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Evangelischer Pastor präsentiert Plan für demokratischen Aufbruch in Trumps zweiter Amtszeit

OpenClipart-Vectors (CC0), Pixabay
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Der bekannte evangelische Pastor Rev. Dr. William Barber II hat sich als Vorkämpfer für soziale Gerechtigkeit und die Interessen von Armen und Arbeiter*innen in den USA einen Namen gemacht. Inmitten der politischen und gesellschaftlichen Unruhen nach der Wiederwahl Donald Trumps zeigt Barber mit seiner Vision einer „multirassischen und multiklassigen Demokratie“ neue Wege auf, die Demokratische Partei zu erneuern und die amerikanische Demokratie zu stärken.

Die Hintergründe der Wahlniederlage von Kamala Harris

Donald Trumps erneuter Wahlsieg, bei dem er trotz weniger Stimmenanteile landesweit alle sieben Swing States für sich gewinnen konnte, hat die Demokraten in eine Krise gestürzt. Besonders schmerzlich war die Niederlage von Vizepräsidentin Kamala Harris, deren Unterstützer*innen noch immer versuchen, die Gründe für den Verlust zu verstehen. Während einige die hohen Lebenshaltungskosten als Hauptgrund nennen, sehen andere tief verwurzelte Probleme wie Rassismus und Sexismus im Wahlkampf.

Für Barber, der oft mit Martin Luther King Jr. verglichen wird, liegen die Ursachen tiefer: Die Demokraten hätten zu wenig getan, um die Themen der Armen und Arbeiter*innen ins Zentrum ihres Wahlkampfes zu rücken. Ein Teil der Bevölkerung habe sich enttäuscht von der Politik abgewandt, weil ihre Anliegen ignoriert wurden. „30 Millionen arme und geringverdienende Menschen haben nicht gewählt, weil niemand mit ihnen über ihre Probleme gesprochen hat“, sagt Barber.

Eine Vision der „Fusion-Politik“

Barber, der Direktor des „Center for Public Theology and Public Policy“ an der Yale Divinity School und Mitbegründer der Organisation Repairers of the Breach ist, glaubt an die Kraft der „Fusion-Politik“. Diese setzt auf die Bildung breit aufgestellter Koalitionen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, die die traditionellen Grenzen von konservativ und progressiv überwinden. Er betont, dass Rassismus nicht nur Schwarze treffe, sondern die wirtschaftlichen Interessen der gesamten Arbeiterklasse untergrabe. „Rassismus mag Schwarze ins Visier nehmen, aber er zerstört die Demokratie und die Menschlichkeit“, so Barber.

Seine Erfolge im Heimatstaat North Carolina zeigen, dass diese Strategie funktioniert. Als Mitbegründer der „Moral Mondays“-Bewegung baute er eine multirassische Koalition auf, die zur Abwahl eines republikanischen Gouverneurs führte und den Staat in ein politisches Schlachtfeld verwandelte. Auch bei den Wahlen 2024 gewannen die Demokraten in North Carolina wichtige Ämter wie das des Gouverneurs und des Generalstaatsanwalts – ein Zeichen dafür, dass Barbers Ansatz, die Anliegen der Armen und Arbeiter*innen in den Mittelpunkt zu stellen, Wirkung zeigt.

Warum Trump trotz seiner Skandale gewinnen konnte

Barber äußert scharfe Kritik an der Wiederwahl Trumps, den er als „faschistisch“ und „unmoralisch“ bezeichnet. „Wenn Kamala Harris auch nur die Hälfte von dem getan hätte, was Trump tut – lügen, fluchen, das Gesetz ignorieren –, wären ihre Umfragewerte sofort abgestürzt“, sagt Barber. Dennoch sei es nicht überraschend, dass Trump so viele Unterstützer*innen habe, da ein Teil der US-Gesellschaft tiefgreifende Probleme habe. „Für Menschen, die trotz seiner Taten weiterhin zu ihm stehen, zeigt das, dass etwas in unserer Gesellschaft grundlegend falsch ist.“

Ein weiteres Problem sieht Barber in der niedrigen Wahlbeteiligung, die extremistischen Kräften wie Trump zugutekomme. „In einer Demokratie reicht es nicht aus, nur wütend zu sein. Sie erfordert Engagement“, mahnt Barber.

Die Verantwortung der Demokraten

Barber kritisiert nicht nur die Republikaner, sondern auch die Demokraten. Sie hätten es versäumt, die Lebensrealität der Arbeiterklasse und der Armen in den Mittelpunkt ihrer Politik zu stellen. „Demokraten sprechen gerne von der ‚Mittelschicht‘, aber sie vermeiden es, über Armut und Niedriglöhne zu reden“, sagt Barber. Dies sei ein schwerwiegender Fehler, da in den meisten Swing States arme und geringverdienende Wähler*innen mehr als 40 % der Wählerschaft ausmachten. „Würde nur ein kleiner Prozentsatz dieser Menschen um eine soziale Agenda mobilisiert, könnten sie das Wahlergebnis grundlegend verändern.“

Er fordert die Demokraten auf, eine „moralische Agenda“ zu verfolgen, die auf grundlegenden Werten wie fairen Löhnen, Gesundheitsversorgung und sozialer Gerechtigkeit basiert. Diese Themen seien in der Öffentlichkeit breit akzeptiert, würden aber von beiden Parteien oft vernachlässigt.

Ein Aufruf zum Widerstand und zur Hoffnung

Trotz der Niederlage von Kamala Harris bleibt Barber optimistisch. Er sieht die USA inmitten der „Geburtswehen eines Dritten Wiederaufbaus“ – ein Begriff, den er für die fortwährende Entwicklung hin zu einer gerechten, multirassischen Demokratie verwendet. „Die Geschichte zeigt, dass Ungerechtigkeit immer zu weit geht und letztlich ihren eigenen Widerstand hervorruft“, sagt er.

Für Barber ist dies kein Moment, um aufzugeben oder sich zurückzuziehen. Stattdessen ruft er zu erneuter Mobilisierung auf: „Unsere Vorfahren hatten nicht den Luxus, einfach wegzugehen. Eine Demokratie verlangt Engagement. Sich auszuklinken ist der sicherste Weg, extremistischen Kräften die Macht zu überlassen.“

Die Vision einer multirassischen Demokratie

Auf die Frage, ob er noch an die Möglichkeit einer echten multirassischen Demokratie in den USA glaube, antwortet Barber: „Oh ja. Ich glaube daran. Es ist harte Arbeit, aber wir haben in der Vergangenheit bereits zwei Versuche gesehen – während der Reconstruction-Ära im 19. Jahrhundert und der Bürgerrechtsbewegung der 1950er und 60er Jahre. Auch wenn diese Bewegungen niedergeschlagen wurden, haben sie den Boden für den nächsten Schritt bereitet.“

Barber ist überzeugt, dass es Zeit für einen dritten Versuch ist. Seine Botschaft an progressive Kräfte und die Demokraten ist klar: „Habt keine linke oder rechte Agenda. Habt eine moralische Agenda. Hebt diejenigen, die am meisten leiden, nach oben. Und erinnert euch daran: Die Demokratie hängt von ‚Wir, dem Volk‘ ab.“

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