gute Idee?

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Eine europäische Rating-Agentur wird spätestens seit der europäischen Staatsschuldenkrisen als die richtige Antwort auf vermeintlich fehlenden Wettbewerb und mangelhafte Ratings propagiert.

So naheliegend diese Forderung auf den ersten Blick sein mag: Erstens gehen die Vorstellungen über ihre Aufgaben und ihr Unternehmensprofil weit auseinander und zweitens handelt es sich um einen Markt mit einigen Besonderheiten. Die Gefahr ist groß, dass die Voraussetzungen für eine europäische Rating-Agentur falsch eingeschätzt werden und sie die in sie gesteckten Erwartungen nicht erfüllen kann.

Mehr Wettbewerb – bessere Ratings?
In der EU haben mehr als 20 Rating-Agenturen ihre Zulassung bei der EU-Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA beantragt. Allerdings werden die meisten der in der EU registrierten Rating-Agenturen ihre jeweiligen Marktnischen nicht verlassen und somit keine europäische oder internationale Bedeutung erlangen. Die staatliche Anerkennung der Rating-Agenturen wird allein also nicht ausreichen, um das faktische Oligopol aufzulösen. Dabei wäre mehr Wettbewerb im Rating-Markt prinzipiell wünschenswert.

Damit stellt sich die Frage nach den Voraussetzungen für den Erfolg einer neuen Rating-Agentur. Weithin bekannt ist die Tatsache, dass ein Neuling sich seine Reputation erst aufbauen muss. Um erfolgreich sein zu können, muss er bei Emittenten und Investoren den gleichen Ruf wie die Etablierten genießen. Das erfordert umfangreiche Investitionen, insbesondere in Personal, eine überzeugende Methodik und langen finanziellen Atem.

Dies sind aber nicht die alleinigen Hürden, die eine europäische Rating-Agentur zu nehmen hat. Entscheidend ist die Frage, ob die angestrebten Ziele erreicht werden können. Gerade im Zuge der Staatsschuldenkrise wurde die Verbesserung der Ratingqualität als Ziel einer europäischen Rating-Agentur genannt. Dabei wird jedoch außer Acht gelassen, dass die Beurteilung der Qualität eines Ratings von den jeweiligen Interessen der Marktteilnehmer abhängig und nicht eindeutig bestimmbar ist.

So wird ein Emittent ein höheres Rating – AAA anstatt AA – als eine Verbesserung empfinden, ein potenzieller Käufer wird dagegen die Qualität daran messen, dass das Rating die Ausfallwahrscheinlichkeit exakt wiedergibt und die Vergleichbarkeit von Investitionen über Länder, Branchen und Emittenten hinweg erlaubt. Wie auch immer der Wettbewerbsimpuls aussehen mag, der von einer europäischen Rating-Agentur ausginge, er würde nicht notwendigerweise für alle zu einer besseren Ratingqualität führen. Eine europäische Rating-Agentur würde die Diskussion um die Qualität des Ratings folglich nicht beenden.

Die Wettbewerbsparameter
Dessen ungeachtet wird über den Erfolg einer europäischen Rating-Agentur die Marktsituation entscheiden. Die Hürden für einen Newcomer werden nicht nur sehr hoch sein, weil die Bedingungen der Ratingverordnung erfüllt werden müssen und ihm die Reputation der etablierten Rating-Agenturen fehlt. Sie sind auch hoch, weil die üblichen Alleinstellungsmerkmale eines Dienstleistungsunternehmens – Qualitäts-, Produkt- und geografische Differenzierung – nicht anwendbar sind.

So wird eine Differenzierung der Wettbewerber nach Qualitätsstandards nicht möglich sein, weil die Emittenten und Investoren ein Rating stets bei den Agenturen mit hoher Informationsqualität nachfragen. Dieser Anforderung müssen alle Anbieter genügen, so dass es am Markt nur ein Qualitätsniveau geben kann. Da scheinen die Erfolgsaussichten schlecht, gegen die Marktmeinung und ohne lange bewährte Reputation andere Standards durchsetzen zu wollen. Das war aber gerade die Forderung, dass sich eine europäische Rating-Agentur durch eine eigene Methodologie von den übrigen Rating-Agenturen unterscheiden solle.

Auch eine regionale Differenzierung bietet keinen Ansatzpunkt für einen neuen Wettbewerber: Obwohl unterschiedliche nationale Regulierungen der Finanzmärkte auf den ersten Blick für eine Chance zur Differenzierung sprechen, ist diese tatsächlich nicht gegeben. Das Ziel von Ratings ist die globale Vergleichbarkeit von Kreditausfallwahrscheinlichkeiten. Die Emittenten sind gerade an dieser Eigenschaft interessiert, denn sie wünschen sich die größtmögliche Investorenbasis für ihre Produkte. Rating-Agenturen bedienen also den Informationsbedarf eines globalen Finanzmarktes, eine regionale Differenzierung ist dabei eher hinderlich. Zudem: Die Ratings müssen internationale Investoren interessieren; denn die meisten europäischen Unternehmen wollen ihre Papiere international vertreiben. Eine europäische Agentur mit internationalen Ambitionen wird aber immer einer gewissen Skepsis hinsichtlich ihrer Objektivität gegenüber Unternehmen aus dem eigenen Land begegnen.

