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Facto Financial Services AG – Interview mit RA Marc Ellerbrock, BEMK Rechtsanwälte, Markdorf/Bielefeld

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Herr Ellerbrock, am Freitag sind erste Informationen zurm möglichen Insolvenzantrag der Facto Financial Services AG aus München bekannt geworden. Was lässt sich bis jetzt schon sagen?

Naturgemäß liegen noch keine Informationen vor, insbesondere auch nicht zu den Gründen des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Im Internet finden sich die üblichen Spekulationen, nicht näher genannte „Branchenkenner“ werden zitiert usw. Ich halte davon wenig. Man sollte jetzt die Experten, und damit meine ich insbesondere den vorläufigen Insolvenzverwalter und sein Team, ihre Arbeit machen lassen.

Was kann die Insolvenz aus Ihrer Sicht für die Verbraucher bedeuten, die ihre Lebensversicherungen über die Facto AG abwickeln lassen wollten?

Soweit es mir bekannt ist, hat die Facto AG im Wesentlichen zwei Modelle zur Rückabwicklung von Lebensversicherungsverträgen angeboten. Sofern der Kunde über eine Rechtsschutzversicherung verfügte, hat sich die Rolle der Facto AG – vereinfacht ausgedrückt – darin beschränkt, den Kontakt zu einem Rechtsanwalt herzustellen, der den Rückabwicklungsanspruch gegen den Versicherer dann ggf. gerichtlich geltend machte. In dieser Konstellation sehe ich zunächst keine Probleme für die Verbraucher. Das Mandatsverhältnis mit dem beauftragten Rechtsanwalt dürfte fortbestehen, der Verbraucher kann sein Rückabwicklungsbegehren ganz normal weiter verfolgen.

Anders gelagert sind die Fälle, in denen der Verbraucher über keine Rechtsschutzversicherung verfügte bzw. diese nicht in Anspruch nehmen wollte. In diesen Fällen ließ sich die Facto AG meines Wissens sämtliche Rechte und Ansprüche aus und im Zusammenhang mit dem Lebensversicherungsvertrag abtreten, um dann im eigenen Namen die Rückabwicklung über einen von ihr beauftragten Rechtsanwalt zu betreiben. In dieser Konstellation steht zu befürchten, dass  die Lebensversicherungsverträge einschließlich der damit verbundenen Rechte in die Insolvenzmasse der Facto AG fallen und von dem jeweiligen Versicherungsnehmer nicht mehr gesondert geltend gemacht werden können.

Ihre Kanzlei ist bekannt dafür, in erster Linie die Interessen der Finanzdienstleister zu vertreten. Deshalb unsere nächste Frage: Befürchten Sie Haftungsfälle für Vermittler, die mit der Facto AG zusammengearbeitet haben?

Auch hier ist es für ein endgültiges Statement natürlich noch zu früh. Grundsätzlich gilt aber: Verbraucher, denen ein Schaden durch die Insolvenz der Facto AG entsteht, werden teilweise versuchen, diesen durch Inanspruchnahme ihres Vermittlers auszugleichen. Wir werden mit Sicherheit beobachten können, wie sich zu diesem Zweck in den nächsten Wochen die Anlegerschutzanwälte in der Öffentlichkeit positionieren. Ich sehe aber deutliche Unterschiede zur Haftung aus klassischer Falschberatung im Bezug aus Kapitalanlagen. So muss ein Verbraucher z.B. nachweisen können, dass ihm aus der Tätigkeit seines Vermittlers ein Schaden entstanden ist. Dieser Nachweis dürfte bei der angestrebten Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrages schwierig zu führen sein, da eine Vielzahl von Variablen zu berücksichtigen sind.

Was sind aus Ihrer Sicht die nächsten Schritte, sowohl für Verbraucher als auch für Vermittler?

Wie ich eingangs bereits erwähnte, ist zunächst einiges an Erkenntnisgewinn erforderlich. Diese Erkenntnisse wird uns der vorläufige Insolvenzverwalter im Laufe der Zeit liefern. Forderungsanmeldungen sind erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens – nicht des vorläufigen Insolvenzverfahrens – möglich. Spätestens ab diesem Zeitpunkt sollte man sich auf Seiten der Verbraucher Gedanken dazu machen, sich im Insolvenzverfahren fachkundig beraten zu lassen. Die geläufigste Fragestellung wird sein, ob Forderungen angemeldet werden können und – wenn ja – in welcher Höhe.

Vermittler sind zunächst, wie so häufig in letzter Zeit, als Krisenmanager gefragt. Ihre Aufgabe wird es sein, die aktuellen Entwicklungen im Auge zu behalten und ggf. ihre Kunden zu informieren. Wir werden interessierten Vermittlern zu dieser Kundenkommunikation gern Hilfestellung geben.  Auf keinen Fall sollte sich der Vermittler jedoch an einer für ihn ohnehin verbotenen Rechtsberatung seiner Kunden versuchen.

Herr Ellerbrock, wir danken für das Gespräch.

 

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