Interview mit Rechtsanwalt Christian Röhlke, Berlin, zum Thema: FACTO Financial Services AG – Amtsgericht ordnet Insolvenzverfahren an – Forderungsanmeldung bis zum 23.11.2018
Herr Rechtsanwalt Röhlke: „Was ist los bei der Facto?“
Antwort Röhlke: „Das Amtsgericht München hat am 01.10.2018 das Insolvenzverfahren über die FACTO Financial Services AG eröffnet und den Rechtsanwalt Dr. Hubert Ampferl zum Verwalter bestellt. Das zum Aktenzeichen 1507 IN 2024/18 geführte Verfahren war als Eigeninsolvenzantrag bereits seit dem 26.07.2018 anhängig. Betroffenen Kunden der FACTO ist eine Frist bis zum 23.11.2018 gesetzt, ihre Forderungen bei dem Verwalter anzumelden.“
Ein Berichtstermin findet am 15.01.2019 im Amtsgericht München statt.
Frage: „Was war überhaupt das Geschäftsmodell der FACTO?“
Antwort: „Abwicklung von Lebensversicherungen für die Kunden. Der Kunde hat also eine Lebensversicherung und ist unzufrieden. Dann kann er selber kündigen oder klagen, verkaufen, beleihen. Es geht immer nur um Geld. Wieviel Geld bekommt der Kunde aus der Versicherung. Die Rechtslage ist kompliziert. Jedenfalls hatte Facto die Möglichkeit eröffnet, den Geldbetrag zu optimieren. So war die Werbeaussage….“
Frage: „Welche Modelle hatte die Facto?“
Antwort: „Die Facto hatte dem Kunden 4 sog. Servicemodelle angeboten, bei denen sich das Kostenrisiko für die Anleger jeweils unterschied und damit auch die Erfolgsbeteiligung der FACTO. Modell A war für die rechtschutzversicherten Kunden, die kein Kostenrisiko trugen. Hier vermittelte FACTO lediglich einen Anwalt und nahm dafür bis zu 45 % des Erlöses. Modell B sah eine Kostenübernahme durch FACTO vor gegen Beteiligung von 50 %, also eine Prozesskostenfinanzierung. Modell C war wie Modell AG, nur dass hier der Kunde alle Kosten selbst trug – FACTO nahm für die Organisation der Rückabwicklung bis zu 35 %. Und Model D schließlich war für den Kunden besonders riskant: er trat seine Ansprüche gegen die Versicherung an die FACTO ab und erhielt binnen sechs 20 % des von FACTO errechneten Mehrwertes, nach Abschluß des von FACTO auf eigene Kosten geführten Verfahrens einen anteiligen Rest. Dies erinnert fatal an die Policenaufwertungsmodelle der letzten Jahre, die letztlich sich als Ponzi-Schema oder Schneeballsystem herausstellten.“
Frage: „Was bedeutet dies für die Kunden der FACTO?“
Antwort: „Die FACTO selbst teilt auf ihrer Homepage mit, dass diejenigen Kunden, die bereits einen von Facto vermittelten Anwalt mandatiert haben, keinen Handlungsbedarf haben. An dieser Darstellung können Kunden berechtigt zweifeln. Denn zumindest Kunden der Vertragsarten B und D dürften jetzt erkennen, dass die Versprechungen der FACTO trügerisch waren. Modell B sah eine Kostenübernahme bei einem Gerichtsprozess vor – diese Kosten bleiben jetzt eventuell bei dem Kunden hängen, FACTO kann diese nicht mehr begleichen. Im Modell D sind Auszahlungsansprüche abgetreten und dürften jetzt in die Insolvenzmasse fallen. Vielfach sind diese noch gar nicht durchgesetzt – welchen Anteil die Kunden hier vom Verwalter bekommen sollen, ist völlig offen. Hier droht ein Totalverlust. Und auch Kunden der Module A und C, die die Kosten entweder selbst tragen oder von einer Rechtsschutzversicherung übernehmen lassen, stellen sich die Frage: muss ich den Erlös mit dem Insolvenzverwalter teilen? Die Antwort auf diese Fragen wird der Verwalter hoffentlich durch einen Rundbrief erteilen“.
Frage: „Stimmt es also, dass Kunden der Facto jahrelang ihre Altersvorsorge brav gezahlt haben und dann einen Deal mit Facto gemacht haben, im Regen stehen?“
Antwort: „Ja, dass kann sein. Für Kunden dürfte jetzt entscheidend sein, die Hoheit über das Verfahren wiederzugewinnen. Dies bedeutet eine sorgsame Ermittlung des Schicksals des jeweiligen Vertrages und möglicherweise die Kündigung der Verträge mit der FACTO oder den von der FACTO beauftragten und vermittelten Rechtsanwälten. Bereits eingeleitete Gerichtsverfahren sollten unabhängig auf die Ordnungsgemässheit der Prozessführung geprüft werden, zudem müssen die weiteren Schritte des Insolvenzverwalters beobachtet werden. Fristen sollten nicht versäumt werden.“
Frage: „Was war das jetzt mit der angeblichen Eigeninsolvenz und Eigenverwaltung?“
Antwort: „Wer Verwirrung stiftet, kann von seinem eigenen Versagen ablenken. Wir haben es jetzt amtlich: ein Insolvenzverwalter ist eingesetzt. Trotzdem muss der Kunde von Facto sich kümmern und zwar auf zwei Ebenen: Insolvenzverwalter und eigener Vertrag.“
Fazit: Viele Jahre haben die Deutsche der deutschen Versicherungswirtschaft vertraut und eine Lebensversicherung gehörte zum guten Ton. Richtig gemütlich war es bis Anfang der neunziger Jahre. Dann wurde der Markt in Europa geöffnet und der Wind wurde rauer. In den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts entdecken findige Juristen Formfehler bei den Versicherungen und klagte bis zum Europäischen Gerichtshof, um die Versicherungen rückabzuwickeln. Die Finanzkrise 2008 lies die Rendite schwinden.
Anbieter wie der LV Doktor aus Halle oder später Facto und so weiter traten auf den Markt und wollten dem Publikum helfen, Gelder zurückzubekommen. Jetzt ist schon wieder ein Anbieter gescheitert. Übrig geblieben sind im Grunde nur Verlierer: die Lebensversicherungen haben einen üblen Ruf….. die Facto Insolvenz tut ihr übriges.
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