Die dritte klassische Strategie, um sich von Wettbewerbern abzusetzen, besteht in der Produktdifferenzierung. Eine Rating-Agentur könnte sich etwa auf einzelne Industrien, zum Beispiel Banken, oder auf einzelne Produkte, zum Beispiel Staatsanleihen, konzentrieren. Es wurde ja bereits wiederholt eine europäische Rating-Agentur für Staatsanleihen der Eurozone gefordert. Allerdings besteht hierbei das gleiche Problem wie bei der geografischen Differenzierung. Rating-Agenturen, die in allen Marktsegmenten tätig sind, müssen aufgrund der fehlenden Möglichkeiten zur Qualitätsdifferenzierung genau so gut sein wie die Spezialisten. Deshalb wird es den Rating-Spezialisten schwer fallen, ein besseres Rating zu publizieren. Die Hoffnung, mit einer europäischen Rating-Agentur „bessere“ Ratings für Staatsanleihen zu erhalten, dürfte daher vermutlich vergeblich sein. Zudem sind keine Nischen zu erkennen, in denen der Wettbewerb mit den etablierten Agenturen intensiviert werden könnte. Die größten Rating-Teilmärkte (Unternehmen, Banken und strukturierte Finanzierungen bzw. Covered Bonds) werden bereits umfassend abgedeckt. Und dort, wo Nischen sich vorrangig anbieten (etwa im Bereich der Ratings von Versicherungen), sind sie bereits besetzt.

Die Chancen für einen erfolgreichen europäischen Markteinstieg sind begrenzt
Fazit: Der Markt für Ratings zeichnet sich dadurch aus, dass die Nachfrage beschränkt ist – auf Ratings der besten Qualität und auf Rating-Agenturen, die alle Formen von Kreditrisiken untersuchen. Und dieser Markt ist prinzipiell global. Damit ist klar, dass ein zusätzlicher Marktteilnehmer nicht zwingend zu einer besseren Wettbewerbssituation und zu verlässlicheren Ratings führt. Es kann ganz im Gegenteil nicht ausgeschlossen werden, dass die Qualität der Ratings sogar schlechter würde. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn der neue Marktteilnehmer günstigere Ratings anbieten muss, um im Markt Fuß zu fassen. Diese würden aber die wahren Risiken nicht reflektieren und müssten im Zeitverlauf wohl gesenkt werden.

Letztlich kann es also von Vorteil sein, wenn der Markt nur von wenigen Rating-Agenturen besetzt wird, weil dadurch eine größere Konsistenz und Gleichförmigkeit der Ratings sichergestellt wird. Und: Die Investoren wären wahrscheinlich unwillig oder überfordert, Ratings einer großen Zahl von Agenturen, die mit einer ebenso großen Zahl unterschiedlicher Ratingmethoden entwickelt werden, miteinander zu vergleichen. Der Wettbewerb in der Methodik ist aber zwingend für die Effizienz eines Rating-Markts.

Es ist zudem schwer erkennbar, wer in Europa bereit und in der Lage ist, das erforderliche Kapital zur Verfügung zu stellen, ein beachtliches Verlustrisiko einzugehen und für lange Zeit auf eine Verzinsung zu verzichten. Das gilt umso mehr als der Gründerkreis kaum Unternehmen umfassen darf, die für ihre Emissionen selbst Ratings benötigen oder wünschen. Damit scheiden letztlich auch staatliche Stellen aus. Denn eine staatliche Finanzierung oder gar die Nähe zu einer Notenbank wäre allerdings für die Marktakzeptanz mindestens hinderlich. Die Chancen für eine europäische Rating-Agentur, den drei großen Rating-Agenturen auf Augenhöhe zu begegnen, werden deshalb ausgesprochen gering sein.

Denkbar wäre allenfalls, dass Ratings einer europäischen Rating-Agentur für Investoren direkt oder indirekt als verbindliche europäische Vorgabe erklärt werden. Damit wären Emittenten gezwungen, neben den für internationale Akzeptanz notwendigen Ratings der drei großen Agenturen ein Europa-Rating einzuholen. Im Ergebnis würden schlicht die Kosten für die Emittenten steigen.

Die politische Meinung
Der Gouverneur der Österreichischen Nationalbank, Ewald Nowotny, forderte eine europäische Rating-Agentur, die die Finanzsituation der Staaten bewertet.

Der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker sagte, es sei sinnvoll, „dass wir in Europa selbst eine eigene europäische Rating-Agentur auf die Beine stellen, damit wir beim Bewerten sichere und belastbare Daten aus Europa selbst haben.“ Diese sollte möglichst im Umfeld der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelt werden.

Der Europaabgeordnete Wolf Klinz verlangt, die Gründung einer unabhängigen Stiftung für Finanzprodukte zu prüfen, die den Aufbau eines eigenen Ratings für Staaten in Angriff nehmen soll.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin fordert dagegen eine unabhängige Finanzierung.

Und schließlich forderten der französische Präsident Nicolas Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel die EU-Kommission auf, „Vorschläge zur Stärkung des Wettbewerbs zwischen den Rating-Agenturen zu unterbreiten.“

Quelle:Bundesverband Deutscher Banken

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