Explodierende Energiepreise bringen immer mehr Verbraucher:innen in Bedrängnis. Zahlreiche Strom- und Gasanbieter haben sich trotz vertraglicher Vereinbarungen aus dem Markt zurückgezogen und die Versorgung ihrer Kunden einseitig eingestellt.
Verbraucher:innen, die in die Grundversorgung gerutscht sind, müssen zum Teil deutlich höhere Preise als Bestandskunden zahlen, wie eine aktuelle Untersuchung des vzbv belegt. Der vzbv hält dieses Zweiklassen-System für falsch, weil es den Wettbewerb untergräbt, und fordert die Politik zum Handeln auf. Nötig sind mehr Transparenz, und eine stärkere Aufsicht.
„Einige Strom- und Gasanbieter haben offensichtlich auf ein kurzsichtiges Geschäftsmodell gesetzt und sind ihrer Verantwortung gegenüber ihren Kund:innen nicht gerecht geworden. Das war aber auch möglich, weil die Transparenzpflichten und die Regulierung nicht ausreichend waren. Jetzt dürfen nicht die Verbraucher:innen die Zeche für diese unseriösen Geschäftsmodelle und schlechte Marktregulierung zahlen. Die Politik muss den Verbraucherschutz auf dem Energiemarkt krisensicherer machen,“ sagt Thomas Engelke, Leiter des Teams Energie und Bauen beim vzbv.
Vorgestern hat Wirtschaftsminister Robert Habeck rechtliche Änderungen angekündigt, um das Problem der Anbieter, die auf Kosten der Verbraucher:innen den Markt verlassen, anzugehen.
Politik muss Tariferhöhungen überprüfen
Nach der ersten bitteren Pille durch einige Strom- und Gasanbieter wurden die Verbraucher:innen dann auch noch von Grundversorgern mit exorbitanten Preisvorstellungen konfrontiert.
Der vzbv hält eine Unterscheidung zwischen Neu- und Bestandskund:innen in der Ersatz- beziehungsweise Grundversorgung für rechtlich unzulässig, gefährlich für einen fairen Wettbewerb und auch nicht nachvollziehbar.
Eine aktuelle Untersuchung der Marktbeobachtung Energie des vzbv zeigt, dass einige – aber eben nicht alle – Stromgrundversorger deutlich teurere Neukundentarife eingeführt haben. Verbraucher:innen müssen hier nun aktuell jährliche Mehrkosten zwischen 889 Euro bis zu 1654 Euro gegenüber den Bestandskund:innen aufwenden. Damit zahlen Neukund:innen mit einem durchschnittlichen Stromverbrauch (3.500 kWh) bei zwei Energieversorgern (Frankfurt/Main, Leipzig) sogar mehr als das doppelte als Bestandskunden.
Die Untersuchung zeigt, dass es aber offensichtlich auch anders geht. In zwei Städten (Bremen, Stuttgart) haben die Stromgrundversorger die Preise leicht gesenkt. In sieben Städten (Berlin, Hamburg, München, Düsseldorf, Essen, Hannover, Nürnberg) blieben sie nahezu stabil. Untersucht wurden die Grundversorgungstarife der 14 bevölkerungsreichsten Städte Deutschlands, vom 12. bis 17. Januar 2022.
„Der Verdacht liegt nahe, dass einige Anbieter ihre Kosten einseitig auf Neukund:innen abwälzen wollen. Die überhöhten Tarife sind für uns nicht nachvollziehbar“, so Engelke.
Im Gasbereich zeigt sich ein ähnliches Bild. In der Hälfte (Berlin, Köln, Frankfurt/Main, Leipzig, Dortmund, Essen, Dresden) der 14 untersuchten Städte haben die Gasgrundversorger einen separaten Tarif für Neukund:innen eingeführt. Hier ergeben sich für einen Durchschnittshaushalt (20.000 kWh) für Neukund:innen Mehrkosten von 1.118 Euro bis zu 3.802 Euro im Jahr.
Der vzbv fordert die Bundesregierung auf, die Tariferhöhungen der Grundversorger zu überprüfen und bei Missbrauch gegen die Anbieter vorzugehen.
Pläne, solche Tariferhöhungen durch eine Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes zu legalisieren, lehnt der vzbv ab. Preise in der Grundversorgung dürften nicht unreguliert in die Höhe schnellen. Sollte sich die Bundesregierung doch dazu entscheiden, müssten Schutzmechanismen wie Befristung, Preisdeckelung und eine Begründungspflicht gegenüber den Aufsichtsbehörden eingeführt werden, um Willkür und Wildwuchs auszuschließen.
Zweiklassen-System unterminiert den Wettbewerb
Aus Sicht des vzbv ist zu befürchten, dass ein Zweiklassen-System in der Grundversorgung die Wechselbereitschaft von Verbraucher:innen weiter herabsetzt und damit einen funktionierenden Wettbewerb auf dem Energiemarkt unterminiert. Die derzeit geäußerte pauschale Kritik an Verbraucher:innen („Bonushopper“), die häufig den Anbieter gewechselt haben, ist fehl am Platze.
„Verbraucher:innen, die den Anbieter wechseln, beleben den Wettbewerb auf dem Energiemarkt. Das führt am Ende zu niedrigeren Preisen für alle. Es wäre falsch, den Ansatz eines liberalisierten Energiemarktes aufzugeben. Verbraucher:innen müssen wechseln können und die Politik muss sicherstellen, dass Anbieter ihre Verpflichtungen erfüllen. Unseriöse Unternehmen sollten schärfer in den Blick genommen werden und erst gar nicht am Markt agieren. Den Schaden haben nun hunderttausende Verbraucher:innen“, so Engelke.
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