Verträge sind Verträge – oder?
Ursprünglich galt im römischen Recht – pacta sunt servanda. Verträge müssen eingehalten werden. Die wirtschaftliche Übermacht der Unternehmen gegenüber den Verbrauchern hat aber zur Durchbrechung dieser Idee geführt. Das Widerrufsrecht für den „schwächeren“ Verbraucher war geboren. Was ist das? Widerrufsrechte gibt seit Jahren. Die Europäische Union hat durch die am 13. Juni 2014 in Kraft getretene EU-Verbraucherrichtlinie die Anforderungen europaweit geregelt.
Widerruf bedeutet, dass einer sich von seinem Vertragsabschluss lösen kann. Binnen einer Frist und ohne sich für den Grund rechtfertigen zu müssen. Wie lange der Widerruf möglich ist, ergibt sich ebenfalls aus dem Gesetz. Falls die Widerrufsfrist falsch ist, läuft eine längere Frist. Fachanwalt Marco Bennek aus Hamburg fasst das so zusammen.
„1. Was genau ist eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung?
Nicht nur der Gesetzgeber, sondern auch die Gerichte in Deutschland befassen sich immer wieder eingehend mit Widerrufsbelehrungen und deren rechtlichen Wirksamkeit. Nach der allgemein gültigen Rechtsprechung und unterstützenden Urteilen sind demnach folgende Widerrufsbelehrungen unwirksam:
Falsche Fristbelehrung: Der Fristbeginn ist nicht eindeutig formuliert.
Die Widerrufsfolgen werden nur unvollständig aufgeführt oder fehlen komplett.
Es erfolgt keine Fernabsatzbelehrung.
Bei der Widerrufsbelehrung liegt ein Verstoß gegen das Deutlichkeitsgebot vor.
Die Pflichtangaben gemäß BGB und EGBGB fehlen (hier: § 492 Abs. 2 BGB iVm Art. 247 und §§ 6 bis 13 EGBGB).
2. Es kommt mitunter auf Nuancen bei der Formulierung an
Als Verbraucher können Sie oftmals die Fehlerhaftigkeit einer Widerrufsbelehrung gar nicht erkennen. Schon durch ein einzelnes, falsch eingesetztes Wort kann eine Widerrufsbelehrung unwirksam werden. So finden Sie in einer entsprechenden Widerrufsbelehrung oftmals das Wort „frühestens“ im Kontext mit dem Fristbeginn.
Der Bundesgerichtshof hat in mehreren Urteilen dargelegt, dass die Nutzung dieses Wortes zu einer unwirksamen Widerrufsbelehrung führt. Demnach lässt Sie dieses Wort im Unklaren darüber, welche Voraussetzungen hier gelten. Das Wort erzeuge bei den Verbrauchern Unklarheit.
Vielmehr suggeriere es dem jeweiligen Verbraucher fälschlicherweise, dass die Frist für den Widerruf eventuell auch erst später beginnen könne, argumentierten die Richter diesbezüglich.“
Damit ergibt sich für viele Verträge ein extrem langes Widerrufsrecht – teils ein ewiges Widerrufsrecht.
„Auch bei der fehlerhafte Widerrufsbelehrung Verjährung nehmen Darlehensverträge respektive Finanzdienstleistungen eine Sonderstellung ein. In der Regel besitzt jeder Verbraucher ein ewiges Widerrufsrecht, wenn er falsch oder fehlerhaft über den Widerruf belehrt wurde.
4. Fehlerhafte Widerrufsbelehrung – weitere Beispiele
Bei Verträgen unterschiedlichster Art kommt es immer wieder zu Irritationen im Hinblick auf die Widerrufsbelehrung. Wir haben für Sie typische Formulierungen und Szenerien für eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung aufgelistet:
Es wird eine zu kleine und damit schwer lesbare Schrift für die Widerrufsbelehrung verwendet.
Die Belehrung ist im Text versteckt und wird nicht in einem ausreichenden Maße optisch hervorgehoben.
Es wird eine ungültige Anschrift angegeben.
Ein irreführender oder falscher Inhalt verschleiert den Beginn der Widerrufsfrist.
Fehlende oder falsche Angaben machen die Folgen des Widerrufs nicht klar deutlich.
Es fehlen entsprechende Angaben zum Fernabsatzgeschäft.
In der Widerrufsbelehrung werden veraltete Gesetzeslagen oder Mustertextpassagen verwendet.
Die Widerrufsbelehrung erfolgt bereits vor Vertragsschluss.
In den verschiedenen Vertragsunterlagen sind zwei widersprüchliche Belehrungen vorhanden.
5. Die Widerrufsbelehrung als komplexes Feld innerhalb der Rechtsprechung
Alleine schon aufgrund der seit 2002 immer wieder eingebrachten Änderungen an Mustertexten und Gesetzen, hat die Sachlage stark kompliziert.
Es findet immer nur das Recht Anwendung, dass beim jeweiligen Zeitpunkt eines Vertragsabschlusses auch tatsächlich gültig ist. Noch komplexer wird die Rechtsprechung rundum eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung durch eine große Anzahl an Urteilen der Instanzgerichte. Denn diese Gerichtsurteile modifizieren zum Teil die jeweiligen Vorgaben des Bundesgerichtshofes.“, so der Fachanwalt Marco Benneck in seiner Darstellung.
Anmerkung der Redaktion: Teilweise werden am Markt Geldanlagen angeboten und zugleich der Widerruf von Geldanlagen. Der formale Mangel in der Widerrufsbelehrung einer Versicherung oder anderen Geldanlage bedeutet aber nicht, dass die Neuinvestition sinnvoll ist. Diese Punkte sind von einander zu trennen.
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