Von unserem Auslandskorrespondenten
Was einst als das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ galt, wird für viele seiner Bürger zunehmend zu einem Ort der Angst, Wut und Ohnmacht. Seit der Rückkehr von Donald J. Trump in die politische Arena und dem zunehmenden Einfluss seiner Anhänger auf Regierung, Medien und Justiz erleben die Vereinigten Staaten eine neue Welle von Auswanderung – diesmal nicht von Verfolgten, sondern von jenen, die sich im eigenen Land entfremdet fühlen.
Tausende Amerikaner beantragen derzeit Asyl – und das nicht etwa in Kanada oder Mexiko, wie es gelegentlich vorkam, sondern auch in weiter entfernten Ländern wie Deutschland, Schweden oder sogar Neuseeland. Ihre Begründungen reichen von politischer Repression bis zu wachsender Gewaltbereitschaft, einer zunehmenden Spaltung der Gesellschaft und der Angst vor einem endgültigen Zusammenbruch demokratischer Strukturen.
„Ich habe mich nie sicherer gefühlt als jetzt – und das, obwohl ich in einem Land lebe, das für viele als gefährlich gilt“, erzählt Julia M., eine ehemalige Lehrerin aus Ohio, die vor einem halben Jahr nach Berlin zog. „Ich hatte das Gefühl, in Amerika nicht mehr atmen zu können. Alles wurde politisch – sogar das Wetter.“
Diese Fluchtbewegung ist nicht nur symbolisch: Immer mehr Amerikaner gehen sogar so weit, ihre US-Staatsbürgerschaft aufzugeben. Laut offiziellen Zahlen des US-Finanzministeriums haben im vergangenen Jahr über 6.000 Menschen diesen Schritt vollzogen – eine Rekordzahl. Auch wenn der Hauptgrund oft die komplexen Steuergesetze für im Ausland lebende US-Bürger ist, wird immer häufiger auch der politische Zustand des Landes genannt.
Mit Trumps aggressiver Rhetorik, der Rehabilitierung rechtsextremer Positionen und der gezielten Schwächung unabhängiger Institutionen fühlen sich viele Menschen – besonders aus Minderheiten, der LGBTQ+-Community und intellektuellen Kreisen – nicht mehr willkommen. Hinzu kommt eine anhaltende Waffengewalt, eine stark politisierte Justiz und eine Medienlandschaft, die kaum noch zwischen Meinung und Fakten unterscheidet.
Ein kanadischer Einwanderungsbeamter sagte kürzlich scherzhaft: „Früher kamen Leute wegen Jobs oder Liebe. Jetzt kommen sie wegen Trump.“
Doch was bedeutet dieser Trend langfristig? Experten sprechen von einer potenziellen „geistigen Entleerung“ des Landes, da viele gut ausgebildete, kreative und engagierte Menschen das Land verlassen. Manche vergleichen die Situation sogar mit historischen Exilwellen autoritärer Regime.
Ob es sich dabei um eine temporäre Flucht oder eine dauerhafte Abkehr vom amerikanischen Traum handelt, bleibt offen. Fest steht jedoch: Die politische Lage in den USA hat längst nicht nur nationale, sondern auch globale Auswirkungen – und sie macht Angst. Nicht nur denen, die fliehen, sondern auch denen, die bleiben.
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